An Rhein und Ruhr. Der Karneval im Kreis Heinsberg gilt als Ursprung des Coronavirus in NRW. Eine Frau aus Gangelt erzählt, wie es bei der legendären Sitzung war.
Sie war auf der derzeit wohl bekanntesten Karnevalsfeier in Deutschland und musste daraufhin in Quarantäne: Eine Langbroicherin verbrachte nach Besuch der Kappensitzung im Kreis Heinsberg vier Tage mit ihrer Familie zu Hause. Die Veranstaltung sorgte bundesweit für Aufsehen, denn der erste bekannte Coronafall in NRW ging wohl von der Veranstaltung in Gangelt-Langbroich aus. Von den NRW-weit 270 bestätigten Coronavirus-Fällen in NRW fallen mehr als 150 Fälle auf den Kreis Heinsberg (Stand: Donnerstagmittag).
„Eine Karnevalsfeier wie überall, eine Kappensitzung wie immer“
Doch wie konnte es dazu kommen, dass sich so viele Menschen auf genau dieser Karnevalssitzung infizierten? Der Kreis Heinsberg und das Gesundheitsamt haben darauf keine verifizierte Antwort gefunden. „Das war hier keine Swingerparty!“, betont unterdessen die Langbroicherin, die auf der Sitzung gefeiert hatte. „Es war eine Karnevalsfeier wie überall, eine Kappensitzung wie immer“ – mit Prinzenpaar, Musik und Zeltgarnitur.
Ob die berühmten Karnevals-Küsse zur Verbreitung beitrugen? „Im Karneval wird generell viel gebützt,“ sagt die 48-Jährige. Da die Veranstaltung eine Sitzung war, seien die Bützchen nur einzeln vorgekommen. Zwar habe man eben auch gute vier Stunden miteinander gesessen und geredet. „Wir haben nach Abschluss der Veranstaltung noch zusammengestanden. Es ist ein kommunikatives Event“ – aber das sei bei anderen Veranstaltungen eben auch so.
Kappensitzung in Gangelt war gut besucht
Auch die Räumlichkeiten in der Bürgerhalle seien nicht besonders beengt gewesen. Zwar war die Veranstaltung gut besucht, erinnert sich die 48-Jährige. „Aber es gab auch eine Höchstanzahl für Besucher.“ Die Feier selbst sei abgelaufen wie gewohnt.
Es gehe deshalb die Vermutung um, dass auf der Karnevalsfeier mehrere Menschen bereits infiziert waren, so die 48-Jährige. „Anders kann ich es mir nicht erklären.“ Viele Ex-Dorfbewohner seien für den Karneval zurückgekommen. „Das ist wie ein großes Klassentreffen.“
Und so traf die Quarantäne auch die 48-Jährige, die zuvor ahnungslos gefeiert hatte. Sie musste nicht getestet werden, weil sie keine Symptome zeigte, wohl aber im Haus bleiben. „Anfangs war noch nicht sicher, ob wir 14 Tage in Quarantäne bleiben müssen. Die ersten beiden Tage waren sehr surreal. Wir mussten erst mit der Situation vertraut werden. Und im Ort wurde überall geredet.“ Stunden verbrachte die Langbroicherin am Handy, ständig in Kontakt mit besorgen Verwandten, Freunden, Bekannten.
Nach Karneval: Quarantäne in Gangelt-Langbroich
Keine Langeweile also? „Sie werden lachen, aber ich habe einfach die Schränke und Schubladen geputzt.“ Eine Arbeit, bei der nicht viel Zeit zum Nachdenken sei. Freunde versorgten die Familie mit Paketen, die sie vor der Haustür ablegten. „Und für Postpakete musste ich nicht mehr unterschreiben.“ Der Zusammenhalt war groß, beschreibt die 48-Jährige. „Alle waren in Sorge.“
Dass so viele Menschen nun Hamsterkäufe machen, hatte sie sich nicht vorgestellt. „Wir haben auch nicht gebunkert.“ Die 48-Jährige findet, dass das öffentliche Interesse bei den Coronafällen vorginge. Das Virus solle sich nicht weiter verbreiten. „Selbst wenn Langbroich eine Sperrzone geworden wäre, ich hätte das mitgetragen.“