Essen. Viele Studierende wollen temporär ins Ausland. Doch Student Tadiwanashe Ndoziya zieht wegen der Pandemie von Kleve zurück nach Harare.
Als Tadiwanashe Ndoziya im Oktober 2019 aus Simbabwes Hauptstadt Harare mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern in das vergleichsweise beschauliche Kleve umzog, hatte sich der junge Mann auf eine typische Studienzeit gefreut. „Ich bin im Wintersemester nach Kleve gekommen und musste mich erstmal an das neue Land, die Eindrücke und vor allem die Kälte gewöhnen“, erzählt der 21-Jährige, der an der Hochschule Rhein-Waal einen ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudiengang studiert. „Es gab aber viele Angebote von der Hochschule, zum Beispiel gemeinsame Barbesuche und andere Möglichkeiten, zu socializen, also neue Leute kennen zu lernen. Für eine kurze Zeit hatte ich ein normales Studentenleben.“ Dann kam Corona und damit der Lockdown.
Tadiwanashe erlebte diese Situation in Kleve, seine Familie und Freunde im 8000 Kilometer entfernten Harare. „Die Corona-Zahlen in Zimbabwe waren immer sehr gering. Meine Eltern haben sich große Sorgen um mich in Deutschland gemacht.“ Erst jetzt, im Januar, sind die Zahlen auch in Zimbabwe durch die südafrikanische Mutation nach oben geschossen, davor lagen die Fallzahlen bei 10 bis 500 pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschland lagen die Zahlen im Dezember bei bis zu 36.000 Neuinfektionen täglich.
Corona verändert die Studienstadt Kleve
„Seit Corona hat sich Kleve sehr verändert. Die Stadt ist nicht groß, aber es war immer was los. Menschen in den Cafés, am Rhein oder einfach in der Stadt. Jetzt kann man die Menschen hinter Masken nicht erkennen und die vielen Studierenden sind weg“, sagt Tadiwanashe. Auch in seinen Online-Seminaren käme es kaum zu Diskussionen oder Austausch mit anderen Studierenden. Immerhin, in seiner WG ist er auch während des Lockdowns nicht alleine.
Ein paar Monate ins Ausland, neue Städte und Länder kennenlernen, internationale Freundschaften knüpfen, in andere Kulturen eintauchen und dabei sein Studium voranbringen. Mit solchen Plänen zieht es gewöhnlicherweise viele Tausende Studierende ins Ausland. Aber die Corona-Pandemie hat auch hier viele Pläne durcheinandergebracht. So haben sich an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität (HHU) zum Wintersemester nur gut 60 Studierende entschieden, mit dem europäischen Erasmus-Programm in die Landeshauptstadt zu kommen, ein Jahr zuvor waren es noch 120. Auch ein Großteil der Düsseldorfer Studierenden möchte ihren Auslandsaufenthalt hoffnungsvoll ins Sommersemester verlegen, erklärt Carolin Grape von der HHU. Trotzdem: “Insgesamt rechnen wir mit einem Rückgang der ins Ausland gehenden Studierenden von 20-30 Prozent.“
Trotz Corona gibt es Möglichkeiten an einer fernen Uni zu studieren
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Wer aber aktuell nicht auf ein Auslandssemester verzichten möchte, für den gibt es laut HHU unterschiedliche Möglichkeiten: Studierende können wie sonst auch ins Ausland gehen, wenn sie das möchten. Der Unterricht vor Ort findet dann digital oder in Präsenz statt, unter Einhaltung der in dem jeweiligen Land geltenden Corona-Regelungen. Es sind aber auch Semester im Stil einer „Blended Mobility“ möglich, d. h. ein Teil des Semesters wird von Deutschland aus, der andere Teil vom Ausland aus durchgeführt. Oder das Auslandssemester kann vollständig digital von Deutschland aus absolviert werden. Laut einer Umfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) möchten die meisten Studierenden auf eine studentische Auslandserfahrung nicht verzichten, haben aber aktuell vor, dies zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.
An der Hochschule Rhein-Waal mit ihren Standorten in Kleve und Kamp-Lintfort ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. „Der Großteil der Studierenden hat den geplanten Auslandsaufenthalt – in Form eines Auslandssemesters oder Praktikums – in diesem akademischen Jahr verschieben müssen. Zurzeit hat sich der Anteil der Auslandsaufenthalte auf knapp ein Drittel der sonst üblichen Menge reduziert“, erklärt Pressesprecherin Victoria Grimm. Dabei ist die Hochschule Rhein-Waal gerade für ihre Internationalität bekannt, gut die Hälfte aller Studierenden ist aus dem Ausland, die meisten Kurse finden auf Englisch statt. Die Hochschule bleibt dennoch zuversichtlich, sie sei mit dem aktuellen „flexiblen Online-Semester“ und ihrem Rahmenhygienekonzept gut aufgestellt für den Lehrbetrieb unter Pandemiebedingungen.
Von Kleve zurück nach Harare - bis es wieder los geht
Auch Hans-Josef Kuypers, Wirtschaftsförderer des Kreis Kleve, kann den Rückgang der Studierendenzahl bestätigen. Das Ausbleiben von Studierenden hätte natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaft des Kreises. „Die fehlenden Studierenden führen zu einer sinkenden Kaufkraft, Wohnungen stehen leer.“ Einige Anwohner hätten erst in den letzten Jahren in Wohnungen investiert, um diese dann an Studierende vermieten zu können. Viele davon sind nun unbewohnt. „Nach vielen Gesprächen mit Menschen aus dem Kreis Kleve kann ich aber sagen, es scheint aktuell keine allzu großen Sorgen bezüglich der Immobilien zu geben. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage nach Corona wieder normalisieren wird und mehr Studierende hier hinkommen.“
Die Kurse von Tadiwanashe Ndoziya werden auch im kommenden Semester online stattfinden, Veranstaltungen ausfallen, die Stadt wird leerer sein. Deshalb hat sich der junge Mann entschlossen, im Februar zurück nach Harare zu fliegen und sich aus seinem Elternhaus mit der Klever Hochschule zu verbinden. „Da bin ich bei meiner Familie und kann kostenlos bei meinen Eltern wohnen“, sagt er. Kleve ganz den Rücken kehren will er aber nicht. „Wenn das Studium wieder real weitergeht, komme ich zurück“, ist er sich sicher. Hoffentlich zu einem wärmeren Zeitpunkt, und dann ohne Maske.