Wesel. Programmieren ist kinderleicht! Das zeigen am Maustag die Codingkids in Wesel. Welche bewegende Geschichte hinter der Idee steckt.
Ben ist in der ersten Klasse, als er die Diagnose bekommt: Er hat das Asperger-Syndrom. Seine Eltern überrascht das nicht. In der Schule kommt er zwar klar, „aber mit dem Sozialen ist es immer schwierig“, erzählt Michael Janßen. Wie können sie ihren Sohn also unterstützen und fördern? Denn, das betont er, „Ben ist auch total wissbegierig.“ Da kommt ihm eine Idee... „Beim Programmieren sind Autisten oft im Vorteil“, weiß er als Softwareentwickler, „weil das viel mit Struktur und Logik zu tun hat.“ Und genau darin ist auch Ben richtig gut!
Michael Janßen recherchiert und findet so die „CoderDojos“. Die kostenlos angebotenen und ehrenamtlich geführten Computerclubs für Kinder und Jugendliche gibt‘s mittlerweile in über 100 Ländern, auch in Deutschland, allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Niederrhein. Was also tun? „Wir machen es einfach selbst!“ Sein Bruder Daniel ist praktischerweise als Systemadministrator auch vom Fach, seine Frau Nicky übernimmt kurzerhand die Buchhaltung. Und so gründen sie im Oktober 2022 den Codingkids Programmierclub Niederrhein e.V. Und ja, der Name ist etwas sperrig, das muss er lachend zugeben.
Fast wie Lego: Eine kinderleichte Programmiersprache
Dafür aber ist das, was drinsteckt, ziemlich spannend. Frontalunterricht? Gibt‘s nicht! „Der Hintergrund ist, dass die Kinder das Programmieren von sich aus lernen sollen“, sagt Michael Janßen. Klar, wenn ein Kind, oder ein „Ninja“, wie es offiziell heißt, zum ersten Mal an einem der Treffen, also an einem „CoderDojo“, im Weseler Center Cubes teilnimmt, bekommt es immer eine kleine Einführung. Dann aber kann es auch schon direkt mit „Scratch“ loslegen. Was das wieder ist, kann der Experte natürlich auch direkt erklären: „Das ist eine Programmiersprache, die ein bisschen an Lego erinnert, weil man Blöcke hin- und herschieben kann.“
So lernen Kinder automatisch und spielerisch die Grundtechniken des Programmierens. „Learning by doing“, beschreibt es Michael Janßen, „und wir Erwachsenen sind nur zur Unterstützung da.“ Zu den sechs Mentoren und Mentorinnen gehört auch seine Frau Nicky, die eigentlich nicht aus der IT kommt, aber mittlerweile beim Thema Scratch ebenfalls mitreden kann. Wobei, das fügt sie lachend hinzu, „bei den Kindern, die schon Websites programmieren, kann ich wirklich nicht helfen.“ Ihr Mann nickt, „bei manchen Dingen sagen wir echt: ‚Wow!‘“
Star Wars: 13-Jähriger entwickelt Computerspiel
Wenn beispielsweise ein 13-Jähriger ein eigenes Star Wars-Spiel entwickelt... Alles ist möglich! Da ist auch „Mia, die eine eigene Website für Kochrezepte programmiert hat“, erzählt Michael Janßen, oder „James, der zur EM eine Art Liveticker entwickelt hat.“ Und Ben? „Der hat eine Geschichte geschrieben, aus der er jetzt ein Spiel macht.“ Tatsächlich hat er durch die „CoderDojos“ auch schon Freunde gefunden, die er sogar zu seinem Geburtstag eingeladen hat. „Die Kinder sind alle auf einer Wellenlänge“, erklärt Nicky Janßen. „Manchmal führen sie solche Nerdgespräche, dass ich nichts davon verstehe.“
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Muss sie auch nicht. Schließlich geht‘s darum, dass sich die Kinder untereinander austauschen oder gegenseitig helfen. „Mittlerweile kommen auch drei Autisten regelmäßig“, sagt Michael Janßen. Sie alle programmieren, tüfteln, entwickeln... und stellen ihr Ergebnis am Ende der Gruppe vor. Das kostet Überwindung, natürlich, „aber wir wollen auch das Selbstbewusstsein fördern“, betont er. Spätestens aber wenn der Applaus kommt, „und der kommt immer“, sind alle stolz, es geschafft zu haben. Tatsächlich sind die „CoderDojos“ so beliebt, dass die 18 Plätze, die sie anbieten können, fast immer ausgebucht sind.
Wesel: Codingkids tüfteln am Roboter oder Mikrocomputer
Damit gerechnet hätten die beiden vor zwei Jahren nie, müssen sie zugeben. „Aber daran sieht man ja auch, dass der Bedarf da ist“, betont Michael Janßen. Klar, Vereine gibt‘s viele, „aber 95 Prozent sind gefühlt Sportvereine“, sagt er. „Und wir fangen die Kinder ab, die so wie ich sind.“ Da muss er selbst lachen. „Also die, die keine Lust auf Sport haben.“ Wobei sie ja eigentlich auch Sport betreiben, „nur eben Denksport“. Dabei sitzen sie übrigens nicht nur an Notebooks, sondern auch mal am Mikrocomputer oder Roboter... Nee, langweilig wird es bei ihnen wirklich nie!
Der Codingkids Programmierclub Niederrhein
Der Codingkids Programmierclub Niederrhein trifft sich immer mittwochs von 18 bis 19.30 Uhr im Cubes, Rudolf-Diesel-Straße 115 in Wesel. Das nächste Mal am 21. August. Teilnehmen können Kinder, sobald sie lesen können, bis circa 18 Jahre.
Die Treffen sind kostenlos, eine Mitgliedschaft ist keine Voraussetzung. Aktuell gibt‘s wöchentlich 18 Plätze. Damit aber noch mehr Kinder und Jugendliche teilnehmen können, sucht das Team händeringend nach ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren.
Kinder und Jugendliche sollten ein eigenes Notebook mitbringen. Wer keines hat, kann eines der drei Vereinsgeräte nutzen. Interessierte melden sich zu jedem Termin einzeln an über www.codingkids-niederrhein.de
Am Maustag, 3. Oktober, öffnet der Programmierclub von 10 bis 17 Uhr seine Türen im Cubes. Die Codingkids stellen ihre Projekte vor, Interessierte können aber auch selbst einiges ausprobieren. Infos: www.wdrmaus.de/tuer_oeffner_tag/2023/
Und ganz nebenbei lernen die Kinder, „was ein Computer alles kann und wie er überhaupt funktioniert“, betont Michael Janßen. Denn, seiner Meinung nach, fangen nicht alle Schulen das Thema ausreichend auf. „Obwohl es ohne die IT nirgendwo mehr geht.“ Deshalb also die „CoderDojos“! Und wer weiß, vielleicht sitzen ja hier schon die Informatikerinnen und Informatiker der Zukunft? Vielleicht ja sogar Ben? Da müssen seine Eltern leider enttäuschen. Ben hat einen anderen Berufswunsch. Seit er im Alter von zwei Jahren Dinos für sich entdeckt hat, ist klar: Wenn er groß ist, wird er Paläontologe! Aber bis dahin hat er ja noch etwas Zeit... und die kann er nutzen, beispielsweise zum Programmieren.