Heythuysen. Kylian Mbappé und Flo Wirtz können zaubern. Wenn am 14. Juni die EM startet, wird der Rasen top sein. Wir wissen, wo er herkommt.
Wout Gielens streichelt den Rasen, zärtlicher könnte er kaum zu seiner Frau oder seinen Kindern sein. Das satte Grün ist aber auch eine Pracht, wie in einem Fußballstadion in England oder auf einem sehr gepflegten Golfplatz sieht das Gras aus. Es liegt in einer unscheinbaren Gegend zwischen Venlo und Eindhoven – und ist in den nächsten Wochen der Spielplatz für einige der besten Fußballer der Welt.
Die Hendriks Graszoden Group gibt es seit 1975, sie hat ihren Sitz in Heythuysen, das schöne Landschaftsschutzgebiet Peel en Maas ist nicht weit. Firmengründer John Hendriks war damals Schweinebauer, irgendwann entdeckte er, gemeinsam mit drei Brüdern, seine Leidenschaft für Rollrasen. Inzwischen ist die Hendriks Graszoden Group, zumindest auf dem europäischen Festland, der Marktführer in diesem Business – und eines Tages standen die Fifa und die Uefa vor der Tür.
Beim Sommermärchen dabei
„Wir haben schon für die WM 2006 in Deutschland den Rasen geliefert“, erzählt Wout Gielens. Der Familienvater aus der Nähe von Roermond ist der Verkaufsleiter des 25 Mitarbeitende zählenden Unternehmens – und im Moment ziemlich im Stress. Hamburg, Freudenstadt, Barsinghausen, Iserlohn: Wout Gielens lernt Deutschland immer besser kennen. In diesen Orten haben die Niederländer frisches Grün verlegt. „Für Trainingscamps“, verrät der Experte.
Im Gegensatz zum „Sommermärchen“ vor 18 Jahren, als die Fifa darauf bestand, dass in allen Stadien vor dem ersten Anpfiff der WM der Rasen ausgetauscht werden musste, hat die Uefa für die Euro 2024 keine derlei Vorgabe gemacht. „Die Leute in den Vereinen machen einen guten Job“, lobt Wout Gielens die Greenkeeper in den EM-Spielorten. Nur für die Trainingsplätze, zum Beispiel im Millerntorstadion auf St. Pauli, wo die Tschechen üben wollen, gab es jetzt frisches Grün aus Limburg. In den EM-Stadien liegt hingegen der Boden teils schon seit Jahren, nur im Volksparkstadion in Hamburg muss die Tragschicht öfters getauscht werden. Wegen der hohen Tribünen bekommt der Platz zu wenig Sonne und Licht.
Noch viel wichtiger als im Vorfeld der Spiele, die am Freitag (21 Uhr) mit dem Duell der deutschen Nationalmannschaft in München gegen Schottland beginnen, ist aber die Aufgabe der Rasenspezialisten aus der Provinz Limburg während der EM. Falls ein Platz nicht mehr bespielbar sein sollte, wird sich die Uefa sofort melden. „Ich hoffe, dass keiner anruft. Falls doch, sind wir innerhalb von 24 bis 48 Stunden da“, ist Wout Gielens entspannt.
Auch als in den vergangenen Tagen das Hochwasser in Süddeutschland große Schäden anrichtete und etliche Städte in den Fluten standen, machte sich der Experte keine Sorgen. „Es ist unwahrscheinlich, dass einer der EM-Spielorte davon betroffen sein wird. Aber falls doch, dann liefern wir neuen Rasen“, kündigt Wout Gielens an.
