Eine neue Studie zeigt ein erschreckendes Ausmaß an tief verwurzeltem Antisemitismus in NRW. Es besteht Handlungsbedarf
Antisemitische Einstellungen haben in NRW eine „beunruhigende Normalität“ erreicht, und das ist wohl die bitterste Erkenntnis der Forscher, die für die aktuelle Studie zum Thema verantwortlich zeichnen. Antisemitismus darf niemals normal sein. Nicht in NRW, nicht in Deutschland, nirgendwo.
Wenn fast die Hälfte der Befragten in dieser Studie sagt, unter den Holocaust müsse ein Schlussstrich gezogen werden, zeugt das erstens davon, wie das Gift wirkt, das von Rechtsaußen in die Gesellschaft geträufelt wird, und zweitens davon, dass es zu viele Menschen gibt, die den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung nicht verstehen können oder wollen. Die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, bedeutet nicht, die Schuld für das auf sich zu nehmen, was Eltern oder Großeltern verbrochen haben.
Ein Viertel der Befragten hat zudem nach Ansicht der Forscher verfestigte antisemitische Einstellungen. Die Mär einer „jüdischen Weltverschwörung“, die aus rechten wie islamistischen Kreisen verbreitet wird, verfängt offensichtlich immer häufiger, insbesondere unter Jugendlichen. Befeuert wird der Hang zum Antisemitismus offenbar durch die Eskalation in Nahost.
Natürlich ist es legitim, die israelische Kriegsführung oder die Politik des rechten Kabinetts Netanjahu kritisch zu hinterfragen. Das geschieht in Israel übrigens auch. Aber eine Täter-Opfer-Umkehr, die die Ursachen für diese Eskalation ausblendet oder gar den Massenmord an fast 1200 israelischen Menschen als Widerstand verklärt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, antisemitisch grundiert zu sein.
Die Schlussfolgerungen aus der Studie müssen lauten: mehr Aufklärung vor allem von Jugendlichen, entschiedeneres Dagegenhalten, wenn Stammtischparolen laut werden, mehr Solidarität mit Israel und den jüdischen Menschen in Deutschland.