Düsseldorf. Kaum jemand isst so gerne in Imbissen wie Deutsche und Niederländer. Aber wo schmeckt es besser? Ein Streitgespräch unter Kollegen.

Neulich zur Mittagszeit in der NRZ-Kantine: NRW-Reporter Tobias Kaluza und Niederlande-Berichterstatter Jonas Erlenkämper kriegen sich beim Essen in die Haare. Es geht um die brisante Frage, welcher Imbissklassiker besser schmeckt – die an Rhein und Ruhr innig geliebte Currywurst oder die holländische Frikandel. In einem ersten Schlichtungsversuch werden weitere Kolleginnen und Kollegen zu ihren fettigen Vorlieben befragt. Mit klarem Ergebnis, 18:2 für die Currywurst, die nun ihren 75- Geburtstag feiert. Die Frikandel-Fraktion wirft ihnen Befangenheit vor.

Die beiden Redakteure verabreden sich daher zum Streitgespräch auf neutralem Boden: In „Leo’s Grill“, einem binationalen Düsseldorfer Imbiss, der beide Gerichte verkauft. Welche Wurstvariation ist schmackhafter, welche kultiger? Einig sind sich die Feinschmecker nicht geworden.

Currywurst oder Frikandel? Die NRZ-Redaktion hat eine klare Vorliebe.
Currywurst oder Frikandel? Die NRZ-Redaktion hat eine klare Vorliebe. © Funkegrafik NRW | Anda Sinn

Currywurst – für mich die ewige Nummer Eins

...findet Tobias Kaluza

Sie ist vielseitig und doch einzigartig, so gut wie überall erhältlich und trotzdem immer wieder eine kleine Besonderheit: Die Currywurst. Seit Jahrzehnten gehört sie in deutschen Kantinen zum Inventar, ist dort oft wichtiger als Tische und Stühle – immerhin kann man sie im Stehen essen. Ebenso im Stadion, an der Imbissbude oder auf einem Grillfest.

Zugegeben, in den letzten Jahren verlor der Ruhrpott-Klassiker in seiner feinen Pelle in Umfragen den ersten Platz unter den beliebtesten Kantinen-Gerichten erst an Spaghetti Bolognese, und an den Imbissbuden stehen Pizza und Döner höher im Kurs. Aber sie ist und bleibt ein Fast-Food-Klassiker und als solcher fest verwurzelt in Deutschlands kulinarischen Hochburgen, wie dem Ruhrgebiet oder Berlin. Und gegenüber dem Imbiss-Klassiker unserer niederländischen Nachbarn, der Frikandel, hat die Currywurst ganz klar die Nase vorn und ist ihr immer eine Wurstlänge voraus.

Eine Liebeserklärung an den Gaumen in Form von Bratwurst in Currysoße mit Pommes.
Eine Liebeserklärung an den Gaumen in Form von Bratwurst in Currysoße mit Pommes. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Denn es ist doch auch die Vielseitigkeit der Currywurst, die sie so beliebt macht. Zunächst ist Wurst nicht gleich Wurst. Schon gar nicht in Deutschland. Während in NRW oft die feine Bratwurst im Schweinedarm die fleischliche Basis für die Currywurst bildet, ist es im Norden eine grobe Bratwurst und in Thüringen und angrenzenden Gebieten die Thüringer Rostbratwurst. Aber auch Bockwürste, Brühwürste, Kalbsbratwürste, Würste ohne Darm und natürlich die rötlich-saftige Krakauer lassen sich mit Currysoße übergossen in den deutschen Kantinen-Klassiker verwandeln.

Und ja, auch für Vegetarier und Veganer bieten sich mittlerweile diverse Alternativen an. Sowohl was die Wurst als auch das Drumherum angeht. Und schließlich experimentieren auch aus dem Fernsehen bekannte Köche wie Nelson Müller mit der Currywurst und machen daraus ein hochpreisiges Luxusmenü (34 Euro, Champagner inklusive).

