Essen. Im Interview spricht NRZ-Karikaturist Thomas Plaßmann über die Herausforderungen seines Berufes in diesen schweren Zeiten.
Ein düsteres Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Krieg, Dürre, Inflation – damit hat sich NRZ-Karikaturist Thomas Plaßmann in diesem Jahr oft auseinandergesetzt. Das spiegelt sich auch in den 185 Zeichnungen wieder, die er für den Jahresrückblick „Unterm Strich – Die Karikaturen eines Jahres“ ausgewählt hat. Und doch hat er sich wieder den Raum genommen, „den Verwerfungen der Zeit“, wie er sagt, „auch mit Witz, Humor und einem wissenden Lächeln zu begegnen.“ Zum Erscheinen des Buches haben wir uns mit Thomas Plaßmann zum Interview getroffen.
Bei Journalisten heißt es ja manchmal, dass schlechte Nachrichten gute Nachrichten seien, weil dann die Quote steigt. Waren das 2022 auch für Karikaturisten gute Zeiten?
Unter diesem Aspekt, ja. Das ist das Schmerzhafte an diesem Beruf, dass man von schlechten Zeiten profitiert, weil sich aus der Differenz zum Wunschzustand die Nahrung für die Arbeit ergibt. Wäre alles Ponyhof, müsste ich mir eine andere Beschäftigung suchen. Aber so bedrückend wie in diesem Jahr, musste es nun wirklich nicht kommen.
Es gab ja eigentlich schon immer irgendwo Krieg auf der Welt. Aber jetzt ist er fast vor der Haustür. Wie zeichnet man Krieg? Gehen die Bilder besonders nahe?
Es ist eine große Herausforderung, sich dem Thema Krieg mit karikaturistischen Mitteln zu stellen. Mit Lachen und Schmunzeln kann man dem Grauen nicht begegnen.
Aber Karikaturen funktionieren auch ohne Humor. Das ist dann gezeichnete Schmerztherapie.
Ist es richtig, die Ukraine so intensiv mit Waffen zu unterstützen?
Es zerrt an alten Überzeugungen, aber es hilft dem Opfer einer Gewalttat nicht, wenn Sie sich daneben stellen und es bitten, den Dialog zu suchen.
Dürre und Trockenheit haben die Menschen 2022 hierzulande erlebt. Bekommt der Klimawandel für jemanden besonderes Gewicht, der gerade wieder Großvater geworden ist?
In ganz besonderer Weise, ja. Der Gedanke, dass einen selbst, aufgrund fortgeschrittenen Alters, das alles in seinen prognostizierten Auswirkungen nicht mehr betrifft – was sich ja mittlerweile auch bereits als Fehleinschätzung erwiesen hat – verliert vollkommen an Relevanz, wenn man da so ein Würmchen in den Armen hält und sich klar darüber wird, dass es, wenn wir nicht endlich die Kurve kriegen, all die Schreckensszenarien, die uns vor Augen stehen, wird erleben und ertragen müssen. An dieser Lenkbewegung mit meinen Mitteln zu arbeiten, ist ein wesentlicher Bestandteil meines zeichnerischen Tuns.
Würden Sie sich am liebsten auf die Straße kleben?
Man könnte sich vorstellen, dass meine Enkel mir einmal vorwerfen werden, das nicht getan zu haben.
Auch im siebten Jahresband mit Ihren Zeichnungen ist Corona wieder ein Thema. Vor einem Jahr hatten Sie noch gehofft, es mal weglassen zu können. Sind Sie selbst gut durchgekommen?
Wie wir gesehen haben, die Hoffnung trügt. Auch wenn es, gemessen an dem, was andere mit Corona durchgemacht haben, vielleicht etwas lächerlich daherkommen mag, aber am Tage vor der Hochzeit meines Sohnes hatte es mich dann doch auch erwischt. Ausgerechnet. Nicht als Vater dabeigewesen sein zu können, fügt sich nahtlos in die düstere Bilanz des Jahres 2022. Hoffen wir, dass die Pandemie nun aber doch endlich im nächsten Band höchstens noch als Randnotiz Erwähnung finden wird.
Die Inflation drückt die soziale Schere weiter auseinander. Das ist Thema in vielen Ihrer Karikaturen. Ist Deutschland ungerechter geworden?
Ich weiß nicht, ob es ungerechter zugeht. Aber ob man Inflation aus der Portokasse oder von der Substanz zahlt, macht einen dramatischen Unterschied und verdeutlicht die schmerzhafte Lücke zwischen Arm und Reich in noch viel deutlicherer Weise.
Sie haben Angela Merkel zum Abschied eine warmherzige Karikatur gewidmet. Vermissen Sie sie? Ist Scholz für einen Karikaturisten ein würdiger Nachfolger?
So direkt gefragt … ich vermisse sie unter politischen Gesichtspunkten eher nicht, und ihre Bilanz hat sich unter dem Aspekt der Energiekrise und des Umgangs mit Russland noch einmal massiv verdunkelt. Von der karikaturistischen Ebene allerdings ein wirklich schwerwiegender Verlust. Da kommt, auch wenn Bemühungen in dieser Richtung nicht zu übersehen sind, Herr Scholz noch nicht ran.
Das neue Buch von Thomas Plaßmann ist da
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„2022 Unterm Strich – Die Karikaturen des Jahres“ enthält auf 130 Seiten 185 farbige Karikaturen von Thomas Plaßmann.Das Buch ist im Essener Klartext-Verlag erschienen und kostet 18,95 Euro. Es ist ab sofort in den NRZ-Leserläden und im Buchhandel erhältlich.