Wesel. Vor 50 Jahren wurden die Hochhäuser an der Dinslakener Landstraße in Wesel errichtet. Heinrich Schulte war als Bauleiter dabei und erinnert sich.
„Es lohnt sich, in Wesel zu leben!“, mit diesen Worten beginnt das Vorwort zur detaillierten Bauplanung der Hochhäuser an der Dinslakener Landstraße, nahe des Weseler Bahnhofs. Die Gebäude prägen seit 50 Jahren die „Skyline“ der Hansestadt, kamen jedoch in den letzten Jahren wegen ihres Renovierungsbedarfs zunehmend in die Kritik. Heinrich „Heinz“ Schulte aus Rhede, damaliger Bauleiter, steckt trotz seiner 81 Jahre noch voller Fachwissen, Details und Anekdoten zu dem, seinerzeit sehr fortschrittlichen Bau.
Kurze Bauzeit dank innovativer Methoden
Heinz Schulte war erst ein Jahr lang bei der Firma Tinnefeld angestellt, als er zum verantwortlichen Bauleiter für das Projekt am Weseler Bahnhof ernannt wurde. Er leitete den Rohbau von zwei Gebäuden und war für das südlichste Hochhaus bis zur Bezugsfertigkeit zuständig. 1975, nach weniger als zwei Jahren, wurde der Bau der Hochhäuser vollendet und die Eigentümer konnten einziehen. Während der Rohbauphase wurde alle zwei Wochen eine neue Etage fertiggestellt und das mit nur 14 Bauarbeitern in einer Baugruppe.
Dieses hohe Tempo verdankte man modernen Arbeitsmethoden, wie der Großflächenschalung der Stahlbetonwände im Taktverfahren, sowie der absenkbaren und beweglichen Deckenschaltische. Die standardisierten Arbeitsschritte ermöglichten eine äußerst effiziente Bauweise in hoher Qualität, mit jeweils nur fünf Arbeitstagen für Decken und Wände, pro Etage. Das Südgebäude besteht dabei aus zwei Kellergeschossen, einem Erdgeschoss mit Räumen für Gewerbezwecke und zwölf Obergeschossen mit insgesamt 56 Eigentumswohnungen. Außerdem wurde eine zweigeschossige Tiefgarage mit 136 Einstellplätzen zwischen den drei Hochhäusern erstellt.
Hochhäuser am Weseler Bahnhof: Hürden auf der Baustelle
Bei der Ausschachtung der Tiefgarage stießen die Bauarbeiter der Firma Tinnefeld auf ein sehr altes Ziegelsteinfundament, von welchem Schulte vermutet, dass es aus dem Mittelalter stammte. Mit Ausmaßen von ungefähr 25 Metern Länge, zwei Metern Breite und zwei Metern Höhe verzögerte es die Bauarbeiten, da es selbst für die stärksten Kompressoren und Bagger auf der Baustelle ein Problem darstellte.
Schlussendlich mussten über ein halbes Dutzend Sprengungen durchgeführt werden, die, wegen der zentralen Lage des Bauprojektes, einiges an Koordination erforderten. Die Bauleiter standen dabei in ständigem Kontakt mit der Polizei, die die Dinslakener Landstraße teilweise sperren mussten und wegen der Nähe zur Bahntrasse auch mit den Bediensteten des Weseler Bahnhofs.
Nicht alles lief nach Plan bei der Baustelle in Wesel
Die größte Besonderheit dieses Bauprojektes sei das Schwimmbecken in der 13. Etage gewesen, so der ehemalige Bauleiter. Ursprünglich waren nur zwölf Obergeschosse geplant gewesen, doch eine kurzfristige Planänderung wegen Vermarktung forderte ein schnelles Umdenken. Zusätzlich zu der Ergänzung des Schwimmbeckens mit angegliederter Saunalandschaft ergab sich ein weiterer Extrawunsch, als eine Pizzeria im Erdgeschoss ein neues Zuhause fand. Eine Verbindungsöffnung war gefordert, um die Flurplanung des Restaurants zu begünstigen.
Zu diesem Zeitpunkt waren die Bauarbeiten jedoch schon größtenteils fertiggestellt worden und die meisten Wohnungen bereits verkauft und bezogen. Mit einem Kompressor eine Wand im Erdgeschoss zu durchbrechen, war also wegen des Lärmschutzes undenkbar, erinnert Schulte sich. Doch auch hier fand das Planungsteam eine schnelle Lösung: Mit Sauerstofflanzen konnte eine entsprechende Öffnung durch den Beton gebrannt werden, welche aus Gründen der Statik noch mit Stahlstützen und -trägern gesichert werden musste. Diese im Grundfundament zu verankern und dementsprechend durch zwei Kellergeschosse hinunterzuführen, war mit „erhöhtem Aufwand“ verbunden.
Hoffnung auf ein Wiedersehen
Im November des vergangenen Jahres machte sich Schulte noch selbst ein Bild von seinem ehemaligen Bauprojekt, welches sich noch in einem „zufriedenstellenden Zustand“ befinde, mit Ausnahme der befestigten Außenanlagen. Hier seien eine Überarbeitung und Erneuerung erforderlich. Per Zufall kam er in Kontakt mit einem seiner ehemaligen Kranführer, der eine Eigentumswohnung in dem Gebäude erworben hatte. Der Kranführer gehört jedoch zu den letzten Zeitzeugen des Baus vor 50 Jahren, viele der anderen Bauarbeiter waren älter als er. Auf Schultes Zeitungsannonce im Winter 2023 bezüglich eines Treffens der Baugruppe zu ihrem alten Projekt kam keine Reaktion. Der Traum von einem großen Wiedersehen anlässlich dieses besonderen Jubiläums wird wohl unerfüllt bleiben.