Und zwar in Kühlcontainern. Rollrasen sei nämlich „ein Frischeprodukt“ und könne daher nicht mit normalen Lkw vom Feld in Heythuysen nach Hamburg, München oder Gelsenkirchen transportiert werden. „Wir arbeiten schon seit Jahren mit einer sehr zuverlässigen Spedition zusammen“, verrät Wout Gielens. „Die Firma ist auch jetzt darauf vorbereitet, dass wir sie während der EM kurzfristig anrufen. Aber, wie schon gesagt, am liebsten wäre mir, da kommt nichts.“
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Einmal sei das dennoch passiert. Während der EM 2018 in Österreich und in der Schweiz habe es in Basel beim Spiel zwischen der Schweiz und Portugal Starkregen gegeben, der Rasen im St. Jakob-Park musste ausgetauscht werden.
Über 20 Lkw sind dafür nötig, das ist eine logistische Herausforderung. Pro Fußballplatz sind ungefähr 8000 m² Rasen notwendig, das sind etwa 220 Rollen. Zehn bis elf von ihnen passen in einen Kühlcontainer, eine wiegt zwei Tonnen.
„Rasen zu ziehen ist kein Hexenwerk“, sagt Wout Gielens. Was die Hendriks Graszoden Group zum Marktführer macht, ist die Technik – Maschinen und Material. Keine andere Firma der Welt kann 2,40 Meter breite Rollen Rasen schneiden. 15 Meter lang sind die Rollen, die Matte ist etwa 3,5 Zentimeter dick. Unten ist viel Erde, damit das Grün gut wurzelt, das Gras obendrauf nur ein paar Millimeter lang – Fußballer kicken gerne auf möglichst kurzem Rasen.
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Auftraggeber sind übrigens nicht die Vereine direkt oder wie jetzt die Uefa, sondern Baufirmen. Diese geben die Anfrage für Rasen an die Hendriks Graszoden Group weiter. Zur Ausstattung gehören neben dem wichtigsten Gut, dem Rollrasen, Verlegemaschinen, Walzen, Geräte für die Nähte zwischen den einzelnen Bahnen, damit dort keine Lücke entsteht, sowie eigene größere Gabelstapler. Sobald alles geliefert ist, zum Beispiel nach Duisburg (siehe Infobox!), beginnt die Arbeit der Greenkeeper vor Ort.
Angefangen hat das Unternehmen, nach der Umstellung von Schweinemast auf Rasen, mit kleinen Rollen für den privaten Gebrauch. Von den 330 ha Gras, das in Heythuysen liegt, sind nur 75 für den Sport gedacht, der Rest für Gärtner. In Workshops verraten die Spezialisten, worauf es ankommt, damit der Rasen gut angeht.
Kein Favorit
Zwei Tage nach dem Eröffnungsspiel, in dem die DFB-Elf den Schatten der vergangenen missratenen Turniere loswerden will, steigen auch die Niederländer in die Euro 2024 ein. Auftaktgegner am Sonntag, 16. Juni, in Hamburg ist Polen. Wout Gielens wird dann zu Hause vor dem Fernseher sitzen – und nicht nur Augen für den Rasen haben. „Nein, nein, ich kann Fußball auch genießen“, sagt er lachend. „Wir haben eine schwere Gruppe erwischt, aber ich denke trotzdem, dass wir weiterkommen. Favorit auf den Titel aber sind wir nicht.“
Am Rasen wird es nicht liegen, der ist im Topzustand.
Amsterdam, Rotterdam und Duisburg
Die Hendriks Graszoden Group liefert Rasen für etliche Fußballklubs in den Niederlanden und in benachbarten Ländern. Aktuell erhalten unter anderem die Ajax-Arena in Amsterdam und die legendäre Schüssel De Kuip von Feyenoord Rotterdam frisches Grün aus Heythuysen.
Nicht weit fahren müssen die Spediteure für einen Auftrag in NRW. In der Arena des MSV Duisburg sind die Spezialisten aus Limburg ebenfalls aktiv bei der Verlegung des Platzes. Weitere Aufträge für Fußballfelder kommen aus Belgien, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Tschechien und Finnland.
Früher hat die Hendriks Graszoden Group auch Golfgreens ausgestattet, doch das lohnt sich laut Wout Gielens kaum noch. Stattdessen kommen Aufträge von Rugby-Vereinen.