Essen. Mehr Tierwohl im Stall – das soll durch eine höhere Steuer auf Fleisch finanziert werden. Doch was bedeutet tierfreundliche Haltung? Die Fakten.
Mehr Tierwohl im Stall, das wünschen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Im jüngsten Ernährungsreport 2023 gaben 80 Prozent der Befragten an, dass es für sie ein entscheidendes Kaufkriterium sei, wie die Tiere, die als Kotelett oder Wurst auf dem Teller landen, gehalten wurden. Nun schlägt eine Expertenkommission vor, den teuren Umbau der Ställe durch eine höhere Mehrwertsteuer zu finanzieren.
Doch wie sieht eine tierfreundlichere Haltung aus? Und wie können Verbraucher, die sich bei der Kennzeichnung der Haltungsformen auf der Verpackung mehr Klarheit und Transparenz wünschen, in Supermärkten und Discountern das Durcheinander an Siegeln und Logos durchblicken? Was wichtig ist.
„Tierhaltung“: Das neue staatliche Siegel
Seit vielen Jahren wurde erbittert um eine verpflichtende, staatliche Kennzeichnung der Tierhaltungsform gerungen. Nun wird es in diesem Jahr per Gesetz eingeführt und schrittweise auf weitere Lebensmittel erweitert: Ein nüchtern in Schwarz-Weiß gehaltenes Rechteck mit der Kennzeichnung „Tierhaltung“ und fünf möglichen Haltungsformen soll Verbraucher beim Fleischkauf über die Bedingungen in der Tierhaltung informieren. Es regelt zunächst die Mast bei Schweinen.
Bei der Kennzeichnung gibt das staatliche Logo fünf Haltungsformen vor:
- „Stall“: Diese Haltungsform entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen.
- „Stall + Platz“: Die Tiere haben mindestens 12,5 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgegeben. Dazu gibt es Vorgaben zum Futter und zum Aufbau der Ställe.
- „Frischluftstall“: In der letzten Phase der Mast erhalten die Tiere mindestens 45 Prozent mehr Platz, als es das Gesetz vorschreibt. Die Ställe haben Kontakt zum Außenklima, etwa durch offene Stallseiten.
- „Auslauf/Weide“: Den Schweinen soll ganztägig ein Auslauf zur Verfügung stehen, sie werden im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten.
- „Bio“: Die Tierhaltung entspricht den Anforderungen der EU-Ökoverordnung. Das bedeutet, die Schweine haben eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall.
Das staatliche Siegel gilt zunächst nur für inländische Erzeugnisse und nur für Schweinefleisch – verpackt oder unverpackt. Bei losem Fleisch sollen Schilder auf die Haltungsform hinweisen. Bei gemischten Produkten, etwa Hackfleisch oder Großpackungen mit Fleisch aus unterschiedlichen Haltungsformen, können Prozentangaben aufgedruckt werden. Beispiel: „70 Prozent Stall, 30 Prozent Stall + Weide“. Auf dem Siegel ist ein QR-Code platziert. Per Smartphone können Verbraucher an weitere Informationen zur Haltungsform gelangen.
So wird das staatliche Siegel eingeführt
Das Gesetz ist im Herbst 2023 in Kraft getreten. Tierhalter haben nun bis Ende August 2024 Zeit, ihre Haltungseinrichtungen den zuständigen Behörden mitzuteilen. Das Siegel ist anfangs freiwillig. Verpflichtend wird die Kennzeichnung dann nach einer zweijährigen Übergangsfrist ab September 2025. Dann ist es Pflicht für Fleisch von Tieren, die in Deutschland gehalten, geschlachtet und verarbeitet wurden.
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Ausländische Ware kann freiwillig gekennzeichnet werden. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) will die Kennzeichnungsregeln zügig ausweiten. Ein nächster Schritt soll 2024 unter anderem die Außer-Haus-Verpflegung in der Gastronomie sein.
