Wesel. Heiko Bester hat das Down-Syndrom und nach mehreren Stürzen eine schwierige OP vor sich. Am EVK Wesel gelang eine medizinische Erfolgsgeschichte.
Bei Heiko Bester war alles anders. Der 49-Jährige hat das Down-Syndrom, kann nicht sprechen, leidet an Epilepsie und „hat so seinen eigenen Kopf“, wie seine Mutter Karin Viertel in einer Mitteilung des Evangelischen Krankenhauses in Wesel zitiert wird. Sie war es auch, die sich nach diversen Stürzen und zunehmender Bewegungseinschränkung ihres Sohnes auf den Weg machte, um eine Behandlung für ihn zu organisieren. Letztendlich wurde sie in der Klinik für Orthopädie, Wirbelsäulen- und Unfallchirurgie am EVK fündig. Die Entscheidung, ihren Sohn durch das Team rund um Chefarzt Prof. Dr. med. Thorsten Ernstberger behandeln zu lassen, „war die Beste, die ich treffen konnte“, ist Karin Viertel heute überzeugt.
Aber von vorn: Heiko Bester, der in einer Xantener Einrichtung für Menschen mit Behinderungen lebt, litt zunehmend an Gangunsicherheiten, stürzte mehrmals, konnte schlussendlich nicht mehr laufen, nur seine Arme nur eingeschränkt bewegen und war auf den Rollstuhl angewiesen. „Weil er sich nicht mitteilen kann, konnten die Betreuer des Wohnheims und ich nur raten, was los ist. Eine schlimme Situation“, blickt seine Mutter zurück.
Viele Herausforderungen für Patienten in Wesel
Für sie begann damals ein Organisationsmarathon. „Normale Untersuchungen sind nicht immer so durchzuführen und beispielsweise ein CT nur unter Sedierung möglich, da mein Sohn nicht versteht, was passiert und deswegen auch nicht kooperiert“, schildert Karin Viertel die Herausforderung – die das Team des Evangelischen Krankenhauses Wesel letztendlich angenommen hat. „Wir sind strukturell so aufgestellt, dass wir solchen Patienten mit besonderen Bedürfnissen die individuelle Betreuung bieten können, die sie benötigen, gleichzeitig aber medizinisch auch komplexe Operationen wie in diesem Fall erforderlich durchführen“, erklärt Prof. Dr. med. Thorsten Ernstberger, warum dieser Fall auch für den erfahrenen Wirbelsäulenchirurgen ein besonderer war.
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Im EVK wurde nicht nur die notwendige computertomografische Untersuchung durchgeführt, das Team der zunächst mit der Behandlung betrauten Klinik für Neurologie, Neurogeriatrie und neurologische Frührehabilitation erkannte auch schnell, dass das eigentliche Problem ein orthopädisches war. Heiko litt an einer Wirbelkanalstenose in der Halswirbelsäule, einer Verengung des Wirbelkanals, die das Rückenmark einquetschte und so die Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen hervorrief. „Dies ist meist bedingt durch Umbauprozesse in Kombination mit begleitenden Bandscheibenvorfällen, die in der Regel schleichend zu einer Schädigung des Rückenmarks führen“, erklärt Prof. Ernstberger das Krankheitsbild.
Komplizierte OP wird im EVK einmal im Monat durchgeführt
Zusammen mit Oberarzt Merijn Sijbrand operierte er Heiko Bester Ende April. Dabei führte der Wirbelsäulenspezialist bei seinem Patienten eine Wirbelkanalerweiterung in Form einer Entfernung einzelner Wirbelbögen durch und versteifte Teile der Halswirbelsäule über die Rückseite der Halswirbelsäule. Das gequetschte Rückenmark hat durch diesen Eingriff wieder Platz und die Möglichkeit zu regenerieren. Doch „dies benötigt normalerweise Zeit. Die realistische Erwartung einer Rekonvaleszenzzeit liegt daher schon bei Patienten ohne weitere Einschränkungen zwischen sechs bis zwölf Monaten“, erklärt Ernstberger, der mit seinem Team rund einen Patienten pro Monat mit der gleichen Diagnose betreut.
Aber wieder sollte alles anders sein. „Mein Sohn kann weder mitteilen, ob er Schmerzen hat, noch macht er planbar und regelmäßig bei Untersuchungen, Behandlungen oder Trainings mit. Daher hatte ich schon Sorge, dass dies den Heilungsverlauf nochmal verzögern würde“, schildert Karin Viertel, die ihren Sohn während des gesamten Krankenhausaufenthaltes begleitete, ihre Sorgen in dieser Zeit.
Xantener erholt sich schnell: „Der Verlauf war fantastisch“
Aber Heiko strafte alle Lügen: „Es ging von Tag eins an jeden Tag ein bisschen besser“, berichtet die Mutter nicht ohne Stolz. Er konnte bereits nach wenigen Stunden von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden und setzte sich auch sehr schnell auf. „Normalerweise liegen die Patienten drei bis fünf Tage, bevor sie beginnen, sich selbstständig zu bewegen. Der Verlauf war fantastisch“, so Ernstberger.
Heute, nur gut drei Monate später, kann Heiko Bester wieder selbstständig gehen, greifen und arbeitet sogar wieder in der Werkstatt seiner Einrichtung. Nur für längere oder unebene Strecken nutzt er noch einen Rollator. „Mit diesem Ergebnis hätte ich nie und nimmer gerechnet. Mein Sohn ist ein echter Kämpfer“, erzählt seine Mutter. Und auch der Chefarzt ist begeistert von den Erfolgen seines Patienten. Er habe im Prinzip die Therapien, die das Team der Wirbelsäulenchirurgie nach einer solchen OP normalerweise durchführt, um das Laufen wieder zu lernen, alleine gemeistert. „Es wäre sicherlich zu viel, hier von einem Wunder zu sprechen, aber gerade Krankheitsgeschichten wie die von Heiko sind es, welche die Medizin wiederholt zu etwas Besonderem machen“, sagt der erfahrene Arzt.