An Rhein und Ruhr. 968 Bewohner des LVR-Verbundes Heilpädagogische Hilfen am Niederrhein, haben wegen Corona kaum Kontakt nach außen. Eine besondere Herausforderung.

Lesley-Ann V. hat ihre gute Laune noch nicht verloren. Sie genießt die Frühlingssonne bei einer Runde „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ auf der Dachterrasse des LVR-Wohnverbunds Haus-Knipp-Straße in Duisburg und lächelt mit dem Daumen nach oben in die Kamera, während in Sichtweite ein paar Spaziergänger auf dem Rheindeich unterwegs sind. Dies ist für Lesley-Ann derzeit nur schwer möglich.

Wegen der Corona-Krise muss die junge Frau wie alle 685 Erwachsenen mit Handicap, die in den 36 Wohnhäusern des LVR-Verbundes Heilpädagogischer Hilfen (HPH) in der Region Duisburg, Kreis Kleve und Kreis Wesel leben, weitestgehend zu Hause bleiben. Für Lesley-Ann V. gilt wie für alle anderen Menschen mit einer Behinderung, die in einer besonderen Wohnform leben: Kein Werkstattbesuch, keine Tagesstruktur in einem Heilpädagogischen Zentrum, durch das vom Gesundheitsministerium auferlegte Kontaktverbot nach außen keine Besuche von Angehörigen und Freunden.

Kein Werkstattbesuch, kein HPZ-Besuch, Kontaktsperre: „Das ist für alle schwer“

Der LVR-Verbund Heilpädagogischer Hilfen Niederrhein für Erwachsene mit geistiger Behinderung zählt in Duisburg, Kreis Kleve und Kreis Wesel 36 Wohnverbünde mit 685 Bewohnern und 1137 Mitarbeitern. 283 Bewohner werden im ambulant betreuten Wohnen begleitet. Die sechs LVR-Heilpädagogischen Zentren, in denen 237 Männer und Frauen mit einem Handicap, die nicht in einer Werkstatt arbeiten können, tagsüber begleitet werden, sind derzeit geschlossen.

Gabriele Lapp, Fachlicher Vorstand Unternehmensentwicklung des LVR-Verbund HPH, weiß wie schwer die Kontaktsperre für die Bewohner und ihre Angehörigen ist.   
Gabriele Lapp, Fachlicher Vorstand Unternehmensentwicklung des LVR-Verbund HPH, weiß wie schwer die Kontaktsperre für die Bewohner und ihre Angehörigen ist.   © Unbekannt | ANNETTE HILLER / LVR-Verbund HPH

„Das ist für alle schwer“, weiß Gabriele Lapp, Fachlicher Vorstand Unternehmensentwicklung des LVR-Verbund HPH. Das Personal muss den Bewohnern je nach Schwierigkeitsgrad der Behinderung erklären, warum die Eltern und Geschwister nicht mehr zu ihnen kommen dürfen, sie Freunde nicht mehr sehen können oder auf einmal zwei Meter Abstand halten sollen. Vor allem letztes ist für viele Menschen mit einem Handicap oft kaum zu verstehen. Umso wichtiger sei es, „dass die jetzt ergriffen Schutzmaßnahmen eingehalten werden und die Sozialkontakte kontrollierbar bleiben.“

Sie ist dankbar und „glücklich, dass unsere Mitarbeiter trotz der erschwerten Situation engagiert zur Arbeit kommen und mit Herzblut ihren Dienst errichten.“ Die rasanten Veränderungen in der letzten Woche verlangten von den Mitarbeitern „ein Höchstmaß an Flexibilität“. Unterstützt werden sie teilweise von Kollegen aus den LVR-Heilpädagogischen Zentren, damit die Bewohner in ihren Wohnhäusern eine Tagesstruktur erleben können. Dazu gehören 1:1 begleitete Spaziergänge, Gartenarbeiten, kreative Bastelaufgaben oder Spiele mit der Tovertafel, bei denen ein Lichtprojektor genutzt wird, der Traumwelten in Bild und Ton auf einen Tisch oder den Boden überträgt.

Mit Angehörigen telefonieren

Die Situation erfordert von allen Seiten viel Verständnis. Eine Alternative zu dem Kontaktverbot gibt es derzeit aber nicht. Bislang ist der LVR-Verbund HPH von einem Corona-Fall verschont geblieben. Sollte es dennoch das Personal treffen, „wird eine Nachbesetzung team,- und regionsübergreifend erfolgen, wenn nötig sogar rheinlandweit“, erklärt Gabriele Lapp. Sollte es einen Bewohner treffen, „wird er bei einer leichten Erkrankung in seinem Zimmer isoliert. Mitarbeiter in direktem Kontakt müssen eine bereitgestellte Schutzausrüstung tragen. Bei stärkeren Krankheitszeichen muss der Betroffene wie alle anderen Bürger auch ins Krankenhaus“, erklärt Lapp.

Basteln gegen Corona: Bewohner des LVR-Verbundes HPH haben  diese Köpfe namens Carl, Cecilia, Corona gefertigt.
Basteln gegen Corona: Bewohner des LVR-Verbundes HPH haben diese Köpfe namens Carl, Cecilia, Corona gefertigt. © HPH | Lvr-Verbund

Es ist nicht einfach, Menschen mit einer geistigen Behinderung die Situation zu erklären. „Der größte Teil unserer Kunden versteht, dass es notwendig ist, die Schutzmaßnahmen zu befolgen. Für einige Kunden ist das aber bedingt durch die Schwere der Behinderung nicht nachvollziehbar und umsetzbar“, sagt Gabriele Lapp. Hier versuche man, den Kontakt zu den Angehörigen und Freunden telefonisch zu ermöglichen, was aber emotional oft nicht einfach ist.

Auch in den ambulant betreuten Wohngemeinschaften kommen die Erklärungen nicht immer an. „Hier ist es ein größeres Problem, die sozialen Kontakte zu minimieren“, weiß Lapp. Einzelaktivitäten wie der Lebensmitteleinkauf sind weiter erlaubt, nur Freunde zu treffen eben nicht. In diesen Fällen werden die rechtlichen Betreuer mit einbezogen – zum Schutz aller Bewohner und auch Mitarbeiter. Ein Lächeln, wie es Lesley-Ann V. beim Mensch-ärgere-Dich-nicht über die Lippen kommt, ist in diesen Tagen für sie der schönste Dank.


Infos: www.hph.lvr.de