An Rhein und Ruhr. Zehntausende auf den Straßen, mediale Präsenz – und doch blieben viele der Forderungen der Aktivisten bislang unerfüllt. War also alles umsonst?

Die Aktivisten von Fridays for Future rufen für Freitag, 20. September, wieder zu einem globalen Klimastreik auf. Auch in der Region sind Demonstrationen geplant. Ausmaße wie zur Hochphase der Bewegung, als Zehntausende auf die Straße gingen, werden wohl nicht erreicht werden. Doch Fridays for Future will es noch einmal wissen und den Klimaschutz wieder höher auf die politische Agenda setzen. Sechs Jahre nach Greta Thunbergs erstem Klimastreik vor dem schwedischen Parlament, muss sich die Bewegung aber die Frage gefallen lassen, was sie erreicht hat. Waren die Demos umsonst oder hat Fridays for Future nachhaltig etwas verändert? Was drei heutige und ehemalige Aktivisten sagen.

Aktivist sieht Kohleausstieg in NRW als großen Erfolg der Klimabewegung

„Wir haben viele Erfolge, aber zuletzt auch herbe Rückschläge erlebt“, sagt Jan-Niklas Niebisch aus Wülfrath. Der heute 22-Jährige ist seit Februar 2019 bei Fridays for Future aktiv, mittlerweile meistens auf Bundesebene. Insgesamt zieht er eine „relativ positive“ Bilanz der Bewegung. „Wir haben es geschafft, Klimaschutz und Klimagerechtigkeit in die Bevölkerung zu bringen und dass die Leute ein Bewusstsein dafür entwickelt haben.“ Zudem seien einige Forderungen in das Klimaschutzgesetz übernommen worden.

Jan-Niklas Niebisch (22) aus Wülfrath ist seit den Anfangstagen der Bewegung bei Fridays for Future dabei.
Jan-Niklas Niebisch (22) aus Wülfrath ist seit den Anfangstagen der Bewegung bei Fridays for Future dabei. © NRZ | Privat

„Ein wichtiger Erfolg ist aber, dass die Politik mehr mit der Wissenschaft redet“, meint der junge Aktivist. „Auch beim Kohleabbau in der Region haben wir Druck gemacht auf RWE und die Landesregierung, so dass einige Dörfer gerettet wurden.“ Das sei aber auch ein Erfolg von Gruppen wie „Ende Gelände“ oder „Alle Dörfer bleiben“, ergänzt Niebisch.

Ganz zufrieden könne man aber nicht sein, sagt er. Unternehmen müssen zum Wandel verpflichtet werden, fordert Niebisch. „Wir sind an einem Punkt, wo wir mit Freiwilligkeit nicht weiterkommen. Damit zum Beispiel Dörfer, unter denen es Kohle gibt, nicht mehr abgebaggert werden. Das ist in der Lausitz noch immer Realität.“ Auch der Ausstieg aus dem Erdgas als Energieträger müsse beschlossen werden, meint der Klimaaktivist.

Seine Bewegung hält er daher für ebenso wichtig wie zur Zeit ihrer Blüte. „Das Bewusstsein für Klimaschutz ist da, aber es besteht die Gefahr, dass es wieder verschwindet.“ Durch die vielen Krisen sei der Klimaschutz nach hinten gestellt worden. „Es ist wichtig, eine stabile Bewegung zu haben, die das Thema immer wieder nach vorne stellt und dabei auch mal unangenehm ist“, betont Niebisch. „Und es ist weiterhin wichtig, dabei aus einer jungen Perspektive Druck zu machen.“

Klimastreik am 20. September

Am Freitag, 20. September, ruft die Klimabewegung Fridays for Future wieder zum Klimastreik auf. Demonstrationen wurden auch in der Region angekündigt. So auch in Düsseldorf (15 Uhr am Schadowplatz), Duisburg (16 Uhr vor dem Landgericht), Essen (14.45 Uhr am Hauptbahnhof) und Krefeld (17.30 auf dem Von-der-Leyen-Platz). Aber auch in Aachen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund sind Klimademos geplant.

Grünen-Stadtrat: „Im Verkehr ist zu wenig passiert.“

Auch Lukas Mielczarek war von Anfang an bei Fridays for Future dabei, und an der Organisation großer Demonstrationen in Düsseldorf beteiligt. Seit 2020 sitzt er für die Grünen im Stadtrat. Auch er sieht eine „leicht positive“ Bilanz der Klimabewegung. „Besonders zu der Zeit als die Demos so groß waren, war das Thema nicht wegzudenken aus dem politischen Diskurs“, sagt der heute 24-Jährige. „Das merkt man heute noch, auch wenn sich die Trägheit des Systems, vor allem bei den Diskussionen und Entscheidungen im Bundestag, als größer herausgestellt hat, als wir es damals gedacht haben als Aktivisten.“

Lukas Mielczarek sitzt seit 2020 für die Grünen im Düsseldorfer Stadtrat.
Lukas Mielczarek sitzt seit 2020 für die Grünen im Düsseldorfer Stadtrat.

