Am Niederrhein. Mit Karl-Heinz Dietz durch das Naturkundemuseum in Wanheimerort. Das spektakulärste Ausstellungsstück ist eine 28 Millionen Jahre alte Seekuh.
Diesen Tag im Mai 1966 wird Karl-Heinz Dietz nie vergessen. Mehr als 50 Jahre ist es her, dass der junge 23-jährige Dietz einer Sumpfohreule, einem Jungvogel, auf Amrum „tief in die Augen schaute“.
Als Vogelwart verbrachte der naturverbundene Duisburger, damals gerade frisch bei der Polizei, im Sommer drei Wochen in einem Naturschutzgebiet auf der nordfriesischen Insel. „Seitdem habe ich Eulitis.“
„Wussten Sie, dass die Augen von Eulen mit zunehmendem Alter heller werden?“ Von tiefem Orange bei einer jungen Waldohreule etwa verändern sie sich im Laufe ihres Eulenlebens zu leuchtendem Gelb.
Wer etwas über den Vogelbestand in Duisburg wissen will, ist bei Karl-Heinz Dietz an der richtigen Adresse. Der 77-Jährige leitet das Haus der Naturfreunde an der Düsseldorfer Straße 565 in Wanheimerort, ist Vorsitzender der Duisburger Ortsgruppe des Vereins.
Schleiereulen: auf Haiti gegessen, hier museumsreif
Mit dem grauen Bart und den schwarzen buschigen Augenbrauen sieht er aus wie ein etwas verschrobener Kauz, Vögel, die er zuhause selber züchtet. Sein ganzer Stolz sind aber drei Paare der vom Aussterben bedrohten Karibischen Schleiereule. „Es hat noch nie jemand festgestellt, wie viele dieser Eulen weltweit existieren“, sagt er.
Fest stehe aber: „Auf Haiti werden Schleiereulen gegessen. Und ihr Lebensraum verschwindet durch die Abholzung des Urwaldes.“
In den Räumen des Naturkundemuseums sitzen neben einigen exotischen Exemplaren, zum Beispiel aus den USA, aber vor allem heimische Vögel auf Ästen an der Wand – präpariert, dafür sehen Mäusebussard, Habicht, Sperber, Baum- und Turmfalke aber noch ganz schön lebendig aus. „Das ist die Kunst des Präparierens“, sagt Dietz.
Ein ausgestopfter Wanderfalke
Auch ein ausgestopfter Wanderfalke thront auf einem Ast im Museum. Fünf, vielleicht sechs Brutpaare gibt es in ganz NRW, schätzt der Umweltschützer. Menschen wie ihm ist es zu verdanken, dass sich der Bestand langsam erhole. „Vor 40 Jahren gab es nur ein Brutpaar. Wanderfalken sind auf Nisthilfen angewiesen.“
Dann zeigt Dietz auf die winzigen, in einem Glaskasten neben Skeletten von Schnäbeln und bizarren Vogel-Totenköpfen ausgestellten Läufe. „Sie gehören zum kleinsten europäischen Vogel“, erklärt Dietz. Ein ausgewachsenes Wintergoldhähnchen wiege nicht mehr als fünf, vielleicht sechs Gramm.
Höhepunkt für viele Besucher im Haus der Naturfreunde sind aber nicht etwa die präparierten Vögel und Säugetiere, über die Dietz stundenlang Fachvorträge halten kann, die vielen Schmetterlinge und Nachtfalter, die einen kompletten Raum für sich einnehmen, oder Insekten und Edelsteine.
Die Seekuh von der A3
Nein, es ist das wenig spektakulär im hintersten Zimmer des Museums in einem flachen Glaskasten ausgestellte fossile Skelett einer Seekuh. Das Exemplar aus Duisburg ist eine echte Besonderheit. Die Anzahl der Originalskelette sei sehr gering, sagt Museumsleiter Karl-Heinz Dietz. Zuletzt trieb ein Fund einer 28 Millionen Jahre alten Seekuh bei Ratingen den Puls von Wissenschaftlern aus ganz Deutschland und darüber hinaus in die Höhe.
Die Duisburger Seekuh wurde 1934 beim Bau der Autobahn 3, über die später die Panzer der Nazis rollten und auf der heute täglich Autos über Autos im Stau kriechen, am Schnabelhuck in Duisburg-Duissern ausgegraben. Das Skelett ist ein 30 Millionen Jahre altes Zeugnis der erdgeschichtlichen Epoche des Oligozän. „Wo heute die A3 verläuft, war damals das Ufer eines Urmeers“, erklärt Karl-Heinz Dietz.
Seit ihrem Fund ist die Seekuh das wohl wertvollste Ausstellungsstück in Duisburger Haus der Naturfreunde, nicht immer aber wurden ihre Überreste auch so behandelt, erinnert sich Dietz. Das erste Mal habe er sie Ende der 1960er Jahre gesehen, als er Mitglied der Naturfreunde wurde. „Es gab Zoff im Verein, die Gruppe teilte sich“ – und die Seekuh zog für 35 Jahre ins Museum nach Wedau. „Als ich sie da bei einem Vortrag über Greifvögel wiedergesehen habe, sah sie erbärmlich aus.“ Ihr Skelett sei mit Tesakrepp zusammengeklebt gewesen.
Ein Duisburger Fund, für immer
1999 habe die Bochumer Präparatorenschule ganze Arbeit geleistet und das fossile Gerippe nach einer Schwarz-Weiß-Aufnahme vom Fundort in ihren heutigen Zustand gebracht.
Das Skelett im Glaskasten liegt auf der so genannten Ratinger Schicht, die er selbst wenige Meter vom damaligen Fundort entfernt eimerweise ins Museum geschleppt habe. „Das ist die Erde, in der die Seekuh 1934 gefunden wurde“, erzählt der Museums-Leiter.
Die Seekuh beschwert dem kleinen Museum in Wanheimerort landesweit Aufmerksamkeit. Das Essener Ruhrmuseum, das Landesamt für Geologie oder das Naturkundemuseum Berlin haben ihr Interesse an dem fossilen Skelett bekundet. Erfolglos, betont Karl-Heinz Dietz. „Das ist ein Duisburger Fund“, der bleibe wo er ist. Denn: „Er zeigt, dass hier, wo wir stehen, mal mehr gewesen ist.“
INFO: Ein Besuch im Museum
Die Duisburger Seekuh ist eine echte Besonderheit. Die Anzahl der Originalskelette ist gering. Bei Breitscheid, Ratingen oder Bochum sowie im Mainzer Becken wurden Überreste des fossilen Lebewesens gefunden, das vor 30 Millionen Jahren in tropischen Gewässern existierte. Die heutigen Nachfolger der Seekuh heißen Manati und Dugong und leben etwa in Indonesien.
Im Haus der Naturfreunde gibt es neben dem Seekuh-Skelett noch weitere fossile Funde – unter anderem Stoßzähne und Unterkiefer von vor 10.000 Jahren ausgestorbenen Mammuts, die rund um die Sechs-Seen-Platte gefunden wurden. Das Museum ist auf Anfrage geöffnet. Wer Interesse an einem Besuch hat, kontaktiert Karl-Heinz Dietz unter Ruf: 0173/5 22 64 71.