An Rhein und Ruhr. Politiker am Niederrhein befürchten einen langen Erneuerungsprozess. Falls sich die Chance auf Jamaika ergibt, müsse die CDU handlungsfähig sein.

Eine verlorene Bundestagswahl, parteiinterne Querelen und der drohende Gang in die Opposition: Die vergangenen Wochen waren bei der Union von Rückschlägen geprägt. Während SPD, Grüne und FDP über eine Ampel-Koalition beraten, plant die CDU die Neuaufstellung ihrer Parteispitze. Am 30. Oktober sollen die Kreisvorsitzenden über ein Mitgliedervotum beraten. In der CDU-Basis am Niederrhein befürchten einige Lokalpolitiker einen monatelangen Wahlprozess. Ihre Forderung: eine möglichst schnelle und mehrheitstaugliche Lösung.

„Die nächsten Wochen sind ein zentraler Wegpunkt“, sagt Rainer Hagenkötter, Vorsitzender der CDU in Dinslaken. „Die Entscheidung über die Parteispitze muss frühzeitig fallen, damit wir mit ordentlicher Aufstellung in die Landtagswahl gehen können.“ Als einwohnerstärkstes Bundesland komme NRW eine große Bedeutung zu. Außerdem müsse die CDU schnell reagieren können, falls es doch noch zu einer Jamaika-Koalition komme. Die Partei solle deshalb zwar „in ihre Basis hineinhören“, fordert Hagenkötter. Eine direkte Mitgliederbeteiligung sieht der Lokalpolitiker jedoch kritisch.

Auch Andreas-Paul Stieber, Düsseldorfer Ratsmitglied und Vorsitzender des Ortsverbandes Kaiserswerth, warnt vor einer Befragung aller knapp 400.000 Parteimitglieder. „Bis überhaupt erstmal mögliche Kandidaten identifiziert sind, dauert es einige Tage. Das ist mit einem Hauruck-Verfahren nicht erledigt“, so Stieber. Die wichtigste Devise müsse nun lauten, möglichst schnell handlungsfähig zu sein. „Ich halte nichts von einer Wahl wie bei der SPD, mit fünf Teams, die über die Lande ziehen. Da kommt am Ende auch nicht unbedingt immer ein Kanzlerkandidat bei raus.“

Kiehn zu Parteivorsitz: „Ich finde es wichtig, dass er oder sie Erfahrung mitbringt“

Der Ortsvorsitzende von Kaiserswerth wünscht sich neue Gesichter im Bundesvorstand. Keiner der aktuell gehandelten Laschet-Nachfolger – darunter Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Jens Spahn oder Ralph Brinkhaus – stehe für eine wirkliche Erneuerung: „Das ist die Mannschaft, die den Wahlausgang mit zu verantworten hat“, sagt Stieber. Stattdessen könne er sich beispielsweise Daniel Günther, Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein, als potenziellen Parteivorsitzenden vorstellen. „Er hat frische Ideen und steht für einen neuen Typus Politiker.“

Petra Kiehn, Stadtverbandsvorsitzende der Moerser CDU, will sich auf keinen einzelnen Politiker festlegen. „Ich finde es wichtig, dass er oder sie Erfahrung mitbringt.“ Norbert Röttgen sei zum Beispiel so jemand, der über die nötige Expertise verfüge. „Aber ich fände es auch nicht befremdlich, wenn sich ein Tobias Hans melden würde.“ Dass im engeren Favoritenkreis derzeit keine einzige Frau auftaucht, kann sich Kiehn nicht erklären. „Ich glaube, wir haben in der CDU sehr gute Politikerinnen. Vielleicht gibt es ja noch eine Bewerberin, die sich zu Wort meldet.“

Eine Doppelspitze lehnt die Moerser Vorsitzende jedoch ab. Wichtig sei „das Team hinter dem oder der Parteivorsitzenden“ und dass sich der Vorstand regelmäßig austausche. Ganz anders sieht das Stieber: „Natürlich müssen wir über eine Doppelspitze diskutieren. Das wird heutzutage fast schon erwartet.“ Bei Erstwählern sei seine Partei schließlich hinter FDP, Grüne und SPD nur auf Platz vier gelandet. „Wir müssen auch dem Nachwuchs etwas anbieten“, fordert der Lokalpolitiker. „Die CDU bricht sich keinen Zacken aus der Krone, hier etwas moderner aufgestellt zu sein.“

Hagenkötter zu Laschet: „Dass wir die Wahl verloren haben, hat mehrere Gründe“

Laschets angekündigtem Amtsverzicht müsse die Parteibasis laut Kiehn Respekt zollen. „Bei dem aktuellen Meinungsbild über seine Person war es glaube ich die richtige Entscheidung.“ Der Druck von allen Seiten sei einfach zu groß geworden. „Ich gehöre nicht zu denen, die die Verantwortung einfach auf Laschet schieben“, so Hagenkötter. „Dass wir die Wahl verloren haben, hat mehrere Gründe.“ Er sei der Überzeugung, dass NRW unter der schwarz-gelben Koalition ein gutes Bild abgegeben habe. „Das ist sicher auch Laschets Verdienst.“

Hagenkötter sieht die CDU bei den Koalitionsgesprächen derzeit in einer „abwartenden Rolle.“ Falls seine Partei in der Opposition lande, müsse sie sich damit arrangieren. Er selbst wolle eine Regierungsbeteiligung aber nicht ganz ausschließen. Auch Kiehn hat die Jamaika-Koalition noch nicht abgeschrieben: „Wir sind grundsätzlich angetreten, um mitzuregieren. Deshalb kann ich mich für die Opposition nicht aussprechen.“

Unklar ist jedoch, wie mitten im Erneuerungsprozess der CDU die Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen laufen sollen. Und wer im unwahrscheinlichen Fall eines Jamaika-Bündnisses der Kanzler würde. „Ganz bestimmt nicht Markus Söder“, sagt Stieber. „Das ist die Aussage, auf die ich mich festnageln lasse. Das Volk liebt den Verrat, aber hasst den Verräter.“ Dass die Union aber möglicherweise auf einen anderen Kanzler setze, der höhere Beliebtheitswerte als Armin Laschet hat, sei durchaus denkbar. „Ich halte das für eine moderne und flexible Politikgestaltung.“