Wesel. Die Weseler Galeria-Belegschaft wurde von der Schließung überrascht. Wie die Mitarbeiter das nahende Aus erleben und welche Perspektiven es gibt.

Seit einigen Wochen läuft der Abverkauf in der Weseler Kaufhof-Filiale, spätestens Ende August ist die über 50-jährige Existenz des Kaufhauses in der Hansestadt Geschichte. Völlig überraschend gab Galeria-Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus am 27. April bekannt, dass die Filiale, die eigentlich schwarze Zahlen geschrieben hat, auf der Schließungsliste steht. Kunden, Stadtspitze und Politik waren geschockt – vor allem aber die Mitarbeitenden selbst: „Wir hatten nicht damit gerechnet“, erinnert sich eine langjährige Angestellte im Gespräch mit der Redaktion an die Versammlung an diesem Samstagmorgen. „Es war ein Schlag ins Gesicht, wir sind alle wie betäubt.“ Der Ausverkauf ist für viele der rund 50 Kolleginnen und Kollegen eine schwierige Phase. Die langjährige Angestellte, die anonym bleiben möchte, spricht von „Trauer und Wut.“ Viele seien „körperlich und mental am Ende.“

Denn hinter der Belegschaft liegen anstrengende Jahre mit drei Insolvenzen, in denen die Arbeit immer schwieriger wurde, schildert die Frau, deren Name der NRZ bekannt ist. Dabei hat sie ihren Job im Kaufhof über Jahrzehnte geliebt, versichert sie: „Ich habe immer gerne Kunden zufriedengestellt.“ Dazu sei in den letzten Jahren keine Zeit mehr gewesen, weil die Personaldecke schrumpfte und das Arbeitspensum wuchs. Durch die Insolvenzen musste die Belegschaft Einbußen hinnehmen, auch finanzieller Art. Überstunden zum Beispiel verfielen im Zuge der finanziellen Schieflage ohne Vergütung.

Kaufhof Wesel: „Immer mehr Arbeit und kein Dank“

Dennoch seien alle bis zu diesem 27. April optimistisch gewesen. Auch, als am Morgen plötzlich per Whatsapp zur Mitarbeiterversammlung eingeladen wurde. „Wir sind fest davon ausgegangen, dass die Filiale weitergeführt wird.“ Was die Weseler Belegschaft dann erfuhr, sei deprimierend gewesen. An diesem Samstag bliebt die Filiale geschlossen.

Für den Kaufhof in Wesel ist im August Schluss. Schon jetzt ist der Seiteneingang geschlossen.
Für den Kaufhof in Wesel ist im August Schluss. Schon jetzt ist der Seiteneingang geschlossen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Der Umstand, dass ein gut gehendes Haus aufgegeben wird, löst bei der Weseler Mitarbeiterin und ihren Kollegen noch immer Wut und Unverständnis aus. Die offizielle Begründung lautete, dass man nicht so viele Angestellte aus der Transfergesellschaft wieder herausnehmen könne. Bekanntlich waren über Nachverhandlungen noch sechs Filialen gerettet worden, Wesel jedoch nicht.

Die Wertschätzung habe sie vermisst, schildert die langjährige Mitarbeiterin. Nicht vonseiten der Weseler Vorgesetzten, „bei uns war es immer sehr familiär“, auch heute noch. Die Anerkennung des Managements fehlte: „Immer mehr Arbeit, aber kein Dank.“ Und dann das Aus. Das habe die Kollegen zermürbt, viele seien körperlich und seelisch an der Grenze, der Krankenstand hoch. Der Ausverkauf sei ein schreckliches Gefühl: „Ich habe gedacht, ich gehe hier in Rente.“ Der Weseler Kaufhof sei immer eine viel gelobte Filiale gewesen, „ein Schmuckkästchen. Wir haben sie gehegt und gepflegt.“ Das sei auch auswärtigen Vorgesetzten aufgefallen, wenn sie das Kaufhaus besuchten.

Kaufhof-Mitarbeiterin: Der letzte Tag ist der schlimmste

Der Verkauf der reduzierten Ware läuft derzeit gut, die Kunden warten morgens schon vor den Türen – auch Käufer von außerhalb, sagt die Mitarbeiterin. Sie seien größtenteils emphatisch. Inzwischen haben die Angestellten ihre Kündigungen erhalten. Nun seien viele auf der Suche nach einem neuen Job, die Jüngeren auch außerhalb des Einzelhandels. „Sie sehen dort keine Zukunft mehr.“

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Einige Kollegen erhalten Angebote in anderen Galeria-Filialen – in Oberhausen oder Kleve, aber auch weiter weg. Nicht alle würde diese Angebote annehmen, schon alleine wegen der Entfernung, schildert die Frau. Sie selbst habe ebenfalls abgelehnt. Wer keinen Job findet, soll in einer Transfergesellschaft für acht Monate Unterstützung bei der Stellensuche bekommen.

Der Kaufhof, ist sich die Mitarbeiterin sicher, wird in Wesel eine große Lücke hinterlassen. Spiel- und Sportwaren oder Haushaltsartikel zum Beispiel seien künftig in der Stadt schwer zu bekommen. Viele Kunden würden etwa Unterwäsche auf Vorrat kaufen oder sich bereits mit Spielzeug für Weihnachten eindecken. Für die langjährige Angestellte steht der schlimmste Moment noch bevor: wenn sich die Türen für immer schließen. Bis dahin, so ihr Ziel, will sie einen neuen Job gefunden haben. „Damit ich das nicht auch noch erleben muss.“