An Rhein und Ruhr. Das LKA beschlagnahmt vermehrt Autos und Geld. Ein Interview mit dem zuständigen Abteilungsleiter über die neue Strategie gegen Clans.

Das goldene Mercedes-Coupe baumelt am Haken des Abschleppwagens, daneben warten ein orange-farbener Lamborghini und ein grün-leuchtender Mercedes AMG. Die Bilder der beschlagnahmten Luxus-Karossen in Hagen erregten im September 2018 bundesweit Aufsehen. Es war ein großer Coup, als Polizei und Staatsanwaltschaft vor ziemlich genau einem Jahr bei einer Razzia eine ganze Reihe Luxus-Autos und mehrere Millionen Euro Bargeld beschlagnahmte. Drei Männer wurden damals festgenommen. Ihnen wird Steuerhinterziehung und Manipulation von Geldspielautomaten in Millionenhöhe vorgeworfen. Die Männer stammen aus einem kurdisch-türkischen Familienclan. Mittlerweile stehen sie vor Gericht, ihre edle und auffällige Fahrzeugflotte hat längst neue Besitzer. Rund eine Million brachte die Online-Auktion der Autos, nachdem zuvor geklärt werden musste, wem die Wagen gehören. „Vor einer Verwertung muss geklärt werden, wie die Eigentumsverhältnisse an dem Gegenstand sind“, sagt Philip Stromberg, Sprecher der Oberfinanzdirektion in Münster. Grundlage der Beschlagnahmung war ein noch recht junges Gesetz, das es dem Staat erlaubt, leichter Geld und Wertgegenstände zu beschlagnahmen. Für Männer wie Thomas Jungbluth ist das Gesetz eine Erleichterung. Jungbluth ist zuständig für Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW und erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, warum Clanmitglieder oft und gerne teure Autos fahren, warum Beschlagnahmungen im Kampf gegen Clans sinnvoll sind und wie das Gesetz seine Arbeit erleichtert hat.

Herr Jungbluth, warum fahren Clan-Mitglieder so gerne mit teuren Autos?

Thomas Jungbluth: Wir glauben, dass die Präsentation von hochwertigen Pkws dazu dient, das Ansehen der jeweiligen Clans, die finanzielle Potenz und den Einfluss nach außen zu dokumentieren. Die Autos haben nach unserer Einschätzung die Funktion eines Statussymbols. Damit will man zeigen, dass man was ist, dass man was hat und verkörpert.

Wie werden diese Autos finanziert? Ist es oft Geld aus illegalen Machenschaften?

Wenn wir nachweisen können, dass es Geld ist, was aus illegalen Machenschaften stammt, werden wir auch versuchen, solche Pkws einzuziehen. Es ist aber oft so, dass diese Pkws auf dem Papier nicht unbedingt den Clanangehörigen gehören. Teilweise werden diese Autos geleast, teilweise ist der Eigentümer des Autos nicht derjenige, der mit dem Auto durch die Gegend fährt. Weil die Clans natürlich auch ahnen, dass wir genau hingucken, wer denn so ein Auto bewegt und woher er das Geld haben könnte für so ein teures Auto. Sie versuchen natürlich schon – aus unserer Sicht – die tatsächliche Herkunft oder Eigentumsverhältnisse zu verschleiern und uns so den Nachweis zu erschweren, dass dies das Eigentum eines Clanangehörigen ist, was er mit rechtmäßigen Mittel nicht erworben haben kann.

Warum ist es aus Sicht des LKA sinnvoll, solche Autos zu konfiszieren?

Wir verfolgen in Nordrhein-Westfalen den Grundsatz „Straftaten sollen sich nicht lohnen“. Soll heißen: Wenn Geld aus illegalen Geschäften erzielt wird, versuchen wir, diese Gelder wieder einzuziehen. Das gilt auch für Wertgegenstände. Ob das jetzt ein Auto oder eine Immobilie ist, spielt dabei keine Rolle.

Wie oft wurde das Mittel der Konfiszierung denn schon angewandt?

Wir versuchen generell bei allen Ermittlungsverfahren im Bereich Organisierte Kriminalität das Vermögen, das aus Taten entstanden ist, einzuziehen. Das machen wir auch im Bereich von Clan-Kriminalität, die sich ja nicht immer als Organisierte Kriminalität darstellt. Zahlen zu benennen, ist schwierig. Im Bereich der Clan-Kriminalität haben wir rund 1,6 Millionen Euro sichergestellt im vergangenen Jahr.

Der Abteilungsleiter Organisierte Kriminalität beim LKA, Thomas Jungbluth. Foto: Kai Kitschenberg/FunkeFotoServices
Der Abteilungsleiter Organisierte Kriminalität beim LKA, Thomas Jungbluth. Foto: Kai Kitschenberg/FunkeFotoServices © FunkeFotoServices | Kai Kitschenberg

Die Wertgegenstände werden dann nach Abschluss des Verfahrens versteigert?

Das ist unterschiedlich. Es ist zunächst eine vorläufige Sicherstellung. Über eine endgültige Einziehung entscheidet dann ein Gericht. Das nennt sich „Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft“. Wird dies durch das Gericht bestätigt, wird der jeweilige Wertgegenstand durch die Justiz verwertet, zum Beispiel durch Versteigerung.

Sie sprachen gerade von Vermögen unklarer Herkunft. Was hat es damit auf sich?

Wir hatten 2017 eine Gesetzesänderung im Bereich der Vermögensabschöpfung. Um es einfach zu formulieren: Früher mussten wir nachweisen, dass mit dem Geld aus einem konkreten Rauschgiftgeschäft ein Pkw gekauft worden ist. Heute reicht es aus, wenn ein Gericht davon überzeugt ist, dass der Beschuldigte Dinge hat, die er mit seinem regulären Einkommen nie und nimmer hätte erwirtschaften können, das Vermögen also von unklarer Herkunft ist. Dann kann, wenn es keinen vernünftigen Zweifel daran gibt, dass es aus Straftaten stammt, das Gericht diese Dinge einziehen, ohne, dass wir eine konkrete einzelne Straftat nachweisen müssen. Das war früher nicht der Fall. Jetzt können wir sagen: wenn jemand kein Geld hat und Sozialleistungen bezieht, dann aber eine dicke Rolex am Arm hat, kann da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Wir können dann, wenn wir feststellen, dass dieser Mensch auch im kriminellen Bereich aktiv ist, diese Uhr sicherstellen.

Diese Gesetzesänderungen hat ihre Arbeit im Hinblick auf Organisierte Kriminalität wahrscheinlich vereinfacht.

Ja, es ist etwas einfacher geworden. Aber nach wie vor müssen wir natürlich nachweisen, dass es ein Krimineller ist oder die Person sich mit Kriminalität beschäftigt. Wir können jetzt nicht hingehen und jedem, der ein dickes Auto fährt, sagen: „Na, wo hast du denn das Geld her?“ und dann das Auto sicherstellen. Das geht auch nicht. Wir müssen schon nachweisen, dass er sich im kriminellen Milieu bewegt. Dieses Mittel versuchen wir jetzt konsequent einzusetzen.