Als einen der größten Erfolge sieht er den vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier. Auch juristisch habe sich einiges getan durch die Bewegung. „2019 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass mangelnder Klimaschutz die Freiheits- und Grundrechte von Generationen beschränkt. Da hat sich viel entwickelt, was wohl nicht zustande gekommen wäre, wenn die Leute damals nicht auf die Straße gegangen wären“, meint Mielczarek.

Doch nicht alle Forderungen wurden umgesetzt. „Beim Verkehr passiert zu wenig“, kritisiert der Kommunalpolitiker. „Es gibt kein Tempolimit auf Autobahnen, kein Tempo-30 als Regelgeschwindigkeit für die Städte, dazu die Debatte um das Verbrenner-Aus, die immer wieder von der FDP befeuert wird. Der Klimaschutz hat stark an Bedeutung gewonnen, aber das Vergessen und Verdrängen der Klimakrise ist immer noch stark bei vielen.“

Am Ende ist es dieser nachhaltige Effekt, den er als Misserfolg sieht. „Ein Ziel, dass Fridays for Future hatte, war, dass alle Parteien eine Antwort auf die Klimakrise haben. Und das ist der Kern dessen, was nicht funktioniert hat.“ Dennoch bleibt er bei seiner positiven Bilanz und betont: „Fridays for Future hat es gebraucht. Man hatte davor schon alle Fakten, aber es war nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Und es könnte bald wieder eine solchen Effekt brauchen, meint er. „Wenn es künftig Rückschritte beim Klimaschutz gibt, werden wieder junge Menschen auf die Straße gehen.“

Junge Union-Vorsitzender bei Fridays for Future

Mitgewirkt an der ersten Demonstration von Fridays for Future am Niederrhein hat Cedric Röhrich aus Kleve. Seit Februar 2019 war er aktiv, gleichzeitig aber auch Mitglied der Jungen Union. Und heute ist der 21-Jährige Kreisvorsitzender des CDU-Nachwuchses in Kleve. Auch er sieht für die Klimabewegung einige Erfolge auf der Habenseite, meint jedoch, dass die Detailarbeit für den Klimaschutz nun der Politik überlassen werden sollte.

Cedric Röhrich war bei Fridays for Future in Kleve aktiv und ist heute Kreisvorsitzender der Jungen Union.
Cedric Röhrich war bei Fridays for Future in Kleve aktiv und ist heute Kreisvorsitzender der Jungen Union. © Dirk Verweyen | Dirk Verweyen

Durch eine Demonstration in Düsseldorf im Januar 2019 und Einlesen in das Thema sei ihm die Tragweite des Klimawandels richtig klar geworden. „Dann hat es mich geärgert, wie wenig von der Politik und auch von meiner Partei gemacht wird. Wir hatten damals Wahlprogramme, in denen der Klimaschutz überhaupt nicht vorkam. Das hatte man verpennt“, bemängelt er. Damit Klimaschutz funktioniere, brauche jede Partei einen „authentischen Zugang“ zu dem Thema, meint Röhrich. „Besonders die CDU, ohne die im Land keine Politik zu machen ist.“ Dafür wolle er sich auch in Zukunft weiter einsetzen.

Aus der Klimabewegung habe er sich im Laufe der Pandemie zurückgezogen. Bereut habe er sein Engagement nie, sagt er. „Zu dem Zeitpunkt war es absolut angebracht.“ Als größte Erfolge sieht er die von der Bundesregierung als Ziel ausgegebene Klimaneutralität bis 2045 und den beschlossenen Kohleausstieg.

Jetzt brauche es aber konkrete Detailarbeit für den Klimaschutz in den politischen Gremien. „Was mir Kopfschmerzen bereitet ist, dass das Thema in Umfragen sehr weit nach unten gerutscht ist.“ Es brauche gute Öffentlichkeitsarbeit für den Klimaschutz, sagt Röhrich. „Demonstrationen sind dafür immer eine gute Möglichkeit, aber es muss so gemacht werden, wie es Fridays for Future damals gemacht hat: Sie müssen auf eine breite Basis und mit vielen Brücken durch die Gesellschaft gebaut sein. Was nichts bringt, ist, sich wie die Letzte Generation mit ein paar Leuten auf die Straße zu kleben.“