Dokkum. Wilhelmina-Pfefferminze sind in den Niederlanden Kult. Hergestellt werden sie in Dokkum in Friesland. Wir waren vor Ort.

Wenn Lourens van Breden mit seinen Eltern sonntags in die Kirche musste, freute er sich. Nicht etwa auf den Gottesdienst, der war für ihn als zehnjähriger Junge sterbenslangweilig. Nein, bevor es zur Andacht ging, steckten ihm seine Eltern ein Bonbon zu – und zwar nicht irgendeins, sondern ein Wilhelmina Pepermunt.

„Das habe ich in zwei Hälften zerteilt, damit ich länger etwas davon hatte“, berichtet Lourens van Breden nun, zwei Jahrzehnte später. Wilhelmina ist er treu geblieben, heute ist der 52-Jährige als Produktmanager bei Fortuin, so heißt der Konzern, der unter anderem die berühmten Minzdrops herstellt, tätig.

Königsfamilie zu Besuch

Das Familienunternehmen blickt auf eine inzwischen über 180-jährige Geschichte zurück. 1842 war es, als Firmengründer Willem Hendrik Fortuin in Lemmer mit der Produktion der ersten Bonbons begann. Kurz darauf zog der Betrieb nach Dokkum um, wo Fortuin bis heute seinen Sitz hat, allerdings nicht mehr im historischem Zentrum der nördlichsten Stadt der Niederlande, sondern etwa einen Kilometer außerhalb.

Willem Hendrik Fortuin gründete im Jahr 1842 die erste Bonbonfabrik.
Willem Hendrik Fortuin gründete im Jahr 1842 die erste Bonbonfabrik. © Fortuin | Fortuin

Das Besondere an den Drops ist sicher nicht nur der intensiv-frische Pfefferminzgeschmack, sondern das ganze Produktdesign. 1892 besuchte die royale Familie Friesland. König Wilhelm III. war 1890 im Paleis Het Loo in Apeldoorn gestorben, in Folge dessen machte seine Frau Emma allen Provinzen der Niederlande ihre Aufwartung, meist mit Thronfolgerin Prinzessin Wilhelmina an ihrer Seite. Die erst Zwölfjährige ist auch in Dokkum dabei, als Gurbe Jan Fortuin, Sohn von „Bonbon-König“ Willem Hendrik, eine gute Idee hat: Er bietet der Prinzessin ein Pfefferminz an. „Das war für die weitere Geschichte des Unternehmens ein absoluter Glücksfall“, weiß Lourens van Breden zu berichten.

Wilhelmina mag das Pfefferminzbonbon aus Dokkum nämlich sehr – und Gurbe Jan Fortuin fragt bei der königlichen Familie an, ob er ihr Konterfei auf die Drops drucken darf. Die Antwort lautet: ja!

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Seit 1892 heißen die Pfefferminze aus Dokkum also Wilhelmina, auf den als ikonisch geltenden Originalbonbons, die in Einzelpackungen in vielen Hotels und Restaurants in den Niederlanden angeboten werden, ist der Umriss der damaligen Prinzessin zu sehen. „Wir sind ein Volk, das gerne Pfefferminz mag. 97 Prozent aller Niederländer kennen unsere Marke“, verrät Lourens van Breden ein für die Firma überragendes Ergebnis einer Umfrage. Und weiter: „Auch wenn nicht alle Menschen bei uns die Pfefferminzbonbons essen, zum Beispiel die jungen Leute. Später, wenn sie älter werden, greifen sie wieder gerne zu Wilhelmina. In Deutschland ist das nicht so verbreitet.“

Hier werden die Pfefferminzbonbons hergestellt, mehrere Millionen Stück.
Hier werden die Pfefferminzbonbons hergestellt, mehrere Millionen Stück. © Fortuin | Fortuin

Das Geheimnis des frischen Geschmacks? Ist nicht geheim, sondern alle Zutaten sind auf der Verpackung abgedruckt. Das Besondere an den Wilhelmina-Bonbons aber ist neben dem Produktdesign, das einen starken Wiedererkennungswert hat, die Konsistenz des Bonbons. „Die Zutaten sind stark komprimiert, es hat eine sehr feste Struktur“, erklärt Lourens van Breden. „Man hat viel vom Bonbon im Mund, es dauert seine Zeit, bis es aufgegessen ist.“

Im Laufe der Jahre ist aus dem einstigen Familienbetrieb ein mittelständisches Unternehmen geworden, das seit 1992 zur Hellema-Gruppe, einem Keksproduzenten, gehört. 60 Festangestellte arbeiten am Fortuinweg 2 in Dokkum, wo bis vor fünf Jahren ausschließlich Pfefferminzbonbons hergestellt wurden.

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Inzwischen gibt es eine ganze Palette verschiedener Drops. Neu auf dem Markt sind gemischte Tüten mit Frucht- und Lakritzminzen sowie extra scharfe Minzbonbons. Außerdem produziert Fortuin auch für andere Auftraggeber, eine Marke ist DF, von der es zum Beispiel Fruchtherzen gibt. Ein Großteil der Bonbons wird in den Niederlanden verkauft, und zwar in fast allen bekannten Supermärkten beziehungsweise Discountern, sowie in den auch hierzulande bekannten Läden der Kette Action. 65 Millionen Stück allein der sogenannten Singlepacks gehen jährlich aus Dokkum ins Land. Fortuin liefert aber auch ins United Kingdom sowie nach USA und Kanada.

Jedes Jahr zum Königstag gibt es eine neue Dose mit verändertem Design.
Jedes Jahr zum Königstag gibt es eine neue Dose mit verändertem Design. © Fortuin | Fortuin

Zum Königstag eine neue Dose

Tradition verpflichtet: Wilhelmina nimmt den Königstag am 27. April zum Anlass, seit 1977 jährlich eine neue Dose mit Minzbonbons herauszubringen. „Da lassen wir uns immer etwas Besonderes einfallen“, nickt Lourens van Breden.

Auch wenn er beruflich nun täglich mit Wilhelmina zu tun hat und Millionen der Drops im Werk in Dokkum produziert werden: Den Geschmack des einen Pfefferminzbonbons, das er damals beim Kirchgang immer im Mund hatte, wird er nicht mehr vergessen.

Bonbons und die Bibel

Wilhelmina-Pfefferminzbonbons sind in den Niederlanden nicht überall gleich beliebt. Im sogenannten Bibelgürtel, der sich von den südlichen Provinzen Zeeland, Limburg und Brabant quer durchs Land zieht und bis nach Groningen und Friesland reicht, ist der Absatz der frischen Drops besonders hoch.

Bevor neue Sorten auf den Markt gebracht werden, dürfen ausgewählte Testpersonen probieren. Dafür arbeitet die Firma Fortuin mit einem Institut in Amersfoort zusammen.

Weitere Infos hier (auch auf Englisch).