Rotterdam. Rotterdam baut weiter grün und nachhaltig. Baden im Rijnhaven, spazieren gehen auf der Hochbahn und wohnen im Holzblock.

Es ist ein ambitionierter Zehnjahresplan. Los ging’s 2019, sieben Projekte bis 2029. Keine kleinen Geschichten, sondern richtig große Nummern wie der Hofbogenpark, Rijnhavenpark, Nelson Mandela Park sowie die beiden Gezeitenparks Keilehaven und Feijenoord. 380 Millionen Euro gibt die Stadt für die Renaturierung aus, um den Bewohnern eine lebenswerte Umgebung zu schaffen. „Ohne Covid hätten wir diese Projekte vielleicht nicht“, mutmaßt Stadtentwickler Emiel Arends. „Während der Corona-Pandemie wollten die Leute draußen sein. Also haben wir Pläne gemacht, um sicherzustellen, dass die Menschen von zu Hause höchstens 15 Minuten brauchen, um in einem Park zu sein.“

Der Hofbogenpark entsteht auf der Trasse einer nicht mehr genutzten Hochbahn, auf der früher die Hofpleinlijn Rotterdam mit Den Haag verknüpfte. Zwei Kilometer lang und sechs Meter breit, soll sich der bald grüne Gürtel durch vier Rotterdamer Stadtteile ziehen. Geplant vom Büro de Urbanisten, soll die Umgestaltung im nächsten Jahr beginnen. Bis die Menschen im grünen Hofbogenpark spazieren gehen und sich an kleinen Wasserspielplätzen erholen können, dürfte es dann aber noch vier Jahre dauern. „Viel besser als die Highline in New York“, findet de Urbanisten-Direktor Dirk van Pejpe.

Am Big Apple hätten sie nämlich längst nicht so konsequent auf ein nachhaltiges Konzept gesetzt wie in der holländischen Ideenschmiede Rotterdam. So wird zum Beispiel Regenwasser in unterirdischen Becken aufgefangen, filtriert und dann wieder nach oben gepumpt, wo das Nass in Fontänen für Abkühlung sorgen und Pflanzen gießen soll.

Grün ist die Zukunft der Metropole Rotterdam.
Grün ist die Zukunft der Metropole Rotterdam. © MVVA | MVVA

Schwimmen im alten Hafen

Zwischen den Wolkenkratzern am Kop de Zuid und dem historischen Viertel Katendrecht wird auch der Rijnhaven seiner neuen Bestimmung zugeführt. Wo früher Lagerhäuser standen, an denen Schiffe nach der Einfahrt in den Rotterdamer Hafen ihre Ladung löschen konnten, entsteht nun ein neues Viertel. Von Bäumen umgebene Wohnhäuser sind dabei nur ein Teil des Konzepts, sondern auch die Aufbereitung des in Rotterdam allgegenwärtigen Wassers.

„Ein Teil des Rijnhavenparks ist ja schon fertig. Im Sommer konnten die Kids hier schwimmen“, freut sich Emiel Arends über die neue City Beach im Herzen der Metropole an der Maas.

Die 670.000 Einwohner zählende zweitgrößte Stadt der Niederlande muss klimafreundlicher werden. Alle Baumaßnahmen werden unter Nachhaltigkeitskriterien geplant. „Aus meinem Büro geht keine Idee heraus, die nicht berücksichtigt, die Umgebung natursensitiv zu gestalten“, betont Dick van Pejpe.

De Urbanisten, die unter anderem für den futuristischen Bahnhof Arnhem Centraal und den WaterCampus Leeuwarden verantwortlich zeichnen, lieben Wasserspiele. Verschiedenen Plätze in Rotterdam, die bisher mit leblosem Beton zur Aufheizung der Atmosphäre beitrugen, haben sie viel Aufenthaltsqualität gegönnt.

Bereits vor zehn Jahren wurde der Watersquare Benthemplein eingeweiht. Ähnliche Projekte realisierten de Urbanisten in s’Hertogenbosch, Tiel, Kopenhagen, Göteborg und Montreal.

