Schiedam. Im niederländischen Schiedam locken kleine Brennereien und das Dutch National Genever Museum. Sie führen das Erbe der Schnapsindustrie weiter.
Jeder trinkt Gin, kaum einer mehr Genever. Dabei ist es fast das Gleiche, das eine aber eben seit ein paar Jahren schwer angesagt und das andere was für die alte Tante aus den 70ern, das neben dem guten Eierlikörchen auch keinen „bessen“, also Beeren, Genever stehen lässt. In Schiedam geht beides. „Genever ist der Vorläufer des Gin“, klärt Annemieke Loef vom örtlichen Tourismusbüro auf.
In dem heute knapp 80.000 Einwohner zählenden Städtchen westlich von Rotterdam schlug einst das Herz der Genever-Industrie in den Niederlanden
. Seit dem 17. Jahrhundert wird am Flüsschen Schie Schnaps gebrannt, die 1658 in Betrieb genommene Destillerie Onder de Boompjes ist zum Beispiel die zweitälteste Brennerei in den Niederlanden. Ab 1700 entwickelt sich Schiedam zur Welt-Hauptstadt des Genever. Zeitweise sind 400 Destillerien in Betrieb, bis zu 20 Windmühlen mahlen das Malz, das für die Produktion des Schnapses benötigt wird.
Die größten Windmühlen der Welt stehen in Schiedam
Die sieben größten Windmühlen der Welt sind allesamt in Schiedam zu finden, sechs Originale aus dem 18. Jahrhundert und die Nolet-Mühle, die 2006 gemäß ihren historischen Vorbildern gebaut wird und der Nolet-Brennerei Strom liefert.
Gewaltige Backstein-Gebäude erzählen die Geschichte vom Wacholderschnaps, der aus der Provinz Südholland seinen Siegeszug in die ganze Welt antritt. Die Grundzutaten sind Roggen- oder Gerstenmalz, Gewürze wie Kümmel, Anis, Koriander oder eben Wacholder verfeinern den Geschmack.
Der Geruch nach Genever ist in Schiedam noch heute zu riechen
In Schiedam riecht es auch heute noch an vielen Stellen nach Genever. Und natürlich steht hier auch das Dutch National Genever Museum, doch die Zeit der ganz großen Destillerien ist vorbei. Inzwischen hat sich dafür in Schiedam eine kleine, feine Szene an Brennereien angesiedelt, die das Erbe der früheren Schnapsköcher fortführen.
So dürften Gin-Liebhabern die Namen Bobby’s, Loopuyt, Catz oder Sylvius durchaus geläufig sein. Ihnen ist gemein, dass sie mit natürlichen Zutaten in kleiner Produktion gefertigt werden – und so die Geschmacksnerven der Longdrink-Fans kitzeln sollen.
In Schiedam gibt es sogar Brandy aus Honigmet
Einer anderen Spezialität haben sich Alwine van Winsen und Rob van der Gaag verschrieben, die als „Serious Bee Distillers“ einen einzigartigen Brandy auf den Markt gebracht haben. „Wenn die Bienen ausgestorben sind, haben wir noch genau vier Jahre zu leben“, hat einst der berühmte Anthroposoph und Begründer der Waldorf-Pädagogik Rudolf Steiner gesagt. Wie wichtig die fleißigen Insekten für den Fortbestand der Erde sind, wissen die beiden Naturfreunde aus Schiedam.
Zunächst als Imker gestartet, haben sie inzwischen auf dem Dach ihrer Destillerie einen Bienenstock. Sie brennen aus einen naturreinen, bernsteinfarbenen und immer wieder anders im Geschmack daherkommenden Met-Brandy.
Vorbild ist ein altes Buch aus der Universität Leiden
„Nicht jeder Honig eignet sich, um daraus Alkohol zu gewinnen“, weiß Alwine van Winsen. „Wenn beim Fermentieren die Süße aus dem Honig gezogen wird, kann der intensive Geschmack der Blüten, aus denen der Honig gewonnen wird, alles andere überlagen. Das muss man beachten, wenn man aus Honig Alkohol machen will.“
Als Inspiration dient ihnen das 1597 veröffentlichte Buch „Van de Byen“ („Über die Bienen“) des Apothekers Theodorus Clutius und des Botanikers Carolus Clusius, Professor an der Universität Leiden. Sie schufen vor über 400 Jahren nicht nur den berühmten Hortus Botanicus Leiden, den ältesten botanischen Garten der Niederlande, sondern beschäftigten sich auch mit der Frage, wie man aus Honig Met destillieren kann.
Nach diesem uralten Rezept machen heute die „Serious Bee Distillers“ ihren „Clutius & Clusius Amber“, mit 40 Prozent Alkohol sicher kein leichter Schluck, aber ein ganz edler Tropfen.