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So vielseitig wie die Wurst ist auch die Soße. Klar, es gibt ja auch kein offizielles Rezept. Und so mischt jeder Imbissbudenbesitzer, Kantinenkoch oder Hobbybratmeister auf der Basis von Tomaten und Currypulver sein eigenes Sößchen zusammen. Oft finden Butter, Zucker, Paprikapulver, Zwiebeln, Honig oder Öl ihren Weg in die Mischung. Der Fantasie scheinen hier keine Grenzen gesetzt. Ebenso wie der ewigen Dominanz der Currywurst über der Frikandel.

Letztere mag zwar ihre Stärken haben, aber die Anpassungsfähigkeit der Currywurst verschafft ihr auch dann einen Vorteil, wenn gesunde Ernährung gefragt ist.

Eine Fresstour ins Frikandel-Land

...unternimmt Jonas Erlenkämper

Die weiche Wurstrolle versteckt sich unter einer dicken Mayo-Ketchup-Schicht und frisch geschnittenen Zwiebelwürfeln. Die „Frikandel speciaal“, wie die Niederländer ihr heimliches Nationalgericht nennen, wird zusammen mit einer sättigenden Portion der dicken Holland-Pommes gereicht – außen knusprig, innen fluffig. Zwei würzig-süße Kleckse Joppiesaus runden das Gericht ab. So einen Prachtteller könnte ich jeden Tag wegspachteln.

Unter diesem Kalorienberg aus Ketchup, Mayonnaise, Zwiebeln und Joppiesoße hat sich eine Frikandel versteckt.
Unter diesem Kalorienberg aus Ketchup, Mayonnaise, Zwiebeln und Joppiesoße hat sich eine Frikandel versteckt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Zugegeben, ich vermeide den Blick aufs Kleingedruckte. In vielen Imbissen, auch bei Leo in Düsseldorf, findet sich auf der Speisekarte der unappetitlich klingende Hinweis, dass die Frikandel aus sogenanntem Separatorenfleisch besteht, einem mit chemischen Hilfsmitteln versetzten Fleischrestebrei. Klar, wer sich gesund ernähren möchte, sollte keine holländische Fressbude ansteuern. Allen anderen rufe ich vorm nächsten Nordseeurlaub zu: „Eet smakelijk!“

Nichts gegen die gute alte Currywurst, aber davon abgesehen hat die deutsche Schnellküche bedrückend wenig zu bieten. Bei unseren Nachbarn hingegen ist das kulinarische Angebot so reichhaltig wie fetttriefend. Denken Sie an den Kneipenklassiker Bitterballen (außen Panade, innen Rindsragout) oder an dessen große Schwester, die krossen Fleischkroketten aus der Fritteuse. Das Land ist wahnwitzig kreativ darin, die Menschen rund um die Uhr mit fertigen Mahlzeiten zu versorgen. Finde nicht nur ich, findet auch die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Die hat die Niederlande vor einigen Jahren etwas überraschend zum weltweit „besten Ort, um zu essen“ gekürt. Nicht Frankreich, nicht Italien ist die Heimat der Gourmands – in Holland wohnen die wahren Leckerschmecker. Nirgendwo sonst finde man quasi an jeder Straßenecke günstiges und vergleichsweise nahrhaftes Essen, urteilte die Studie.

Zum Beispiel in den vielen Selbstbedienungsautomaten. Seit rund 70 Jahren ziehen sich die Holländer heiße Köstlichkeiten aus wandgroßen Fächerfronten. Manche Touristen finden die Vorstellung ekelig. Aber wer spätabends nach sieben Pilsje durch eine niederländische Innenstadt stolpert, weiß den „Automaat“ zu schätzen. Oder sehnen Sie sich nachts nach einem Salat?

Der niederländische Gesundheitsrat hat den Bürgern vor einigen Monaten dazu geraten, weniger Fleisch zu essen. Das sei gut für Körper und Umwelt. Na gut, nächstes Mal im Imbiss bestelle ich keine Frikandel. Stattdessen: ein Kaassoufflé!