Berlin. Sollten Kinder Kriegsnachrichten im Fernsehen schauen? Wie berichtet man altersgerecht? Kinderredaktionsleiterin Katrin Martens gibt Antworten.
Alle reden über den Krieg in der Ukraine – und die Kinder? Sie bekommen viel mit und haben Fragen. Wie man diese beantworten kann, ohne den Kindern Angst zu machen, das war ein Thema bei einer Fachtagung des Vereins „Journalismus macht Schule“ in Berlin. Mit auf dem Podium: Redakteurin Katrin Martens, Leiterin der NRZ-Kinderredaktion. Peter Toussaint sprach mit ihr über die Kriegsberichterstattung auf der Kinderseite und darüber, wie junge Menschen Medienkompetenz erlangen.
Der Krieg beunruhigt und ängstigt auch Eltern und Großeltern. Wie reagieren Kinder darauf?
Katrin Martens: Kinder nehmen negative Gefühle bei den Eltern deutlich wahr, und sie bekommen auch schon viel vom Nachrichtengeschehen mit, selbst im Kindergartenalter. Es ist deswegen falsch, so zu tun, als ob nichts wäre. Man sollte den Krieg thematisieren, mit Worten, die altersgerecht sind. So kann man Kindern ihre Ängste nehmen.
Sollte man Kinder jetzt Nachrichten im Fernsehen anschauen lassen?
Auf keinen Fall sollte man ihnen zurzeit die „Tagesschau“ oder andere Erwachsenensendungen zumuten. Bewegte Bilder treffen Kinder viel stärker, als wenn sie etwas erzählt bekommen oder lesen. Geeignet sind lediglich Kindernachrichtensendungen wie „logo!“ oder „neuneinhalb“.
Die Kinderseite in der NRZ und die Kinderzeitung CHECKY! haben das Thema Krieg von Beginn an nicht ausgespart. Welche Grundsätze sind bei der täglichen Arbeit in der Kinderredaktion besonders wichtig?
Wir haben die Nachrichten behutsam präsentiert, eingeordnet und mit Mitmachaktionen kombiniert. Wir haben anfangs viele Fragen von Kindern beantwortet und, als Gegenpol zur Berichterstattung auf den anderen Zeitungsseiten, immer wieder das Thema „Frieden“ aufgegriffen. So haben Kinder uns Bilder für den Frieden gemalt, Elfchen-Gedichte getextet und ihr Lieblingsfriedenslied gewählt.
Was ist ein Tabu bei der Kriegsberichterstattung für Kinder?
Gerade bei aufwühlenden Themen sollte man sachlich und in kindgerechter Sprache berichten. Panikmache hat da keinen Platz, ebenso wenig zeigen wir schlimme Bilder, auf denen Tote oder Verletzte zu sehen sind. Wir versuchen immer, positive Aspekte zu suchen, zum Beispiel, dass es so eine große Hilfsbereitschaft gibt oder dass so viele Haustiere mitgenommen werden.
Welche Erkenntnisse bringen Sie von der Fachtagung mit?
Medienkompetenz ist extrem wichtig, weil sie davor schützt, Populisten ausgeliefert zu sein. Fake News sind gefährlich für die Demokratie. Studien zeigen, dass Menschen immer mehr Probleme haben, Information, Desinformation, Werbung und Meinung zu unterscheiden, wenn sie in den sozialen Medien unterwegs sind.
Was bedeutet das für die Schulen?
Das Thema Nachrichtenkompetenz kann fast in jedem Fach behandelt werden, dazu braucht man kein eigenes Schulfach. Schülerinnen und Schüler sollten unbedingt lernen, wie wichtig eine freie Presse ist, wie man Fake News entlarvt und Fakten prüft. Dafür brauchen wir mehr Lehrerfortbildungen, und es sollten mehr Journalistinnen und Journalisten in die Schulen gehen. Es gibt viel gutes Unterrichtsmaterial, man muss es nur nutzen.
Der neue Verein „Journalismus macht Schule"
Ziel der Konferenz in Berlin, die von der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und der Deutschen Telekom Stiftung ausgerichtet wurde, war die Stärkung der Nachrichten- und Informationskompetenz von Schüler:innen. Lehrkräfte, Medienpädagogen und Journalistinnen zählten zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Konferenz war zugleich der Startschuss für die Aktivitäten des neu gegründeten Vereins „Journalismus macht Schule“. Der Zusammenschluss von Journalist:innen der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, von ARD und ZDF, von Correctiv, der Reporterfabrik, den Lie Detectors, von Journalistenschulen und Universitäten mit Akteuren der Lehrerfortbildung und Medienpädagogen, Medienanstalten und Institutionen der politischen Bildung hat das Ziel, Erfahrungen und Unterrichtsmaterialien zu bündeln und Unterrichtsbesuche von Journalistinnen und Journalisten zu vermitteln.
Die Konferenz wurde unterstützt durch die Stiftung Presse-Haus NRZ, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Gemeinnützige Hertie-Stiftung.