An Rhein und Ruhr. Die Kosten für Pflegeheime und -dienste sind wieder gestiegen. Wer sich das nicht leisten kann, bekommt Hilfe. Das System hat jedoch Probleme.
3200 Euro beträgt der Eigenanteil für ein Pflegeheim in NRW im ersten Jahr. Das ist teurer als im Bundesschnitt, wo dieser Kostenteil allein im vergangenen Jahr um mehr als 200 Euro gestiegen ist. Den Rest der Kosten übernimmt die Pflegeversicherung. Kann man sich den Eigenanteil nicht mehr leisten, muss aber nicht fürchten, aus dem Heim ausziehen zu müssen – so wie es bei einem Extremfall in Essen passieren könnte. Wo es Unterstützung gibt und welche Beratung wichtig ist.
Pflegekosten gestiegen – NRW besonders teuer
Die Zustimmung des Landgerichts Essen zur Räumungsklage eines Seniorenheims gegen einen 89-jährigen Bewohner sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen. Der Mann hatte mehrere Monate lang seine Heimkosten nicht mehr zahlen können. Ein Antrag auf Sozialhilfe konnte monatelang nicht bearbeitet werden – wohl wegen fehlender Unterlagen. Das zuständige Amt der Stadt will nun erreichen, dass der pflegebedürftige Senior nicht auf der Straße landet.
Auf Unterständnis stößt das Vorgehen des Essener Pflegeheims in diesem Fall bei Pflegeberater Oliver Grötzsch aus Düsseldorf. „Das Heim hätte seinen Bewohner besser beraten müssen, was seine finanzielle Situation angeht.“ Im Krankenhaus haben Patienten einen Anspruch auf eine Sozialberatung. „In den Heimen gibt es immer einen Heimbeirat, der als Bindeglied zwischen Bewohnern und Verwaltung dient. Dahin kann man sich als Bewohner oder Angehöriger wenden“, erklärt Grötzsch.
Hilfe bekomme man auch bei der Seniorenberatung der Kommunen. „Man muss sich rechtzeitig Unterstützung suchen“, sagt der Pflegeberater. Angesichts steigender Eigenanteile ist das wichtiger denn je. Zum Stichtag am 1. Juli zahlten Pflegebedürftige in Deutschland nach Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen im Schnitt 2871 Euro im Monat. Das sind 211 Euro mehr als Mitte 2023. Regional waren die Unterschiede deutlich – im Schnitt am teuersten ist derzeit ein Heimplatz im ersten Aufenthaltsjahr in NRW mit 3200 Euro pro Monat.
Sozialhilfe und Pflegewohngeld beantragen
Wer sich das nicht mehr leisten kann, hat die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beantragen, erklärt Martin Franke, Referent für Sozialpolitik beim Sozialverband VdK NRW. „Voraussetzung ist, dass das eigene Einkommen und Vermögen, beziehungsweise das vom Ehe- oder Lebenspartner, nicht ausreichen, um den Eigenanteil zu bezahlen.“
Dann springe meist die Kommune ein, so Franke. Das Problem aus seiner Sicht: „Die Pflegeversicherung wurde eingeführt, um die Menschen vor der Sozialhilfe zu schützen. Mittlerweile sind die Kosten, gerade für stationäre Versorgung, explodiert, so dass kaum noch eine Rente ausreicht, um den monatlichen Eigenanteil zu zahlen und vermehrt wieder die Kommunen dafür aufkommen müssen“, kritisiert er.
Zudem gebe es die Möglichkeit Pflegewohngeld zu beantragen. Auch davon können Kosten des Heims gezahlt werden, erklärt Franke weiter. „Man kann Pflegewohngeld erhalten, wenn man mindestens Pflegegrad 2 hat und dauerhaft in einer stationären Einrichtung lebt.“ Auch hier sei es Voraussetzung, dass man die Kosten nicht aus eigenen Mitteln decken kann.
Kinder zahlen erst ab hohem eigenen Einkommen
Auch das eigene Vermögen – falls vorhanden – könne dazu genutzt werden, die Pflegekosten zu zahlen. „Zum eigenen Vermögen gehören Ersparnisse, Grundbesitz und weitere Vermögenswerte“, erklärt der VdK-Referent. Doch nicht alle Vermögenswerte müssen verwendet werden. „Wenn man ein Haus hat, ist die Frage, wer da wohnt. Wenn die Kinder oder der Ehepartner dort wohnen, dann kann es nicht einfach veräußert werden.“
Angehörige, wie Kinder, werden übrigens erst ab einem Einkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr zur Kasse gebeten, stelle Franke zudem klar. „Vorher müssen sie sich nicht an den Kosten beteiligen.“
Neben der vorzeitigen Aufklärung über Hilfsangebote sei es auch wichtig, sich früh Gedanken darüber zu machen, in welchem Heim die zu pflegende Person leben soll, sagt Berater Oliver Grötzsch. „So genau und penibel wie die Leute sich ihr Hotelzimmer für den Urlaub aussuchen, so muss man sich auch ein künftiges Heim aussuchen. Man sollte sich bei guter Gesundheit über seinen Lebensabend Gedanken machen.“
Pflegeheim finden
Wer für sich selbst oder einen zu pflegenden Angehörigen ein passendes Heim sucht, kann dafür das Portal „Heimfinder.NRW“ des NRW-Gesundheitsministerium kostenlos nutzen. Dort können Kurzzeit- und Dauerpflegeplätze auf einer Karte gesucht werden. Auch gezielt nach Einrichtungen in einem bestimmten Ort kann man im „Heimfinder“ suchen.
Berater: Heim sollte man frühzeitig suchen
Andernfalls könnte es zu Problemen kommen, sagt Grötzsch, der für Krankenhäuser auch Pflegeheime für Patienten heraussucht. Für eine Patienten frage er bis zu 150 Heime in der Umgebung an. „Und dann ist die Chance schnell etwas zu finden immer noch gering“, sagt er. „Aufgrund des Mangels an Heimplätzen muss oft genommen werden, was da ist.“ Ideal sei es, wenn die Leute in ihrer angestammten Wohngegend bleiben könnten, so Grötzsch.
„Man sollte sich das also im Voraus überlegen, in was für einem Heim man leben möchte, wenn es notwendig wird. Mindestens sechs Monate vor dem Umzug“, empfiehlt der Berater. Sinnvoll sei es, mit dem Hausarzt darüber zu reden, da er seine Patienten gut kenne. (mit dpa)