An Rhein und Ruhr. Die Intensivstationen in vielen NRW-Städten sind schon jetzt voll. Mehr Patienten durch Böller-Unfälle würden die Krankenhäuser zu sehr belasten.

Noch Mitte November witterte Hayo Wolff das Geschäft seines Lebens. Er träumte von Kunden aus Amsterdam, Den Haag und Rotterdam, schließlich gab es in den Niederlanden da bereits ein Feuerwerkverbot, er richtete einen Drive-In-Service ein, gab richtig viel Geld für Werbung aus. Das deutsche Verkaufsverbot für Silvesterböller hat den Traum des Geschäftsführers von Heron Fireworks im grenznahen Örtchen Elten in Rauch aufgehen lassen. Eine „absolute Katastrophe“, klagt er stellvertretend für die gesamte Branche der Feuerwerker.

Silvester 2020 wird, so sich denn alle an die Corona-Regeln halten, ein ruhiges Fest. Selters statt Sekt. Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten in privaten Räumen, kein öffentlich veranstaltetes Feuerwerk, kein Verkauf von Böllern und Raketen. Das Verbot des Feuerwerk-Verkaufs hat den einen oder anderen Händler kalt erwischt. In etlichen Haushalten landeten noch nach dem Beschluss Prospekte von Discountern, auf denen seitenweise Feuerwerk beworben wurde. Lediglich ein roter Balken wies darauf hin, dass in diesem Jahr kein Verkauf stattfinde. Gleiches bei den Händlern im Internet: Angucken, aber nicht anfassen. Bitter für Feuerwerk-Enthusiasten.

Appell von Oberbürgermeistern: Lasst das Böllern sein

Was für diejenigen, die um den Jahreswechsel herum traditionell die besten Geschäfte machen, eine Katastrophe ist, ist für andere noch nicht weitgehend genug. Die Oberbürgermeister von Düsseldorf und Essen appellieren an ihre Bürger, in diesem Jahr auf das private Feuerwerk vor der Haustür zu verzichten, das eigentlich noch erlaubt ist. Auch aus Respekt vor dem Personal und den Patienten in den Krankenhäusern. „Jede Behandlung eines Verunglückten sorgt für eine zusätzliche Belastung des Klinikpersonals“, warnt Düsseldorfs OB Stephan Keller. 

„Ein gescheiter und vernünftiger Appell“, lobt Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Silvester sei generell das unfallträchtigste Ereignis im Jahr. Die Kombination Alkohol und Sprengstoffeinsatz geht nicht immer gut: In jeder Großstadt würden Jahreswechsel durchschnittlich 50 bis 60 Menschen mit schweren Handverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, berichtet Henke. „Das ist eine Belastung, die wir zurzeit nicht brauchen.“ Viele Intensivstationen in den Kliniken in NRW seien aktuell extrem ausgelastet. „In einer Zeit, in der wir so ringen, muss man nicht böllern.“

Warnung vor Kauf von illegalen Böllern im Netz

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen bittet zudem darum, tunlichst alternative Wege der Feuerwerk-Beschaffung zu vermeiden. Da liegt er auf einer Linie mit dem Eltener Feuerwerker Hajo Wolff. Manch einer könne jetzt auf die Idee kommen, Böller und Raketen illegal im Internet zu kaufen. „Viele sind nicht getestet und das ist dann lebensgefährlich“, warnt Wolff.

Auch Medizinern schwant nichts Gutes: „Wir befürchten, dass in diesem Jahr die Zahl der Böller-Verletzten steigt, da der offizielle Verkauf von Silvesterfeuerwerk ja für dieses Jahr abgesagt wurde und sich nun viele mit illegalen Böllern eindecken“, sagte Jens-Peter Stahl, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Dortmunder Klinikum, nachdem am Dienstag bei ihm ein Mann nach einer Garagen-Explosion mit schweren Verbrennungen eingeliefert wurde. Die Behandlung werde Monate dauern, er werde sein Leben lang Narben behalten, hieß es aus dem Klinikum.

Zoll: Noch keine Hinweise auf Schwemme illegaler Böller

Beim Zoll gibt es noch keine Hinweise, dass sich nun vermehrt illegale und potenziell gefährliche Ware über dunkle Kanäle beschafft wird, sagte eine Sprecherin der Generalzolldirektion auf Anfrage unserer Redaktion. Auch Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) betonte am Dienstag, auf illegalen Böllerverkauf in NRW gebe es keine Hinweise.

Bei der Kreis Klever Polizei heißt es ganz nüchtern: „Zu Hause dürfen Restbestände von Feuerwerk abgeschossen werden. Wir appellieren aber an den gesunden Menschenverstand, es nicht zu tun.“

Böllern an Silvester: Das rät die Bundespolizei

Wer trotz aller Appelle nicht auf das Feuerwerk zum Jahresende verzichten will, sollte sich an die Ratschläge der Bundespolizei halten:

  • Bei den Böllern und Raketen auf das angebrachte CE-Zeichen achten. Sprengmittel ohne Kennzeichnung, deren Herkunft nicht nachvollziehbar ist, sollten nicht gezündet werden. Der Gebrauch von Feuerwerk ohne CE-Kennung ist in Deutschland verboten und kann zudem lebensgefährlich sein.
  • Vor Gebrauch: Immer die Gebrauchsanweisung und die Sicherheitshinweise lesen.
  • Beim Anzünden immer auf genügend Sicherheitsabstand achten (Kategorie F1: mindestens ein Meter, Kategorie F2: mindestens acht Meter).
  • Möglichst auch auf sichtbare Mängel achten, falls vorhanden – ebenfalls nicht zünden.
  • Fehlgezündete Feuerwerkskörper und Blindgänger nicht wieder anzünden, sondern entsorgen.