An Rhein und Ruhr. Die Ruhr stellt für 4,5 Millionen Menschen Trinkwasser. Dafür wird sie streng kontrolliert. Und trotzdem gibt es unbekannte Stoffe im Fluss.

Eine chemische Verbindung, die alles bedeutet und absolut gewöhnlich wirkt: Wasser (H2O) – Wir waschen uns mit Wasser, wir schwimmen drin und wir trinken es. Wasser gilt als eines der am besten geschützten Lebensmittel. Etwa 127 Liter verbraucht im Schnitt jeder Bundesbürger pro Tag im letzten Jahr. „Kraneberger” erhält derzeit eine neue Aufmerksamkeit in der Gesellschaft – dank eines gestärkten Umweltbewusstseins und der Renaissance von Sprudelgeräten. Der Marktführer „Sodastream” setzte allein in Deutschland 2017 etwas mehr als 148 Millionen Euro um.

Wo kommt das Leitungswasser her?

In Nordrhein-Westfalen werden „rund 60 Prozent der öffentlichen Wasserversorgung aus Oberflächenwasser und oberflächenwasser-beeinflussten Grundwasser bereitgestellt”, erklärt das Landesumweltamt (Lanuv). Das bedeutet, es kommt aus Flüssen, Seen und Talsperren. Die Stadtwerke Düsseldorf fördern ganze 75 Prozent des Trinkwassers aus dem Rhein.

Und im Ruhrgebiet ist der rheinische Nebenfluss fast die einzige Trinkwasserquelle: Mehr als 4,5 Millionen Menschen werden aus der Ruhr versorgt. Grundwasser ist in der Kohleregion wegen der Bodenverhältnisse knapp. Ungefiltert sollte das Wasser aus der Ruhr aber nicht getrunken werden, empfiehlt Bernd Heinz, Geschäftsführer der Wasserwerke Westfalen in Schwerte.

Die Wasserwerke Westfalen unterhalten in Schwerte nicht nur einfach ein Wasserwerk: Hier sitzt auch die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR). In der Wasserwerke-AG sind 18 Versorgungsunternehmen – von Mülheim bis ins Sauerland – vertreten. Sie wollen gemeinsame Standards für das trinkbare Ruhrwasser festlegen, und gemeinsam als Lobby den Behörden gegenübertreten. „Wir würden gerne bei größeren Schwankungen des Wasserstands unbürokratischer entscheiden können, wie viel Wasser wir in den Talsperren vorhalten und wie viel durchfließen darf. ”, erklärt Tanja Vock, Pressesprecherin der AWWR.

Wie funktioniert das Wasserwerk?

Das Ruhrwasser: Wird als See aufgestaut, durchfließt Becken aus Kies und dann die sogenannten Langsamsandfilter – alles in natürlicher Umgebung ohne Chemie und an der frischen Luft. Vier Zentimeter pro Stunde versickert die Ruhr hier in den Grund. Für die weitere Reinigung sorgen Mikroorganismen im Wasser, die durch die Filtervorgänge angeregt werden.

Bernd Heinz ist Geschäftsführer der Wasserwerke Westfalen.
Bernd Heinz ist Geschäftsführer der Wasserwerke Westfalen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Doch Probleme mit dem Trinkwasser gibt es trotzdem: Medikamentenrückstände machen fast zwei-drittel der Spurenstoffe in den Flüssen, Seen und Bächen aus und können auch durch die Filter nicht vollständig abgebaut werden.

3100 unbekannte Spurenstoffe bei Mülheim

Deshalb rüsten die Wasserwerke der AWWR derzeit um: „Wir bauen derzeit eine weitere Aufbereitungsanlage, wo das Rohwasser vier neuen Aufbereitungsstufen, insbesondere eine vierte Filterstufe mit Aktivkohle, durchläuft”, erklärt der Geschäftsführer der Wasserwerke Westfalen, Bernd Heinz. Die Gesamtkosten für die Aufrüstung belaufen sich für die Arbeitsgemeinschaft auf über 300 Millionen Euro.

Das Lanuv spricht dabei vom Vorsorgeprinzip. Stoffe, die Auswirkung haben könnten, sollen möglichst bekannt sein und aus dem Wasser raus gelöst werden können, bevor sie einen kritischen Wert erreichen. Bei Messungen, die das Landesamt zwischen 2013 und 2018 in NRW-Gewässern vornahm, fand die Umweltbehörde im Rhein bei Kleve etwa 2600 und in der Ruhr bei Mülheim 3100 unbekannte Spurenstoffe.

Medikamentenspuren in der Ruhr

Einige bekannte Spurenstoffe wie Diclofenac und Röntgenkontrastmittel übersteigen regelmäßig die Vorsorgewerte von 0,1 Mikrogramm pro Liter. Auch Psychopharmaka lassen sich durchweg im Wasser finden. Das kann für Fische gefährlich werden. Von Stoffwechselstörungen bis hin zu Nieren- und Leberschädigungen sind die Auswirkungen enorm.

Dennoch gilt „Trinkwasser aus dem Hahn ist in Deutschland eines der sichersten und unbedenklichsten Lebensmittel“, erklärt Wilhelm Deitermann, Sprecher vom Lanuv. „Für den Menschen sind solche kleinen Rückstände unbedenklich – doch ins Trinkwasser gehören sie trotzdem nicht.“ Und die Ruhr aus dem Hahn darf gerne getrunken werden.