Sigmar Gabriel wechselt in die Wirtschaft: Er wird Aufsichtsrat bei Siemens-Alstom. Ein Abgang, den vermutlich nur er selbst für gelungen hält.
Der Abgang ist eine Kunst. Es gibt den Abgang von der Bühne, „ab“ lautet die schnöde Regieanweisung, und natürlich den Abschluss beim Turnen. Möglichst punktgenau, ohne Wackler oder Standfehler.
Für eine schwierige, oft unterschätzte Übung gibt es hingegen kein Training und kaum Vorbilder: für den Abgang von der Politik. Zumeist ist er unfreiwillig und enttäuschend. Er macht einsam und leer. Der frühere tschechische Präsident Havel hat seine Erfahrung in ein Theaterstück verarbeitet. Es wurde eine Komödie. Im Fall von Sigmar Gabriel, Ex-Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister, ist die Dramenform noch unklar.
Vorhang auf, dritter Akt: die Weichen für einen Wechsel in die Wirtschaft werden gestellt. Gabriel soll in den Verwaltungsrat eines deutsch-französischen Zugherstellers berufen werden. Als Wirtschaftsminister hatte er die Synergien von Siemens und Alstom befürwortet; „große Chancen“ sah er damals 2014 voraus.
Nun gilt der rheinische Imperativ: Mer kenne uns, mer helfe uns. Es zahlen sich die Kontakte aus: Gabriel wird ein Siemens-Mann. Darf er das? Soll er das? Ja, er darf. Nein, er sollte es nicht, Gabriel ist schlecht beraten. Mehr Abstand wäre vorteilhafter.
Das Drama begann mit dem Beschluss der SPD, keine Minister an Sondierungsgesprächen zu beteiligen, ein Wink, den er nicht verstehen wollte. Als klar war, dass er nicht mitregieren durfte, beklagte er sich – zweiter Akt – über den respektlosen Umgang und sagte Dinge über den Nachfolger, die nicht nett waren. Der Abgang geriet zur Abrechnung.
Im Abendrot seiner Karriere wartet er nun die zwölf Monate ab, die das Gesetz als Karenzzeit vor einem Wechsel vorsieht. Das Minimum, keinen Tag länger. Für diese Punktlandung kann er keinen Beifall erwarten.