„Haltungsform“: Vierstufiges, freiwilliges Siegel der Supermärkte
Neben dem staatlichen Tierhaltungslabel sollen die bereits eingeführten freiwilligen Siegel weiterhin möglich sein. Weit verbreitet ist das vierstufige Kennzeichnungssystem „Haltungsform“, das für Fleisch und verarbeitete Produkte von Schwein, Rind und Geflügel gilt, seit kurzem aber auch auf Milchverpackungen zu finden ist. Die Kennzeichnung wurde 2019 von den großen Lebensmittelhändlern eingeführt. Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny oder Rewe verwenden es für das Fleisch ihrer Eigenmarken und das von der Theke.
Das „Haltungsform“-Siegel des Handels hat bislang vier Stufen mit wachsenden Anforderungen an die Betriebe. Erkennbar sind die Stufen an den Farben Rot, Hellblau, Orange und Grün. Das sind die vier Stufen:
- Stufe 1 Stallhaltung
- Stufe 2 StallhaltungPlus
- Stufe 3 Außenklima
- Stufe 4 Premium
Für diese Kennzeichnung ordneten die Händler die Lebensmittel bestehenden Tierwohl-Standards zu. Stufe 1 „Stallhaltung“ entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen, zur Stufe 4 „Premium“ zählen unter anderem Bioprodukte.
Mit der Einführung des staatlichen Siegels soll nun das private Kennzeichen angeglichen werden, um ein Nebeneinander beider Labels zu ermöglichen und Verwirrung unter Verbrauchern zu vermeiden. Ab Sommer 2024 ist auch das „Haltungsform“-Siegel des Handels fünfstufig. Bioprodukte sollen dann eine eigene Stufe 5 erhalten. Auch die Bezeichnungen werden an die des staatlichen Logos angepasst.
Aldi hat angekündigt, die zusätzliche fünfte Stufe ab Juli 2024 einzuführen. Zuvor hatte das Unternehmen wie auch Edeka, Netto, Rewe und Penny in Aussicht gestellt, ab 2030 nur noch Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 zu verkaufen.
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Was Tier- und Verbraucherschützer zur Kennzeichnung sagen
Das vor Jahren eingeführte private Siegel des Handels bewirke mit Blick auf Tierwohl bislang wenig, kritisieren Verbraucherzentralen. Das Angebot stamme überwiegend aus den Haltungsformen 1 und 2. Fleisch der höheren Stufen gebe es kaum zu kaufen.
Auch am neuen staatlichen Label gibt es massive Kritik. Aus den Informationen über Art und Aussehen der Ställe lasse sich nicht ableiten, welche Behandlung die Tiere erfahren haben, kritisieren die Verbraucherzentralen. „Ein Label, das lediglich über die Unterschiede in der Haltung informiert, ändert rein gar nichts an millionenfachen Krankheiten und am Leiden von Nutztieren“, merkt die Verbraucherorganisation Foodwatch an. Auch der Deutsche Tierschutzbund hält die Kennzeichnung für unzureichend: Mit den unteren Stufen erhielten „eindeutig tierschutzwidrige Haltungssysteme“ ein staatliches Siegel, so die Kritik.
Herkunft: Das gilt seit Februar an den Theken der Supermärkte
Neben Informationen zur Tierhaltung wünschen sich Verbraucher laut Umfragen auch Angaben darüber, wo die Tiere aufgezogen oder geschlachtet wurden. Seit dem 1. Februar 2024 muss an den Theken der Supermärkte, in Metzgereien, Hofläden und auf Wochenmärkten bei unverpacktem Fleisch von Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel das Herkunftsland angegeben werden.
Bei verpackter Ware gilt das schon. Angezeigt werden müssen nun Aufzucht- und Schlachtland, und zwar mit kleinen Schildern an der Ware oder auch an Bildschirmen. Beispiel: „Aufgezogen in: Frankreich. Geschlachtet in: Deutschland“. Fanden Geburt, Aufzucht und Schlachtung in einem einzigen Staat, kann es heißen: „Ursprung: Deutschland“. Bei unverpacktem und unverarbeitetem Rindfleisch war es bereits ab dem Jahr 2000 Pflicht, die Herkunft anzugeben. Die Kennzeichnung war damals wegen der Tierseuche BSE eingeführt worden.