Das Thema Zuwanderung bereitet vielen Menschen Sorge - doch Regierung und Union reagieren nur unzulänglich. Davon profitiert vor allem die AfD.

Meinungsumfragen sind erstmal nur Meinungsumfragen. Wie sich die Menschen dann in der Wahlkabine entscheiden, ist damit noch nicht gesagt. Wenn aber die Umfragen aller Meinungsforschungsinstitute seit Wochen einen klaren Trend und weitgehend ähnliche Ergebnisse liefern, muss die Politik sehr genau hinschauen.

Die Tendenzen sind klar: große Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition in Berlin, eine noch größere Unzufriedenheit mit Bundeskanzler Scholz, wenig Vertrauen in die Union, tendenziell noch weniger Vertrauen in einen möglichen Kanzler Merz, allgemeines Misstrauen gegenüber der Problemlösungskompetenz sämtlicher Parteien, Angst vor wirtschaftlichem Abschwung des Landes und vor persönlichem Wohlstandsverlust.

Scholz wiegelt vor allem ab - das ist definitiv der falsche Kurs

Als wenn diese Liste des Grauens nicht schon lang genug wäre, wird zugleich die Zuwanderung als sehr wichtiges Thema und Problem genannt. Dieses Ergebnis zeigte kürzlich auch der NRW-Check der WAZ und aller nordrhein-westfälischen Regionalzeitungen. Dass die in großen Teilen fremdenfeindliche und rechtsextremistische AfD in Umfragen von der Stimmung profitiert, ist zunächst nicht verwunderlich, aber höchst alarmierend.

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Dabei gibt es politisch mindestens zwei Möglichkeiten, auf dieses Phänomen zu reagieren. Man redet es klein, wiegelt ab und signalisiert, dass sich das Thema schon erledigen wird. So agiert der Bundeskanzler. Diese Strategie ist definitiv falsch. Und man muss sich ernsthaft fragen, wer Olaf Scholz wie berät und auf wen er wann hört.

"Berliner Blase" sollte allmählich alarmiert sein

Wenn laut Forsa 82 Prozent (!) der Befragten der Meinung sind, die Berliner Politik wisse gar nicht, was die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag bewegt, müssen in der „Berliner Blase“ endlich alle Alarmglocken schrillen. Und dann kann man den Menschen nicht mit irgendwelchen Beschwichtigungen kommen, sondern man muss deutlich machen: Wir erkennen die Probleme, wir finden Lösungen und wir setzen sie entsprechend um.

Das gilt besonders für die Zuwanderung. Unbestritten muss sein, dass das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Asyl gilt. Unbestritten muss sein, dass Flüchtlinge aus aktuellen Kriegsgebieten wie der Ukraine Hilfe bekommen. Unbestritten dürfte aber auch sein, dass Deutschland, insbesondere das Ruhrgebiet, in den vergangenen Jahrzehnten eine beeindruckende Integrationsleistung vollbracht hat.

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Zur Wahrheit gehört allerdings, dass es Flüchtlinge und Schleuserorganisationen gibt, die mit unserer Menschlichkeit spielen bzw. diese ausnutzen. Dies muss thematisiert und angegangen werden. Sei es bei notwendigen Grenzkontrollen, bei der Durchsetzung einer europaweiten Flüchtlingspolitik oder bei den Fragen, wie man illegale Zuwanderung verhindert und die Abschiebung illegal Eingereister forciert.

Migration - das Thema verlangt nachvollziehbare Entscheidungen

Die EU etwa plant einen verbindlichen Mechanismus, der zu einer gerechteren Verteilung der Flüchtlinge führen soll. Er sieht eigene Grenzverfahren vor, die dafür sorgen sollen, dass alle Flüchtlinge registriert werden und die, die keinen Schutzanspruch haben, aus den Grenzstaaten nicht in andere Länder weiterziehen. Dass linke Parteien und verschiedene Organisationen wie Caritas oder Diakonie die Pläne kritisieren, gehört zu ihrem Selbstverständnis. Dies darf aber die Umsetzung sinnvoller Vorhaben nicht verhindern, zumal dringender Handlungsbedarf besteht.

Migration ist kein Thema für ideologische Reflexe, sondern für klare, nachvollziehbare und verfassungskonforme Entscheidungen. Uns nahestehende, im Kern liberale Staaten wie Schweden, Dänemark oder die Niederlande haben einen harten, aus ihrer Sicht konsequenten Kurs eingeschlagen. Sie folgen der Erkenntnis, dass selbst grundsätzlich integrationsbereite Gesellschaften in ihrem Zusammenhalt gefährdet sind, wenn sie überfordert werden. Dies gilt offensichtlich auch für Deutschland.