Die Jesiden haben in den vergangenen Jahren Terror, Flucht und Leid erlebt. Nun geraten ausgerechnet sie in den Fokus deutscher Asylpolitik.
Im kommenden Jahr werden Jesidinnen und Jesiden in Deutschland am 3. August wieder an den Völkermord erinnern. Zehn Jahre ist es dann her, dass Terroristen des sogenannten Islamischen Staats die Shingal-Region im Nordwesten des Iraks überrannten, die Heimatregion der jesidischen Minderheit. Tausende Menschen wurden ermordet, Hunderttausende mussten fliehen.
Die Erinnerung an das damalige Grauen verblasst im kollektiven Gedächtnis der Welt, sie wird verdrängt von den neuen Kriegen in der Ukraine und in Nahost, die die Schlagzeilen beherrschen. Das Terror-Kalifat des IS ist Geschichte, die akute Bedrohung für Europa zwar nicht gänzlich gebannt, aber eingedämmt.
Für die Jesidinnen und Jesiden sind der erlittene Schmerz und das Trauma aber noch immer so präsent wie vor zehn Jahren. Noch immer fehlt jede Spur von Tausenden Frauen und Kindern, die von den Fanatikern verschleppt wurden. Noch immer leben Hunderttausende Jesidinnen und Jesiden als Binnenflüchtlinge in der Autonomen Region Kurdistan. Noch immer verüben Zellen des IS in der Region Anschläge. Ausgerechnet diese Gruppe wird nun zum Ziel der neuen Härte in der deutschen Asylpolitik. Jesidinnen und Jesiden – auch gut integrierte – werden vermehrt in das Land abgeschoben, in dem an ihnen ein Völkermord verübt wurde, und in dem die Zukunft unsicher ist.
Besonderes Schutzbedürfnis
Jesidinnen und Jesiden werden auch in NRW unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in Ausländerämter eingeladen und dann in Abschiebehaft genommen, und das, nachdem der Bundestag im Januar ihr besonderes Schutzbedürfnis festgestellt und die Bundesregierung aufgefordert hat, für sie den Familiennachzug zu erleichtern. Das ist ein Skandal.
Es kann und darf nicht sein, dass ausgerechnet die Schwächsten darunter leiden, dass die Bundesregierung zur Abkühlung des aufgeheizten gesellschaftspolitischen Klimas Entschlossenheit bei der Rückführung von Flüchtlingen zeigen will, während gleichzeitig auf deutschen Straßen Islamisten die Errichtung eines weltweiten Kalifats fordern können und mit Fahnen marschieren, die denen der Völkermörder von 2014 ähneln.