An Rhein und Ruhr. In Städten und Gemeinden sind Tausende Stellen unbesetzt. Das heizt den Wettbewerb an – zum Nachteil kleiner Kommunen.

Wer in Dinslaken einen Antrag auf Einbürgerung stellt, muss Geduld mitbringen. Sehr viel Geduld. Im Schnitt dauert es 13 Monate, bis Antragsteller bei der städtischen Ausländerbehörde einen Termin zur Einreichung der entsprechenden Unterlagen bekommen. Dann nochmal durchschnittlich 17 Monate, bis über den Antrag entschieden wird. Die Behörde ist unterbesetzt. „Wir haben seit Ende 2022 die Hälfte der Mitarbeiter an größere Kommunen verloren“, klagt Bürgermeisterin Michaela Eislöffel und beschreibt einen Zustand, der landesweit zum Problem wird: Unter Personalnot leidende Kommunen kannibalisieren sich gegenseitig.

Der Fachkräftemangel wirkt sich auf die Städte und Gemeinden an Rhein und Ruhr aus. Aktuell, so schätzt es der Landesverband des Deutschen Beamtenbundes (dbb), sind in den kommunalen Verwaltungen in NRW rund 14.000 Stellen nicht besetzt. Tendenz: steigend. Kommunale Arbeitergeber, Spitzenverbände und Unternehmen rechnen in den kommenden zehn Jahren mit einer Vervierfachung der Personallücke, die derzeit bei vier Prozent liegt.

Städte- und Gemeindebund: „Wir fischen alle aus demselben Pool“

Das treibt den Wettbewerb um die besten Köpfe in der kommunalen Familie an. Verlierer sind häufig kleinere Kommunen wie die 70.000-Einwohner-Stadt Dinslaken. Konkretes Beispiel: Die Lage in der dortigen Ausländerbehörde. „Seit Ende 2022 spitzt sich die Situation zu“, erklärt die parteilose Bürgermeisterin Eislöffel. Von zehn Mitarbeitern hätten sich bis Anfang 2024 fünf in größere Städte in der Nachbarschaft oder die Kreisverwaltung wegbeworben. „Größere Kommunen können besser besolden.“ Sie haben andere Führungsstrukturen und ein breiteres Aufgabenspektrum. Es ist eine Misere nicht nur für Dinslaken.

„Wir fischen alle aus demselben Pool, und der wird nicht größer“, sagt Christiane Bongartz, Referentin für Kommunalrecht beim Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. Auf einem leer gefegten Arbeitsmarkt ziehen kleinere Kommunen häufig den Kürzeren: „Größere Kommunen haben den Vorteil, mehr höherwertige Stellen anbieten zu können, verbunden mit besseren Aufstiegschancen und Entwicklungsperspektiven“, so Stefanie Frank, Sprecherin beim Landesverband von „komba“, der Gewerkschaft für Beamte und Beschäftigte der Kommunen.

Beamtenbund: Manche Mitarbeiter werden aktiv angeworben

Stellenangebote größerer Städte würden, so Frank, natürlich auch von Mitarbeitern kleinerer Kommunen gesehen: „Das ist vor allem für kleinere Kommunen in Ballungszentren ein Problem, weil sich Mitarbeitende wegbewerben.“ Beim Beamtenbund dbb heißt es, mancherorts würden Fachkräfte sogar aktiv abgeworben. „Vereinzelt werden entsprechende Vorkommnisse beklagt“, sagt auch ein Sprecher des Landeskommunalministeriums. Es sei allerdings nicht davon auszugehen, dass es sich um ein Massenphänomen handelt.

So oder so: Für kleinere Kommunen wie Dinslaken ist die Abwanderung von Mitarbeitern eine enorme Herausforderung. Eine Ausländerbehörde beispielsweise muss ihre Pflichtaufgaben erfüllen, egal wie der Personalstand ist. Also mussten die verbliebenen Mitarbeiter Mehrarbeit leisten, honoriert durch Zulagen. Auf Dauer aber kein Zustand. „Wir haben ja auch eine Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiter“, sagt Bürgermeisterin Eislöffel. Also hat sie Fachkräfte aus dem eigenen Haus abgeordnet, um die unbesetzten Stellen in der Ausländerbehörde zu füllen. „Auch das ist hochproblematisch.“ Immerhin: Jetzt sind nur noch zwei Stellen vakant.  

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Es sind aber natürlich nicht nur Mitarbeiter in Ausländerbehörden, die fehlen. Die Personallücken in den Kommunen klaffen überall. Vor allem, so kommunale Vertreter in den technischen Bereichen, bei IT-Fachkräften, bei Erzieherinnen und Erziehern, bei Rettungskräften und der Feuerwehr. „Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist sehr herausfordernd und angespannt“, formuliert es Gewerkschaftsvertreterin Stefanie Frank. Sie fordert eine „Attraktivitätsoffensive für den Öffentlichen Dienst.“

Aus dem Kommunalministerium heißt es, in erster Linie seien die Kommunen „im Rahmen ihrer Selbstverwaltung dafür verantwortlich, attraktive Dienstherren beziehungsweise Arbeitgeber zu bleiben“.  Kleinere Kommunen könnten „mit flachen Hierarchien, schneller Verantwortungsübernahme sowie zum Teil besseren Aufstiegschancen punkten“, so der Ministeriumssprecher. Heißt: In kleineren Kommunen können Mitarbeiter unter Umständen schneller mehr Geld verdienen.

Um die Kommunen trotz der Personalnot arbeitsfähig zu halten und die Mitarbeiter zu entlasten, biete sich ein Mix aus zwei Handlungsoptionen an, so der Sprecher:  Erledigung von Routine-Tätigkeiten etwa durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz, plus der Wegfall von Aufgaben. „Dazu gehört auch, dass Gesetze weniger Einzelfall-orientiert zu sein haben.“ Der Städte- und Gemeindebund wiederum regt an, die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken, kleinere Kommunen könnten sich zusammenschließen. Referentin Bongartz: „So könnten Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden.“