Wer Straftaten begeht, muss bestraft werden. Aber ohne Prozess und Urteil sollten Aktivisten der Letzten Generation nicht im Gefängnis bleiben.

Es gab eine Zeit in Deutschland, in der die „Schutzhaft“ ein perfides Mittel des Staates war, um Menschen – ihrer Grundrechte beraubt – zu drangsalieren. Es war eins der vielen grausamen Herrschaftsmittel der nationalsozialistischen Diktatur. Zu den Sekundenkleber-Aktionen der Letzten Generation mag man stehen, wie man will – aber dass in unserem Rechtsstaat Menschen in Präventivhaft sitzen, die gewaltfrei an einer Aktion zivilen Ungehorsams teilgenommen haben, ist inakzeptabel.

In der JVA Stadelheim und der JVA Memmingen verbringen jetzt Yannick, Lennart, Ronja, Judith und viele andere die Tage bis zum Ende der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in einer Zelle. Zwei Frauen, Mirijam und Solvig, müssen sogar bis zum 30. September in Gewahrsam bleiben. Ohne Prozess. Ohne Beweisaufnahme. Ohne Urteil. Juristinnen und Juristen bezweifeln seit Monaten, dass das bayerische Polizeigesetz verfassungskonform ist. In Artikel 2 GG heißt es: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“

Die Möglichkeit der Präventivhaft wurde ins Polizeigesetz geschrieben, um Terroristen von Anschlägen abzuhalten. Der Letzten Generation mag man viele Attribute zuschreiben – eine terroristische Vereinigung ist sie nicht. Gerade erst haben Verfassungsrechtlerinnen und -rechtler in einer Erklärung betont, das Versammlungsrecht schütze auch Protestformen, die irritierend wirken und von der Mehrheit als Störung empfunden werden.

Blockaden kosten Zeit und Nerven

Ja, diese Störungen sind für diejenigen, die an einer Kreuzung, Brücke oder Straße wegen einer Blockade nicht weiterkommen, sehr herausfordernd. Sie kosten Zeit, Nerven, manchmal sogar Geld – und sie machen manche so richtig wütend. Aber das gestattet Menschen trotzdem nicht, Aktivistinnen und Aktivisten zu ohrfeigen, sie an den Haaren von der Straße zu ziehen oder mit dem Auto wegzuschieben. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus, wenn Menschen für einen Lkw-Fahrer, der einen Aktivisten angefahren und daraufhin Job und Führerschein verloren hat, Zehntausende Euro sammeln?

Gerichte sind uneins, ob das, was die Letzte Generation tut, eine Straftat ist oder nicht. Aber es ist ausschließlich Aufgabe der Gerichte, das zu entscheiden – niemand anderes sollte es tun. In einem Rechtsstaat gilt: Wer eine Straftat begeht, wird bestraft. Und zwar nachher, nicht präventiv.