An Rhein und Ruhr. Umfragewerte im Bund sind desaströs. Was die Basis fordert, um bei den Kommunalwahlen nicht unter die Räder zu geraten

Ein Kernmerkmal der SPD ist es, dass sie häufig an sich selbst zweifelt und verzweifelt. Auch aktuell hadert die Partei mit sich selbst. Im Bundestrend liegt die SPD derzeit in Umfragen zwischen acht zehn Prozentpunkte unter dem Ergebnis der letzten Bundestagswahlen, aus denen sie als stärkste Kraft hervorging. An der Basis an Rhein und Ruhr führt das zu Sorgenfalten, wird doch im kommenden Jahr nicht nur im Bund, sondern auch in den Kommunen gewählt. Gerät man in den Abwärtssog? Ein Blick auf die Stimmungslage vor Ort.

In Dinslaken landete die SPD bei den Kommunalwahlen vor vier Jahren bei fast 30 Prozent. Deutlich weniger als bei den Ratswahlen im Jahr 2014, damals waren es über 43 Prozent. Dennoch: Die Sozialdemokraten wurden stärkste Kraft. „Wir haben sehr gut abgeschnitten“, sagt Kristina Grafen, Co-Vorsitzende des Stadtverbandes. Es wäre „sehr ärgerlich“, wenn die Partei im nächsten Jahr unter dem verheerenden Bundestrend leiden müsste. Der Zustand der SPD behagt ihr nicht.

Grafen: „Ich nehme die Partei als sehr gespalten wahr“

„Ich nehme die Partei als sehr gespalten wahr, wir haben keinen klaren Kurs“, klagt Grafen. Die Bundespartei renne Themen wie der Migration hinterher und drifte ihr zu weit nach rechts ab. Ihr schwant nichts Gutes für die Bundestagswahl im nächsten Jahr: „Mit dem Personal haben wir keine großen Erfolgsaussichten.“ Das macht Grafen auch daran fest, dass „die Partei dann gute Ergebnisse einfährt, wenn sie sich von Scholz distanziert - siehe Brandenburg“. Was jetzt nötig sei: „Es wäre schön, wenn mehr Ruhe einkehren würde und wir ein vernünftiges Programm entwickeln würden.“ Die Basis in Dinslaken sei dennoch motiviert – zumindest, was den Kommunalwahlkampf angehe. „Hier sind wir nah an den Menschen.“

Auch in Wesel herrscht Unmut über Berlin. „Wir können mit unseren Umfragewerten und der Leistung der Bundesregierung insgesamt nicht zufrieden sein“, sagt der Stadtverbandsvorsitzende Rafael Lorberg. Ihm treten weder der Bundeskanzler noch die SPD-Minister in der Ampel entschlossen genug auf. „Die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse bilden sich im Regierungshandeln nicht ab. Die FDP setzt viel durch und verhindert viel.“ Nicht alle Parteimitglieder in Wesel stünden hinter einer erneuten Kanzlerkandidatur von Scholz, berichtet Lorberg.

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Auch er hat Sorge, dass in Wesel die „hervorragenden Ergebnisse“ der SPD bei den Kommunalwahlen der vergangenen 20 Jahre unter dem Bundestrend leiden könnten. Fast 34 Prozent holten die Sozialdemokraten vor vier Jahren und wurden knapp hinter der CDU zweitstärkste Kraft. „Ich kann den Wählern im Kommunalwahlkampf nur schwer erklären, dass ich an der Migrationspolitik nichts ändern an“, sagt Lorberg. Er fordert von seiner Partei jetzt eine „massive Kraftanstrengung“. Die SPD müsse „die Sorgen der Menschen in den Blick nehmen“.

Für die SPD in Goch waren bereits die Kommunalwahlen 2020 ein Desaster. Die Partei landete bei gerade einmal knapp elf Prozent als vierstärkste Kraft noch hinter den Grünen. Die vergangenen Jahre habe man sich neu aufgestellt, berichtet der Ortsvereinsvorsitzende Frank Thon. Er sieht einen generellen Vertrauensverlust der Bürger „in alles, was Staatlichkeit anbelangt“. Das fange schon da an, wo ein Regionalexpress zwischen Goch und Düsseldorf so gut wie nicht fahre.

Thon: SPD muss bei den „ganz normalen Leuten“ sein

Beim aktuellen Megathema Migrationspolitik reiche es nicht, „den dicken Macker“ zu machen und wie der Bundeskanzler neue Härte anzukündigen. Das Kernproblem sei, dass die Verfahren zu lange dauerten. „Wir müssen konsequent darauf achten, dass das, was Gesetz ist, auch umgesetzt wird“, fordert Thon. Die SPD müsse wieder stärker da sein, „wo sich das Leben der ganz normalen Leute abspiele“. Deswegen lege sein Ortsverein den Fokus jetzt auf die anstehenden Kommunalwahlen.

In Kleve glaubt die dortige Co-Vorsitzende der SPD, dass die Partei die sozialen Medien zu sehr vernachlässigt. „Es gibt noch sehr viele Altgenossen, die glauben, dass Politik am Stammtisch in der Kneipe gemacht wird“, klagt Meliha Zari. Dabei seien soziale Medien wie TikTok derzeit die wichtigste Plattform, um politische Inhalte zu transportieren. Sie blickt pessimistisch auf die anstehenden Wahlen im kommenden Jahr. „Es gibt nicht die große Hoffnung, dass wir viele Stimmen bekommen.“