Am Niederrhein. Für ihr neues Buch „Lost & Dark Places am Niederrhein“ hat Jutta M. Ingala 33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte besucht.

Die „Hexen von Eastwick“ sind bekannt, die „Hexe von Krefeld“ allerdings ist wohl selbst nicht denen geläufig, die sich für Fabelwesen, dunkle Gestalten und schaurige Geschichten sehr interessieren. Jutta M. Ingala hat einige dieser mystisch-verrufenen Plätze und die Erzählungen, die dahinterstecken, entdeckt. Für ihr neues Buch „Lost & Dark Places am Niederrhein“ hat sie 33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte in der Region besucht. Darüber haben wir uns mit der Autorin und VHS-Dozentin – unter anderem für Niederländisch und „Deutsch als Fremdsprache“ – unterhalten.

Jutta M. Ingala, wie kamen Sie darauf, sich mit ‘Lost und Dark Places am Niederrhein’ zu beschäftigen?

Die Anfrage kam vom Bruckmann-Verlag, dessen Reihe ‘Lost & Dark Places’ schon seit einigen Jahren recht erfolgreich läuft. Ich habe nun hier, in unserer Region, nicht die typisch unzugänglichen und meist illegalen Orte aufgespürt, sondern eher solche mit oft unbekannter, dunkler Geschichte.

Die Autorin, Jutta M. Ingala.
Die Autorin, Jutta M. Ingala. © Jutta M. Ingala | Ho

Das Inhaltsverzeichnis lässt einen erschauern: ‘Tod im Rhein’, ‘Erschossen und verscharrt’, ‘Dem Leibhaftigen auf der Spur’ und ‘Getauft mit Blut’ heißen die Kapitel, um nur einige der insgesamt 33 zu nennen...

Das ist durchaus Absicht! Der Leser soll gleich zu Beginn des Buches den richtigen Vorgeschmack bekommen. Tatsächlich haben alle diese Orte eine besondere Vergangenheit. Ich selbst war ja schon viel am Niederrhein unterwegs, fahre gerne mit dem Rad oder gehe wandern und habe sogar den Herbst gerne, wenn es draußen dunkler, nebliger, vielleicht mystischer wird. Doch bei der Recherche zu diesen Geschichten bin ich auf etliche Dinge gestoßen, die ich noch nicht kannte.

Was zum Beispiel?

Das Haus Wolfskuhlen. Das ist ein ehemaliges Rittergut in Rheinberg-Budberg. Der Besitzer wohnt direkt gegenüber, in einem gepflegten Anwesen, aber um das als Spukschloss verrufene Anwesen scheint er sich wenig zu kümmern. Um dieses Gemäuer ranken sich viele Mythen, seien es eingemauerte Kinderleichen, okkulte Rituale, die dort stattfinden oder ein schießwütiger Bauersmann, dem man besser nicht vor die Flinte laufen sollte. Man muss das alles nicht ernst nehmen, aber es ist ein Ort, der etwas Unheimliches ausstrahlt. Und man hält sich besser fern: Das Gebäude stürzt jeden Augenblick ein.

Zur Autorin und zum Buch

Jutta M. Ingala ist im Münsterland nahe der deutsch-niederländischen Grenze aufgewachsen und hat Sprachen, Literatur und Volkswirtschaft studiert. Sie ist als VHS-Dozentin – unter anderem für Niederländisch und „Deutsch als Fremdsprache“ – tätig, betreibt den Blog „6 Grad Ost“ und ist Buchautorin.
Von ihr sind u.a. „Glücksorte im Emsland“, „52 kleine & große Eskapaden am Niederrhein“ sowie „52 kleine & große Eskapaden im Osten der Niederlande“ erschienen.

Hört sich spannend an… Derlei Lost Places ziehen ja auch gerne mal Personen an, die auf der Suche nach Abenteuern sind, sich gerne gruseln oder gar der Gothic-Szene angehören.

