Essen. In Pflegeeinrichtungen muss ein erhöhter Schutz vor Corona gelten. Doch wie geht es den Bewohnenden aktuell? Ein vorweihnachtlicher Besuch.
Schnell kommt man in die Essener Altenpflegeinrichtung Caritas-Stift Lambertus nicht hinein - und das ist auch gut so. Immerhin wohnen hier besonders vulnerable Menschen und die Pandemie ist auch an diesem Weihnachtsfest noch nicht ausgestanden. Hinter der ersten Tür warten Besuchende auf die Empfangsdame. Durch die Glastür lassen sich die letzten Arbeiten am sechs Meter hohen Tannenbaum erkennen. Die Spitze stößt an die Decke und knickt leicht zur Seite.
Ein Eintrag in die obligatorische Kontaktliste, einmal Fiebermessen und Impf- oder Testzertifikat vorzeigen. Aktuell sei die Corona-Situation in Ordnung, erzählt Dorothea Kaelberlah. Seit Anfang September ist sie hier die Pflegedienstleitung. „Wir dürfen wieder stationsübergreifend arbeiten, das heißt, die Bewohner können sich über Wohngruppen hinweg treffen.“ Sie merke deutlich, dass die Menschen erleichtert sind, sich wieder treffen zu können. „Allein die Bewegung von den einzelnen Stationen zu den Essensräumen tut den Bewohnern gut, auch der Motorik.“
Zu Beginn der Pandemie war die Einrichtung ein Corona-Hotspot
Doch zu Beginn der Pandemie war die Lage in der Einrichtung dramatisch. Schon im März 2020 wurde das Heim zu einem Corona-Hotspot, erzählt Kaelberlah. Mehr als ein Drittel der Seniorinnen und Senioren waren coronainfiziert. Neben den allgemein streng geltenden Schutzmaßnahmen im März vergangenen Jahres, musste das ganze Haus isoliert werden und die Gemeinschaft hatte zudem einige Todesfälle zu betrauern. Jetzt gelten strenge Regeln für den Einlass, ein Mehraufwand des Personals, der zu Lasten der Bewohnerinnen und Bewohner geht. Und die kommende Impflicht im Gesundheitswesen? Auch die würde die Einrichtung entlasten, meint Kaelberlah verschmitzt.
In einem großen Raum sitzen ein Dutzend Seniorinnen und Senioren zusammen. Ein üppiges Schnittchenbuffet ist aufgebaut, in der Ecke stehen Sektflaschen und Orangensaft, ein kleiner CD-Player spielt Weihnachtsmusik. Eine Mitarbeiterin stellt sie leiser. Seit Anfang des Jahres ist Kathrin Spicker Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes. Sie freut sich über den Bastelvormittag und die Freude der Bewohnenden. „Wir haben uns bemüht alle normalen Angebote weiter stattfinden zu lasen. Nur etwas angepasst, ohne Angehörige.“ Denn die Bewohnerinnen und Bewohner sollten sich möglichst immer wie in ihrem normalen zu Hause fühlen, erklärt sie.
Corona habe die Menschen verändert
Doch die schwere Zeit habe Spuren hinterlassen. „Es ist sehr wichtig über die Erlebnisse und Ängste miteinander zu sprechen.“ Manche Bewohner äußern ganz klar, wie schwer die Situation für sie gewesen ist, so Spicker. Man merke, dass sich die älteren Leute verändert haben. Sie seien zurückgezogen und auch kognitiv hätten einige abgebaut. “Die Traurigkeit kann man sehen aber auch hören.“ Immerhin hätten die Menschen neben der Isolation auch mit dem vermehrten Verlust von Freundschaften klarkommen müssen. „Das war traumatisch!“, ergänzt Pflegedienstleitung Kaelberlah.
Doch sie betont auch, dass die Pandemie zu einer erhöhten Hilfsbereitschaft und neuen Kontakten geführt habe. „Es wurden zum Beispiel Tablets gespendet, damit die alten Leute den Kontakt halten konnten.“ Studierende seien gekommen und hätten beim Einrichten geholfen und die Technik erklärt. „Das ist etwas Schönes, was geblieben ist.“
Wunschbaumaktion war ein voller Erfolg
Besonders wertvoll seien auch die selbst geschriebenen Briefe, die in die Senioreneinrichtung geschickt wurden. „Da erzählen Menschen ganz persönlich von sich“, schicken tröstende Worte und spenden so Nähe. „Wir lesen dann die Briefe gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, manchmal lesen sie sich die auch gegenseitig vor“, sagt Spicker. Sogar eine Brieffreundschaft sei so entstanden. „Eine Bewohnerin hat einfach auf einen der Briefe geantwortet“ und der Kontakt wurde gehalten.
Für die jetzige Weihnachtszeit wurden viele Aktionen geplant. Da wären das Weihnachtssingen und Adventsbacken, es wird getöpfert und sogar ein kleiner Weihnachtsmarkt wird noch im Hof aufgebaut. Das absolute Highlight: Die Wunschbaumaktion. Gemeinsam mit den Betreuerinnen wurden Wünsche aufgeschrieben und an einen Tannenbaum in Apotheken der Gegend aufgehangen. „Die Karten waren in ein bis zwei Tagen alle weg“, betont Spicker fröhlich.
Auch Bewohnerin Erika Fitzner hat eine Karte abgegeben. Fitzner ist 84 Jahre alt. Fragen nach ihrem Alter beantworte sie gerne, erzählt sie grinsend. Denn meist folge ein erstauntes „sie sehen aber jünger aus.“ Stricken ist ihre Leidenschaft, damit vertreibe sie sich immer die Zeit. „Manchmal nehme ich die Stricksachen auch mit zum Essen“, erzählt sie kichernd und drapiert ihren selbst gemachten Schal neu um den Hals.
Bewohnerin Fitzner fehlen die Ausflüge mit der Familie
Wie sie die Pandemie erlebt? „Eine Zumutung, diese Krankheit“, antwortet sie bestimmt. Als sehr schlimm habe sie persönlich die Schutzmaßnahmen allerdings nicht empfunden. „Ich versuche für mich allein zu sein“, erzählt sie. Langweilig sei ihr dabei nie, sie wisse sich zu beschäftigen. Ganz auf Gesellschaft verzichten könne sie aber auch nicht. „Ich muss ja auch wissen, was los ist!“ Aber bei Gruppenaktionen wie dem Weihnachtsfrühstück versuche sie auf Abstände zu achten.
Vollständig geimpft ist sie auch. „Impfen ist für mich wichtig, wer jetzt noch krank wird, ist selbst schuld.“ Was sie am meisten vermisst habe seien die Ausflüge mit ihrer Familie. „Sonst marschieren wir nach dem Mittagessen los und kehren dann für einen Kaffee ein“, doch auch in diesem Sommer waren die Sorgen der Familie zu groß. „Im nächsten Jahr wird aber alles besser“, bleibt Erika Fitzner zuversichtlich.
Und welchen Wunsch habe sie jetzt auf die Wunschkarte geschrieben? „Wolle“, sagt sie und lacht. Die Farbe sei dabei egal. „Irgendwas fällt mir immer ein!“