An Rhein und Ruhr. Fast 60 Prozent der Menschenin NRW sind von gestiegenen Energiekosten belastet. Berater helfen, die Verbrauchswerte zu senken. Ein Hausbesuch.
Frank Peters sitzt am Tisch im Wohnzimmer, er schiebt empört seine Baseball-Kappe hoch, wenn er über die Probleme seiner Familie spricht. „Die können uns doch nicht immer wieder hochstufen“, sagt er, und in seine Empörung mischt sich Ratlosigkeit. Dariusz Garba nickt mitfühlend, er ist in die Wohnung in diesem schlichten Häuserblock in Rheinberg-Borth gekommen, um den Problemen der Familie auf die Spur zu kommen.
Garba führt heute einen Stromspar-Check durch. Im ersten Halbjahr 2021 haben private Haushalte in Deutschland im Durchschnitt 32,62 Cent pro Kilowattstunde Strom gezahlt, das waren 4,7 Prozent mehr als im ersten Halbjahr ein Jahr zuvor. Für Familien, die ohnehin ein geringes Einkommen haben, ist eine solche Erhöhung schmerzhaft. Das zeigt sich auch an der Zahl derjenigen, die Rat suchen. „Die Nachfrage bei der Energieberatung ist sehr, sehr groß“, berichtet Stephanie Heise von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Auch die Familie von Frank Peters hat Beratungsbedarf. Der Mittdreißiger heißt in Wirklichkeit anders, er möchte seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Peters ist Staplerfahrer, er verdient 1500 Euro netto im Monat. Nicht viel Geld für ihn, seine Lebensgefährtin und die drei Kinder, zumal parallel zu den Energiepreisen auch die Kosten für Lebensmittel angezogen haben: „Wir kaufen die gleichen Sachen wie die, die wir sonst immer gekauft und für die wir 50 Euro bezahlt haben. Jetzt geben wir dafür 80 Euro aus,“ berichtet er.
Hohe Abschlagszahlungen
Besonders auf den Magen schlägt Peters aber die Stromrechnung. Innerhalb weniger Monate sind die Abschlagszahlungen von 98 auf jetzt 232 Euro erhöht worden, und Peters rätselt, warum. „Wir ziehen jeden Abend alle Stecker aus den Steckdosen.“ Seine Lebensgefährtin sagt: „Wir trauen uns kaum, die Weihnachtsbeleuchtung anzumachen.“
Peters will den steigenden Kosten auf den Grund gehen und hat deswegen darum gebeten, dass Dariusz Garba noch einmal zu ihnen kommt. Garba arbeitet beim Moerser Arbeitslosenzentrum (MALZ) und ist dort Serviceberater, spezialisiert auf Energieverbrauch. Zusammen mit einem Kollegen ist er heute da, es ist das bereits das zweite Mal nach 2019, dass er mit seinen Messgeräten den Stromverbrauch der Familie unter die Lupe nimmt.
Peters ist über seinen Stromanbieter verärgert. Erst Mitte des Jahres musste er eine Nachzahlung von 1200 Euro berappen. „Vier Wochen später haben wir die Aufforderung für eine neue Nachzahlung in Höhe von 1000 Euro erhalten.“ Verbunden war die mit der Androhung einer Stromsperre. „Die haben meiner Lebensgefährtin Angst eingejagt“, sagt Peters erregt. Das Thema ist erst vom Tisch, als sich das Moerser Arbeitslosenzentrum einmischt. „Dann wurde uns gesagt, dass es nur ein Computerfehler war. Das kann doch nicht sein“, sagt Peters.
Mit dem Stromspar-Check will Berater Garba überprüfen, ob in dem Haushalt der Familie möglicherweise unnötig Strom verbraucht wird. Ist möglicherweise ein Gerät kaputt? Zapft irgendwer Strom ab? Sind im Haushalt Geräte, die zu viel Strom ziehen? Garba überprüft das unter anderem mit einem Langzeit-Messgerät.
Unter Umständen könnte er schnell helfen. Mit einem 100-Euro-Gutschein beispielsweise für einen neuen Kühlschrank. Neuen LED-Lampen. Dichtungen für zugige Fenster und Türen. Abschaltbaren Steckdosen. Oder einem neuen Duschkopf. Duschen kann zu einem wahren Stromfresser werden, wenn das Wasser mit Strom aufgewärmt wird.
So war es auch bei der Familie Peters, als Garba 2019 zum ersten Mal da war. Es stellte sich heraus, dass 4600 der insgesamt 7400 im Jahr verbrauchten Kilowattstunden auf das Duschen zurückzuführen waren. „Die Familie hat 380 Minuten wöchentlich geduscht. Das hat zu dem damaligen Strompreis Kosten von 1250 Euro verursacht“, rechnet Garba vor. Bei der Überprüfung der Messungen wird sich vier Wochen nach dem Besuch herausstellen, dass die Peters bei dem größten Energiefresser im Vergleich deutlich gespart haben. „Sie haben das Duschen auf 80 Minuten wöchentlich reduziert und verbrauchen dafür nur noch 800 Kilowattstunden“, sagt Garba anerkennend. „Sie achten wirklich penibel auf alles.“
Mit jährlich rund 2900 Kilowattstunden hätten die Peters einen durchschnittlichen Verbrauch für einen Vier-Personen-Haushalt – das Neugeborene rechnet er noch nicht als Verbraucher. Warum also die enormen Zuwächse bei den Abschlägen? Garba kann es sich auch nicht recht erklären. Möglicherweise, sagt er, hängt das mit dem Verbrauch in den Vorjahren zusammen.
Viele Verbraucherbeschwerden
Bei der Verbraucherzentrale sind Beschwerden über Stromrechnungen ein Dauerthema, berichtet die dortige Energierechtsberatung. Ein Problem: „Abschlagszahlungen, die sich nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums zu richten haben, also nach der letzten Jahresrechnung, werden durch Anbieter deutlich zu hoch angesetzt“, berichtet Gregor Hermanni.
Außerdem fielen bei der Prüfung von Jahres- und Schlussrechnungen immer wieder Verbrauchsschätzungen auf, die Anbieter vornehmen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Zudem würden Rechnungen immer intransparenter. Dariusz Garba wird sich dem Problem der Familie Peters weiter widmen. „Anfang Februar werde ich die Familie im nächsten Jahr noch einmal besuchen.“