Wesel. Bei der Grundsteuer B sind zwei Varianten möglich. Je nachdem, wie sich Wesel entscheidet, könnte es große Unterschiede geben, zeigen Beispiele.

Wie viel Grundsteuer B müssen Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ab 2025 zahlen? Diese Frage ist in Wesel längst nicht geklärt, die Grundsteuer-Reform beschert der Verwaltung weiterhin viel Arbeit – und die Umsetzung in der Praxis ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. In der Ratssitzung im September hatte die Politik Kämmerer Klaus Schütz und sein Team damit beauftragt, zu prüfen, ob sich unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimmobilien rechtssicher umsetzen lassen. Je nachdem, wie diese Prüfung und die daran anschließende Entscheidung der Politik ausfällt, könnten die Auswirkungen im Portemonnaie für private Eigentümer und auch für Mieterinnen und Mieter deutlich spürbar sein.

Zum Hintergrund: Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Grundsteuerreform, die ab 2025 erstmals zum Tragen kommt, belastet in Nordrhein-Westfalen die Wohngrundstücke deutlich stärker als Geschäftsgrundstücke. Das Land hat den Städten daher die Freiheit gegeben, die Hebesätze der Grundsteuer für Wohn- und Geschäftsgrundstücke zu differenzieren. Besitzer von Wohnimmobilien hätten davon einen Vorteil, Eigentümer von Gewerbeimmobilien wären benachteiligt. Doch die Rechtsunsicherheiten für unterschiedliche Hebesätze sind groß.

Wesel kalkuliert für 2025 mit knapp 17 Millionen Euro, die über die Steuer in den Haushalt einfließen. Die Reform soll „aufkommensneutral“ umgesetzt werden. Das bedeutet: Die Kommunen sollen auch mit den neuen Hebesätzen, die ihnen das Land vorgeschlagen hat, insgesamt die gleichen Einnahmen aus der Grundsteuer erzielen wie bisher.

Einheitliche oder unterschiedliche Grundsteuer B in Wesel?

Setzt Wesel einheitliche Hebesätze um, würde die Grundsteuer B im kommenden Jahr auf 931 Prozentpunkte angehoben, aktuell liegt sie bei 690 Prozentpunkten. Entscheidet sich die Stadt beziehungsweise die Politik hingegen für differenzierte Hebesätze, läge der Satz für Wohnimmobilien bei 782 Prozentpunkten, der für Gewerbe bei 1353 Prozentpunkten.

Die Verwaltung hat errechnet, dass bei Einheitshebesätzen ab 2025 beispielsweise Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern (davon gibt es gut 10.000 in der Stadt) durchschnittlich um 37 Prozent mehr belastet werden als aktuell. Wem ein Geschäftsgrundstück gehört, der würde hingegen um beinahe die Hälfte entlastet. Ein massives Ungleichgewicht. Bei differenzierten Hebesätzen für die Grundsteuer B würden die Einnahmen aus den Bereichen Wohnen und Gewerbe stattdessen ungefähr in der Wage bleiben, so der Kämmerer.

Klaus Schütz hat dafür ein Rechenbeispiel für Häuser in Wesel herausgesucht. So zahlt der Besitzer eines beispielhaften Zweifamilienhauses in Wesel in diesem Jahr 707,60 Euro Grundsteuer. Bei einem einheitlichen Hebesatz würde die Steuer im nächsten Jahr um 113,54 Euro steigen – bei einem differenzierten Hebesatz hingegen um 17,88 Euro sinken. Zweites Beispiel ist ein Einfamilienhaus: Hierfür wurden 2024 noch 376,05 Euro Grundsteuer gezahlt, bei einem undifferenzierten Hebesatz wären es im kommenden Jahr dann 179,20 Euro mehr, bei einem differenzierten nur 90,33 Euro mehr.

Grundsteuer in Wesel: Mieter könnten am meisten profitieren

Wie stark sich die Grundsteuer für den einzelnen Haushalt verändert, hängt aber nicht allein am Hebesatz, sondern auch am Steuermessbetrag, den das Finanzamt ermittelt hat – je nach Alter, Lage und Renovierungsstand von Immobilien kann es zu größeren Unterschieden kommen. Mieterinnen und Mieter zahlen die Grundsteuer zwar nicht direkt, die Kosten werden auf von den Eigentümern über die Nebenkosten umgelegt. Bei differenzierten Hebesätzen würden die Abgaben für die meisten Wohnungen aber sinken, durchschnittlich um knapp 20 Prozent.

Bei der Ratssitzung im September ging der Tenor in der Politik in Richtung der unterschiedlichen Hebesätze, die Verwaltung soll nun die Voraussetzungen dafür klären. „Sofern Rechtssicherheit für differenzierte Hebesätze als gegeben erscheint, sprechen wir uns klar für diese aus, um das Wohnen in Wesel nicht zu verteuern“, betonte auf NRZ-Anfrage im Nachgang etwa Jürgen Linz, Fraktionsvorsitzender der CDU. Ähnlich hatte sich in der Sitzung Ludger Hovest von der SPD geäußert: „Wir wollen Bürger nicht mehr belasten.“

„Wir wollen Bürger nicht mehr belasten“

Ludger Hovest
SPD-Fraktionschef

Nur die rechtliche Frage ist eben der große Knackpunkt: Sind die differenzierten Hebesätze rechtlich haltbar oder droht eine Klagewelle? Unterschiedliche Gutachten kommen bisher zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die Beantwortung dieser Frage angeht.

Die Kämmerei will all das in den nächsten Wochen prüfen, die Politik soll nach Wunsch von Klaus Schütz noch in diesem Jahr endgültig entscheiden. „Sollte aus Rechtsgründen der differenzierte Hebesatz nicht geeignet erscheinen, werden wir beantragen, den empfohlenen neuen Hebesatz so weit abzusenken, damit für die Bürger keine Erhöhung eintritt, auch wenn dann mit erheblichen Einnahmeverlusten für die Stadt gerechnet werden muss“, betont Jürgen Linz von der CDU.