Essen. Die Ergebnisse des Nato-Gipfels sind die Konsequenz aus der Ausrufung der „Zeitenwende“. Sie haben Eskalationspotenzial.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schien es nur eine Frage der Zeit, bis das transatlantische Verteidigungsbündnis abgewickelt würde. Ganz kurz glomm die Hoffnung, die Nato werde nicht mehr gebraucht, weil die Welt befriedet sei. Das „Ende der Geschichte“ war ein Trugschluss.

Im Jahr seines 75-jährigen Bestehens steht das Bündnis in einer Welt, die unruhiger denn je ist und in der autokratische Systeme auf dem Vormarsch sind. Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine, den unterschwelligen und offenen Drohungen Moskaus gegen Staaten, die sich gen Westen richten, aber auch eines Chinas, dass immer unverhohlener Machtansprüche im Indopazifik geltend macht, ist die Nato zu einer Politik waffenstarrender Stärke und Abschreckung zurückgekehrt.

Ausgerechnet Deutschland kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hier sollen ab 2026 Tomahawk-Marschflugkörper mit großer Reichweite, Flugabwehrraketen des Typs SM-6 und neue Überschallraketen stationiert werden; aus Wiesbaden sollen künftig die Waffenlieferungen der Nato an die Ukraine koordiniert werden. Die Beschlüsse des Jubiläums-Gipfels der Nato sind die Konsequenz aus der „Zeitenwende“, von der Bundeskanzler Scholz im Februar 2022 sprach.

Es ist eine Entwicklung, die schaudern lässt, weil sie von einer Zukunft kündet, die ungewiss ist. Militärisches Aufrüsten und Säbelrasseln sind Wetten darauf, dass sich der jeweilige Kontrahent damit beeindrucken und zugleich eindämmen lässt, so wie es mit dem Nato-Doppelbeschluss im Jahr 1979 funktioniert hat.

Diese Strategie birgt aber auch das Risiko eines neuen Wettrüstens, das in eine militärische Auseinandersetzung münden kann, gegen die alle derzeitigen Kriege nur Scharmützel sind. Frieden schaffen ohne Waffen wäre eine wundervolle Alternative – aber dazu bräuchte es guten Willen auf allen Seiten. Von diesem guten Willen ist derzeit nichts zu sehen.