Es geht in die zweite Halbzeit unserer Klimaserie. Ein guter Zeitpunkt, mal im eigenen Haus Inventur zu machen: Wie nachhaltig ist die NRZ?
Ein gutes halbes Jahr befassen wir uns an dieser Stelle mit den Auswirkungen des Klimawandels und der Frage, was jeder von uns dazu beitragen kann. Vielleicht ist das der richtige Zeitpunkt für Selbstreflektion bei der NRZ: Wie grün sind wir eigentlich? Gut, dass es in einem großen Medienhaus, wie der Funke Mediengruppe, zu der die NRZ gehört, Fachleute gibt.
Zwei Mitarbeitende kümmern sich nur darum. Zusätzlich gibt es in allen Abteilungen Botschafterinnen und Botschafter, die das Thema mitdenken, ansprechen und kommunizieren sollen. Einmal im Monat setzen sie sich zusammen - an ihrer Spitze, seit einem guten halben Jahr, die Nachhaltigkeitsbeauftragte bei der Funke Mediengruppe, Gundula Ullah.
Die NRZ ist ja von Hause aus grün – zumindest mit ihrem Logo. Können Sie sagen, wie grün wir nun wirklich sind, was Umwelt und Klima angeht?
Wir können immerhin sagen, wo wir schon nachhaltig handeln. Das begann schon lange, bevor eine zentrale Nachhaltigkeitsabteilung im Herbst 2021 installiert wurde. Fangen wir beispielsweise beim Papier an. Das stammt grundsätzlich nicht aus Naturwäldern.
Aber dennoch haben wir im Hinterkopf: Wir bedrucken tote Bäume.
Nur zu einem geringen Teil. Und die Wälder, aus denen Holz für die Papierherstellung gewonnen wird, sind Nutzwälder, die aufgeforstet werden. Da wird wieder Kohlendioxid gebunden. Für jeden Baum, der fällt, werden mehrere neue gepflanzt. Die Forstbetriebe, von denen unsere Papierhersteller Ware beziehen, sind als nachhaltig zertifiziert. Zudem: Papier lässt sich bis zu sieben Mal recyceln. Da aber bei jedem Recycling-Vorgang die Papierfasern kürzer werden, muss immer ein gewisser Anteil neuer Holzfasern beigemischt werden. Im Tageszeitungsbereich sind wir bei mehr als 90 Prozent Recyclingpapier.
Der nächste große Faktor ist vermutlich die Energie – für unsere Druckhäuser genauso wie für die Redaktionen und die anderen Abteilungen.
Funke druckt seit Januar 2022 mit Ökostrom, gewonnen aus europäischer Wasserkraft. Für die übrigen Häuser prüfen wir gerade, was am Markt möglich ist, um auch da bei Strom und Heizung auf möglichst nachhaltige Quellen zurückzugreifen. Das ist gerade in der jetzigen Lage eine Herausforderung.
Die andere Frage ist: Wie kommen wir ins Büro? Und wie machen wir die Nutzung von Öffis, Fahrrad oder E-Roller zu Terminen attraktiver?
Das Mobilitätskonzept steht bei uns auch auf der Agenda. In Hamburg haben wir schon erreicht, dass deutlich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fahrrad, ÖPNV oder Ähnlichem ins Büro kommen. Das wollen wir an anderen Standorten auch anbieten.
Wie sieht es beim Weg der Zeitung vom Druckhaus zu den Leserinnen und Lesern aus? Gibt es da schon Pläne, den Fuhrpark auf E-Mobilität umzustellen?
Wir wollen eine CO2-neutrale Wertschöpfungskette vom Baum bis zum Briefkasten erreichen – und zwar bis 2035. Vom Druckhaus zum Briefkasten ist das Sache der Funke-Logistik. Wir machen gerade Testläufe und setzen E-Bikes und Lastenräder ein, übrigens nicht nur in Thüringen. Bei einer durchschnittlichen Tourenlänge von 40 Kilometer wird jedes derzeit auf dem Markt angebotene E-Fahrzeug ausreichen. Was natürlich noch optimiert werden muss, ist das generelle Ladesäulennetz.
Wenn das mit den E-Lieferwagen in Thüringen klappt, geht es auch im Sauerland – und am flachen Niederrhein erst recht. Aber bis 2035 ist noch lang.
Wir sehen das bewusst als Marathon. Wir haben uns entschieden, nicht einfach am Markt CO2-Zertifikate einzukaufen, um sagen zu können: Rechnerisch sind wir klimaneutral. Sondern wir wollen wirklich in unseren Abläufen klimaneutral werden. Das ist eine große Herausforderung. Die reichen wir auch an unsere Zulieferer weiter.
Wie funktioniert das?
