Harlingen. Viele Besucher parken nur ihren Wagen in Harlingen und fahren direkt nach Terschelling und Vlieland. Die Stadt hat aber viel zu bieten.
Etwa 500 Meter vor der Wattenpromenade und der historischen Innenstadt stehen sie da: Unzählige Autos, darunter viele mit deutschem Kennzeichen. P1, 2 und 3 heißen sie, das P steht für Parkplatz. 7,50 Euro pro Tag kostet es, den Pkw stehen zu lassen. Das wird gerne genutzt, denn vom nahe gelegenen Hafen startet die Fähre nach Terschelling und Vlieland, zwei der insgesamt fünf niederländischen Watteninseln. Es sind kleine Paradiese mit wunderbarer Natur und daher bei vielen Urlauberinnen und Urlaubern sehr beliebt. Dass es direkt neben dem Hafen eine schöne Stadt gibt, wissen die meisten nicht. „Das ist schade, denn wir haben viel zu bieten“, sagt Tiedo de Boer.
Der Vorort von London
Es geht um Harlingen. 30 Kilometer westlich von Leeuwarden gelegen und mit knapp 16.000 Einwohnern von überschaubarer Größe, kann Harlingen mit seiner spannenden Geschichte ebenso punkten wie mit dem Lebensgefühl heutiger Tage.
Lange ist es her, um 580 gab es ganz in der Nähe ein Dorf namens Almenum. Die reichsten Leute des Örtchens lebten auf einem Hügel an der Kirche, die armen Leute etwas darunter. Es waren entscheidende Meter, denn bei Hochwasser wurde das Land überflutet – und mit ihm die Menschen, die sich nicht schützen konnten. So wäre es noch heute, wenn die Niederlande nicht im Laufe der Zeit im Kampf gegen die See einen ziemlichen Perfektionismus erlangt hätten.
Über zwölf Meter hoch ist heute der Deich vor dem Wattenmeer, immer wieder ist der Schutzwall vor dem Wasser ausgebaut worden. „Eigentlich kann uns jetzt nichts mehr passieren“, meint Tiedo de Boer. Aber? „Wer weiß, was der Klimawandel noch alles bringt?“.
Um vor Überraschungen gefeit zu sein, hat die Stadtverwaltung auch am Hafen umfangreiche Vorkehrungen getroffen. Der runde Durchgang zur Wattenpromenade, ganz nahe am kleinen Bahnhof zu finden, kann bei Hochwasser und Sturmfluten komplett abgeriegelt werden.
Bereits im Jahr 1234 erhielt Harlingen Stadtrechte – und damit 41 Jahre eher als Amsterdam. Wie die meisten niederländischen Städte, die am Wasser lagen, wurde reger Handel betrieben. Dadurch wurde auch Harlingen reich, zumindest die Kaufleute, die Waren nach Skandinavien, Deutschland, Osteuropa und auf die britischen Inseln veräußern konnten. „Von hier aus gingen Schweine per Schiff nach England, damit die Leute ihren Bacon essen konnten“, berichtet Tiedo de Boer.
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Bisweilen bezeichneten sich die Harlinger sogar als Vorort von London. Während die Menschen in Friesland ansonsten recht stolz auf ihre Provinz sind und ihren eigenen Dialekt pflegen, wurde und wird in Harlingen kaum Friesisch gesprochen. Dafür wird die Seefahrer-Tradition hochgehalten. Einmal im Jahr finden in Harlingen die Visserij Dagen statt, dann sind 50.000 Menschen in der Stadt und feiern. Vier Tage lang dauern die Festivitäten, geboten wird Musik auf mehreren Bühnen in der historischen Innenstadt, vornehmlich in der Voorstraat und Grote Bredeplaats.
Direkt am Wasser gibt es Aktivitäten für die ganze Familie, die Feuerwehr präsentiert sich ebenso wie das Militär, die Polizei und der Katastrophenschutz. Kinder dürfen vorne im Löschauto sitzen und in einen Panzer klettern. Außerdem gibt es eine Kirmes. „Die Vorbereitungen und Organisation dauern das ganze Jahr, alles ehrenamtlich nach der Arbeit“, sagt Jules Dutrieux, der Vorsitzende der Stiftung, die für die Austragung der Fischereitage verantwortlich zeichnet. Warum er und seine Mitstreiter das auf sich nehmen? „Weil es Spaß macht!“.
Oase der Stille
An den Visserij Dagen, die es seit 1959 gibt und die sogar Gäste aus den USA, Kanada und Surinam nach Friesland locken, ist Harlingen wuselig, im Sommer ist ohnehin viel los. Doch selbst dann ist es nur einige Schritte vom Zentrum entfernt plötzlich ganz ruhig. Zoutsloot ist die Straße nach dem gleichnamigen kleinen Kanal benannt. „Früher wohnten hier die armen Leute“, weiß Lolet van den Eijnden, ebenfalls Harlinger Stadtführerin und pensionierte Lehrerin.
Wo heute schöne Schiffe ankern und Harlingen eine maritime Atmosphäre verschaffen, war früher das Wasser dreckig. „Und stank fürchterlich“, rümpft Lolet van den Eijnden die Nase. Dann hat die Stadtverwaltung erst den Kanal stilllegen und dann die Häuser hübsch renovieren lassen. Sogar der Bürgermeister wohnt inzwischen im Zoutsloot, wo die Zeit still zu stehen scheint. Unter Denkmalschutz sind die Häuser sowieso, insgesamt prangt in Harlingen an über 500 Gebäuden das Schild „monument“.
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Nicht nur deshalb ist die kleine Stadt einen Besuch wert. Wenn Sie also das nächste Mal nach Harlingen fahren und die Fähre nach Terschelling oder Vlieland gebucht haben: Planen Sie mindestens eine Übernachtung mehr ein, bevor Sie auf die Insel gehen oder von dort zurückkommen.
Unsere Reise nach Harlingen und Dokkum wurde von Visit Friesland unterstützt. Weitere Infos hier.
Yachten für Superreiche und besondere Hotels
Manche Menschen protzen mit ihrem Geld, andere, die viel davon haben, möchten nicht mit Luxus auffallen. In Harlingen finden diese einen diskreten Ort für ihr Vermögen: ICON Yachts. In der Nähe des Fähranlegers werden in der kleinen Werft Schiffe für Millionäre gebaut.
Einige hundert Meter weiter in Richtung Waddenpromenade gibt es, für schmalere Bezahlung, drei besondere Übernachtungsmöglichkeiten: in einem Kran, Trichter und Leuchtturm. Alle Gebäude stehen im Willemshaven nahe der Docks – und sind so speziell, dass sie immer ausgebucht sind.
Tipps fürs Essen und Trinken in Harlingen: Restaurant Jonas (frischer Fisch mit Blick aufs Wasser), Brouwdok (coole Craft-Beer-Brauerei direkt daneben) und ’t Zilt (Strandpavillon mit perfekter Aussicht).