Kreis Wesel. Aktionstag: Auch die Krankenhäuser im Kreis Wesel fürchten sich vor der Insolvenz. Warum das so ist und was sie von Karl Lauterbach erwarten.
Die Kliniken in den Kreisen Wesel und Kleve steuern auf schwierige Zeiten zu. Zum bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot: Krankenhäuser in Not“ machte der Krankenhaus-Zweckverband Niederrhein am Dienstag im Marien-Hospital Wesel auf die drohenden Gefahren aufmerksam, falls die Kliniken finanziell nicht besser ausgestattet werden. Und das möglichst schnell. Ansonsten könnten in den kommenden Jahren Schließungen drohen. Mit Folgen für Patientinnen und Patienten.
Krankenhäuser im Kreis Wesel fürchten Insolvenzwelle
Durch die hohe Inflation und Tarifsteigerungen werde der ohnehin große Kostendruck auf die Kliniken noch größer, sagte der Geschäftsführer der GFO Kliniken Niederrhein mit Standorten in Dinslaken und Moers, Ralf Nennhaus. Landesweit steuere man auf ein Defizit von rund zwei Milliarden Euro zu. Wie groß die Auswirkungen auf den Zweckverband sein werden, konnte Nennhaus nicht sagen, er aber geht für seine Häuser momentan von einem siebenstelligen Defizit allein am Ende dieses Jahres aus. Alleine ist er damit nicht. Und das Essener RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung prognostiziert laut Nennhaus, dass Ende 2024 gar 80 Prozent aller Krankenhäuser rote Zahlen schreiben. „Uns alle eint die Sorge vor dem kommenden Jahr“, sagte der Geschäftsführer des evangelischen Krankenhauses in Wesel, Heino ten Brink.
Das Problem ist die duale Finanzierung der Krankenhäuser, die sich zum einen aus den Behandlungskosten und den Landesmitteln für Investitionen in Geräte und Gebäude ergibt. Die Landesfinanzierung sei aber schon seit Jahren zu gering und werde erst nachfolgend refinanziert, so Nennhaus. Also gehe man in Vorleistung und finanziere Geräte und Gebäude aus eigenen Mitteln. Nun aber kommen die hohe Inflation und die Tarifsteigerungen hinzu, außerdem endet der Energiekostenzuschuss im kommenden Jahr. All diese Kosten könne niemand mehr vorfinanzieren, sagte Nennhaus stellvertretend für die Mitglieder des Zweckverbandes, die sich allesamt auf eine Abwärtsspirale zusteuern sehen, wenn die Politik nicht aktiv wird.
Bund und Land NRW stricken gerade an Krankenhausplänen, und irgendwie, sagte Ralf Engels, Vorstand der Stiftung St. Bethanien in Moers, scheine es in der Öffentlichkeit ausschließlich um strukturelle Veränderungen zu gehen, und nicht um die mangelhafte Finanzausstattung der Häuser. „Wir können die Preissteigerungen nicht einfach weitergeben wie eine Tankstelle oder die Gastronomie.“ Bund und Land NRW müssten jetzt aktiv werden. Zumal die Situation bereits seit Jahren bekannt sei, so Josef Lübbers, Geschäftsführer des St.-Bernhard-Hospitals in Kamp-Lintfort. „Dass wir fünf vor Zwölf haben, wäre noch untertrieben.“
Kreis Wesel: Wie die Schließung von Kliniken zum Problem für den Landrat werden kann
Die Mitglieder des Zweckverbands wollen ihren Beitrag leisten, um den Druck auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu erhöhen. Der hatte sich zuletzt aber deutlich positioniert und unter anderem gesagt, dass er keine Handhabe sehe, um zu helfen. Der Geschäftsführer des St. Clemens-Hospitals in Geldern, Christoph Weß, zitierte dazu aus einem Interview in der „Zeit“, in dem Lauterbach vom „Vorabend des Krankenhaussterbens“ sprach, das dafür sorge, dass „leider auch Kliniken sterben, die gar nicht mal schlecht sind“.
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Weß schlug den Bogen in die Region und umriss die Folgen für die Kreise Wesel und Kleve. „Wenn das hier der Fall ist, haben die Landräte ein Problem.“ Wenn freie Träger oder Träger der freien Wohlfahrtspflege nicht mehr in der Lage dazu seien, seien schließlich die Kreise in der Pflicht, die stationäre Versorgung vorzuhalten.
So weit wollten die Geschäftsführer aber noch nicht gehen. „Wir hoffen, dass wir lange genug durchhalten, damit die Politik endlich aufwacht“, sagte Conrad Middendorf, Geschäftsführer St. Franziskus-Stiftung, Region Rheinland. „Es wird einfach nicht besser, solange nicht mehr Geld ins System kommt“. Daran würden auch die neuen Krankenhauspläne nichts ändern. Und bis die neuen Pläne in ein oder zwei Jahren wirksam würden, seien unter den derzeitigen Voraussetzungen einige Krankenhäuser „sicher nicht mehr da“, so Ralf Nennhaus.
>>>Auswirkungen für Patientinnen und Patienten<<<<<<
Die Personalkostensteigerung beziffert der Zweckverband Niederrhein im Mittel auf bis zu 5,5 Prozent, dazu komme eine Forderung der Ärztegewerkschaften in Höhe von 15 Prozent. Man könne nicht einfach die Preise erhöhen. „Wir brauchen für die Leistungen, die wir erbringen eine inflationsangepasste Erstattung“, fordert Conrad Middendorf. Es gehe nicht um Hilfspakete wie zu Pandemie-Zeiten.
Standortschließungen hätten vor allem längere Anfahrten und längere Wartezeiten auf Termine für Patientinnen und Patienten zur Folge. Kritisch könne es vor allem bei den Anfahrtszeiten für Notfallpatienten werden, sagte Christoph Weß.