Ökologisches Bauen im Rotterdamer Lloydkwartier: Architekt Robert Platje von Mei Architects & Planners erklärt das Projekt „Sawa“.
Ökologisches Bauen im Rotterdamer Lloydkwartier: Architekt Robert Platje von Mei Architects & Planners erklärt das Projekt „Sawa“. © Heiko Buschmann / NRZ | Heiko Buschmann / NRZ

Auf halber Strecke zwischen Rotterdams Zentrum und dem historischen Delfshaven liegt das Lloydkwartier. Der berühmte Euromast ist direkt um die Ecke. Hier bauen Mei Architects and Planners das laut eigenen Angaben nachhaltigste Gebäude der Niederlande. Es heißt Sawa, besteht überwiegend aus Holz und nimmt schon mit seinem Namen Bezug auf die Natur und die Geschichte der Niederlande.

Während es vom berühmten Hotel America am Wilhelminapier nach New York ging, „sind vom Lloydpier früher die Schiffe nach Asien, meistens nach Indonesien, gefahren“, verrät Architekt Robert Platje beim Gang über die Baustelle.

Haus aus deutschem Holz

Sawa heißen auf Indonesisch die Reisfelder, wie sie auf den Terrassen auf Bali angelegt wurden. Treppenförmig zieht sich auch das Sawa-Gebäude in 50 Meter Höhe, 100 Wohnungen sollen hier Platz finden. Alle bekommen einen begrünten Balkon von etwa 40 m², 6000 Bäume und 3000 Pflanzen werden gesetzt, 140 Nestkisten für Vögel, Fledermäuse und Insekten aufgestellt.

+++ Sie wollen keine Nachrichten mehr aus dem Nachbarland verpassen? Dann abonnieren Sie jetzt unseren kostenlosen Niederlande-Newsletter!+++

Das Fundament ist ein gewaltiger Holzblock, von dem aus sich das Gebäude nach oben hin verschlankt. 2019 starteten die Planungen, im Sommer 2025 soll Sawa fertig zu sein und die Mieter einziehen. „Das ist recht schnell, liegt aber auch daran, dass wir nach einer Modulbauweise bauen“, erklärt Robert Platje. „Es ist ein bisschen wie ein Ikea-Baukasten mit vielen Schrauben und Anleitungszeichnungen. Das Holz kommt übrigens aus Deutschland, aus Westerkappeln.“

Sawa, Hochhaus in Holzbauweise in Rotterdam.
Sawa, Hochhaus in Holzbauweise in Rotterdam. © Mei Architects and Planners | Mei Architects and Planners

Mit Gebäuden wie Sawa kann Rotterdam zur Verminderung seiner CO2-Emissionen beitragen und die Nachhaltigkeitsziele besser erreichen. „Mit Holz zu bauen ist zwar teurer, aber den Investoren war es wichtig, nicht nur den größtmöglichen Gewinn mitzunehmen. Sie haben auf einen Teil der Marge verzichtet, um ökologischer zu handeln“, betont Robert Platje.

Die künftigen Mieterinnen und Mieter müssen übrigens nicht mehr Geld mitbringen, um hier leben zu können. Ein Teil der Wohnungen wird sozial gefördert, es gibt aber auch Eigentumswohnungen für ein begütertes Klientel, so dass in Sawa eine inklusive soziale Gemeinschaft entstehen kann.

Das ist zukunftsweisend – eben typisch Rotterdam.

Der Park der Zukunft

Westlich von Rotterdam, im Viertel Reyeroord, entsteht der „Park der Zukunft“. Magisch scheinen hier die Lichter zu funkeln, denn man sieht gar keine Lampen. Es sind die Pflanzen im Park, die Strom für die Beleuchtung generieren. Sie reagieren auf die Bewegung der Menschen, die hier vorbeigehen. „Wir zeigen, wie Wasser lebt“, erklärt Designerin Ermi van Oers das Prinzip.

Pflanzen produzieren Nährstoffe mithilfe von Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid. Einen Teil davon nutzen die Pflanzen selbst, ein anderer Teil gelangt über ihre Wurzeln in den Boden. Natürliche Bakterien im Boden zersetzen diese Rückstände und setzen dabei elektrisch geladene Partikel frei. Diese Partikel werden von einer biologischen Batterie (mikrobielle Brennstoffzelle) eingefangen.