Es gibt auf dem Weg zum klimaneutralen Unternehmen drei Ebenen. Die erste Ebene ist die, über die wir gesprochen haben: Welche Fahrzeuge nutzen wir? Wie werden unsere Gebäude mit Strom und Wärme versorgt? Die zweite Ebene ist die Frage, woher unsere Rohstoffe kommen, woher wir Waren und Dienstleistungen beziehen. Das können wir beeinflussen, aber das ist eine Herausforderung. Wir haben 22.000 Zulieferer – vom Aktenordner über die Druckfarbe bis zur Kantine. Zumindest bei den wichtigsten 1.000 Zulieferern wollen wir Transparenz herstellen, damit wir sehen, wie gut wir da auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, den Einhaltungen von gesetzlichen Regelungen und in der CO2-Bilanz sind. Das sind herausfordernde Gespräche, aber wir lösen da bei vielen unserer Lieferanten ein Umdenken aus.
Um mal weiter im Tagesablauf im Hause zu schauen: Wie sieht es beispielsweise mit dem Mittagessen aus? Ich erlebe schon, dass unsere Kantine immer häufiger regionale, vegetarische oder vegane Angebote anbietet.
Das ist richtig, da ist in Essen unser regionaler Partner sehr offen und bei ihm lässt sich auch gut nachvollziehen, wo er seine Rohstoffe herbekommt. Und bei ihm können wir sicherlich auch die Lieferketten und seine Klimabilanz gut nachvollziehen.
Und was ist die dritte Ebene?
Die dritte Ebene ist die, was danach geschieht: Was passiert mit unseren Waren? Wie werden unsere Abfälle behandelt? Welche Investitionen tätigen wir? Das alles auf null zu bringen, ist eine Riesenherausforderung.
Unter anderem gibt es bei uns auch immer noch Anzeigen, beispielsweise für Kreuzfahrten – auch bei den eigenen Leserreise-Angeboten. Was geschieht damit?
Der britische Guardian hat bereits Anzeigen von Ölkonzernen abgelehnt, so weit sind wir bei uns noch nicht. Aber wir werden uns diesen sicherlich auch im Hause sehr kontroversen Diskussionen stellen müssen – auch was das Angebotsspektrum bei den Leserreisen angeht.
Sie haben sich als erstes Ziel gesetzt, eine Bilanz zu erstellen, an welcher Stelle wieviel CO2 produziert wird. Gibt es da schon einen Überblick?
Wichtig ist vor allem, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen. Mit der Westfalenpost machen wir jetzt ein Projekt. Dort bekommen die Mitarbeiter für nachhaltiges Handeln Punkte, beispielsweise, wenn sie mit dem Fahrrad ins Büro kommen. Diese Sustayn-Punkte können die Mitarbeiter auf nachhaltige Unternehmensaktionen einsetzen, in dem sie auswählen können zwischen aktuell frischem Obst im Büro, Wasserspender statt Plastikflaschen, so wie es sie in der Essener Zentrale bereits gibt, oder ein E-Auto als Redaktionsmobil, mit dem die Redakteure dann zum Termin fahren können. Damit können die Mitarbeitenden selbst beeinflussen, wie sie das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Umfeld ausgestalten wollen.
Was wird denn das Schwierigste? Die Führungskräfte zu überzeugen, dass auf den Kennzeichen der Dienstwagen künftig immer ein E für elektrisch auf dem Kennzeichen steht?
(lacht). Das könnte in einigen Fällen eine Herausforderung sein. Aber ich sehe, dass viele bei uns dem Thema Elektromobilität sehr positiv gegenüberstehen. Das wichtigste ist, dass wir unsere Verbraucher zum Umdenken bringen. Da kommt auf die Journalistinnen und Journalisten eine große Aufgabe zu. Wir müssen das Umdenken im Kopf herbeiführen und entsprechende Anregungen geben. Denn wenn die Menschen keine Lust haben, etwas zu ändern, können wir die tollsten klimaneutralen Produkte machen – in allen Branchen - und es hilft nichts.
Da haben Sie den Ball elegant zurückspielt, Frau Ullah. Wir machen weiter.
Das Gespräch führte Stephan Hermsen , der seinen Kaffee jetzt mit schlechterem Gewissen trinkt. Denn: Weil die klimaschädlichen Kondensmilch in Plastikdöschen abgeschafft wurde, ist seit kurzem auch Redaktionskaffee mit Milch gratis. Der Autor hat vorher keine Milch genommen – die jetzt frisch aufgeschäumte schon… Fehlanreize
Gundula Ullah leitet seit April 2019 den Bereich Einkauf bei der Funke Mediengruppe, einem der größten Medienhäuser Deutschlands, zu dem auch die NRZ gehört. Seit einem halben Jahr ist die 49-Jährige zudem die Beauftragte für Nachhaltigkeit der gesamten Gruppe.