Das stimmt, ist jedoch nicht unbedingt meine Intention. Selbst wenn ich ein Kapitel ‘Leichenhäuschen’ nenne. Das gibt es heute nämlich gar nicht mehr. Heute markieren drei Monolithen eine Stelle bei Götterswickerhamm am Rhein, wo immer wieder Tote angetrieben wurden. Weil der Rhein an dieser Stelle eine Biegung macht, wird dort vieles angespült, was die Strömung mitreißt. Eben auch Leichen: Schiffer, Spaziergänger, Menschen, die am Fluss lebten. Auch von weit her. Weil es früher keine Leichenhallen gab, wurden die unbekannten Toten zuerst unter freiem Himmel aufgebahrt, später in einem eigens errichteten, winzigen Häuschen auf dem Deich. Nachts sollen sich dort junge Leute auch für Mutproben umgetrieben haben.

Verlosung

„Lost & Dark Places Niederrhein“ ist für 19,95 Euro im Handel erhältlich. Bruckmann-Verlag.
Wir verlosen drei Exemplare des Buches „Lost & Dark Places Niederrhein“ unter www.nrz.de/lostdark. Viel Glück!

Um eine Leiche geht es auch in dem Kapitel über den Worringer Bruch in der Kölner Bucht – bis heute ein Cold Case...

Dort entdeckte im Herbst 2001 ein Pilzsammler eine skelettierte Leiche. Das muss man sich mal vorstellen: Jemand kriecht ahnungslos durchs Gebüsch und findet plötzlich einen Toten. Die Leiche war verwest und konnte forensisch nicht mehr identifiziert werden. Der Fall wurde später noch einmal im TV aufgerollt, aber bis heute ist man bei den Ermittlungen nicht weitergekommen.

Schaurig, schaurig....
Schaurig, schaurig.... © Jutta M. Ingala | Jutta M. Ingala

Was war die größte Überraschung bei Ihrer Entdeckungsreise durch die dunklen Seiten des Niederrheins?

Da kann ich gleich mehrere nennen. Als erstes die Hees bei Xanten-Birten, ein wunderschönes Waldgebiet – und vor über 80 Jahren Schauplatz mehrerer Tragödien. Dort liegen bis heute die Überreste von gesprengten Bunkern, in denen die Wehrmacht damals Munition produzierte und lagerte. Man darf in der Hees wandern, kommt aber besser nicht vom Weg ab: im Boden liegen immer noch Sprengkörper.

Was hat es mit der Motte Aldeberg auf sich?

Das ist auch eine interessante Entdeckung gewesen. Bei der Motte Aldeberg handelt es sich um einen seit schon 600 Jahren verlassenen Ort im Helpensteiner Bachtal bei Wegberg. Man muss dort im Buchenwald ein bisschen suchen, um die Motte zu finden. Heute ist nur noch der steile, künstliche Hügel erhalten. Wann die Motte Aldeberg gebaut wurde, ist nicht genau bekannt, es soll im 11. Jahrhundert gewesen sein. Vor etwa 200 Jahren hat dann die katholische Kirche den Ort entdeckt und eine Kapelle errichtet, wo einmal der schlichte, hölzerne Burgturm stand. Dort hat sich allmählich ein Fürbitte-Kult mit Bindezauber entwickelt. Geblieben sind heute nur noch ein Kreuz und viele gruselige Geschichten.

Sie waren auch auf den Spuren der Römer...

Das ist die Fossa Sanguinis in Neuss, ein sogenannter Blutbrunnen, der in den 1950er Jahren bei Ausgrabungen im Stadtteil Gnadental gefunden wurde. Darin befindet sich ein spätantiker Keller, in dem angeblich blutige Rituale abgehalten wurden, die dem Kybele-Kult zugeschrieben werden.

Sind Sie an den ‘Lost & Dark Places’’ auch ganz normalen Menschen begegnet, die es nicht auf Rituale abgesehen haben?

Selbstverständlich! Im Märchenwald in Dingden habe ich einen älteren Herrn getroffen, der mich gefragt hat, warum ich dort Fotos mache. Ich habe ihm das mit dem Buch erzählt und er berichtete, dass er früher Touristen aus dem Ruhrgebiet durch Drießens Busch geführt habe. Ich erzähle davon in diesem Buch.