Kreis Wesel/Niederrhein. Viele Beschäftigte in der Pflege sind vor der Impfpflicht verunsichert. Verdi warnt vor wachsenden Ausstiegsquote, der Kreis bereitet sich vor.
Die geplante Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen sorgt bei Betroffenen im Kreis Wesel für große Unsicherheit. Knapp sechs Wochen vor dem Start klingelt das Telefon bei der Gewerkschaft Verdi immer häufiger. „Es sind nicht gerade wenige“, sagt der Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Linker Niederrhein, Dominik Kofent, im Gespräch mit der Redaktion. Rund 28.000 Mitglieder hat der Bezirk, etwa 4000 davon arbeiten laut Kofent im Gesundheitswesen. Die Quote der ungeimpften Beschäftigten in diesem Bereich schätzt er auf zehn bis zwölf Prozent.
Gerade diese Gruppe erkundigt sich derzeit bei Verdi über die möglichen Folgen ihrer Impfverweigerung. Und die Verunsicherung ist groß. Muss ich mich wirklich impfen lassen? Was ist, wenn ich es nicht tue? Fragen wie diese stellten betroffene Mitglieder immer häufiger. Genaue Antworten darauf zu liefern, falle momentan schwer, weil vieles vom Einzelfall abhänge, so Kofent.
Allerdings gingen die Verdi-Rechtsexperten davon aus, dass ungeimpfte Mitarbeiter, die sich weiterhin gegen eine Impfung wehrten, erst einmal mit einer unbezahlten Freistellung rechnen müssten. Grundsätzlich gebe es in diesem Thema extrem viele Grauzonen, sagt der Geschäftsführer. Diese auszuleuchten, bedeute viel Arbeit, „für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und für die Rechtsberatungen der Gewerkschaft“. Deshalb bereitet sich Verdi auf ein noch höheres Telefonaufkommen vor, wenn die Impfpflicht Mitte März in Kraft tritt.
Auch der Kreis Wesel trifft bereits Vorkehrungen. Ab 16. März sollen der Kreisverwaltung sämtliche Fälle gemeldet werden, in denen Beschäftigte von beispielsweise Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Arztpraxen ihre Impf- und Genesenen-Nachweise oder die ärztlich attestierte Impfbefreiung nicht fristgerecht eingereicht haben oder Zweifel an der Echtheit bestehen. Auf die genaue Arbeitsgrundlage seitens des NRW-Gesundheitsministerium warte man noch, sagt eine Kreissprecherin auf Nachfrage. Allerdings bereite sich das Gesundheitsamt bereits „personell und organisatorisch auf diese Aufgabe vor“.
Der Arbeitsaufwand ist dabei nur ein Aspekt. Gewerkschafter Kofent befürchtet unterdessen einen noch größeren personellen Druck auf den Pflegesektor. „Wir sind für das Impfen, aber gegen die Impfpflicht“, sagt der Verdi-Bezirksgeschäftsführer und begründet dies mit einer Impfquote, die bei rund 90 Prozent liegen soll und mit der Angst vor noch mehr Jobaussteigern. Die durchschnittliche Verweildauer im Pflegeberuf liege schon jetzt bei lediglich sieben Jahren. Die Impfpflicht, so Kofent, könne den Personaldruck in der Branche noch weiter verstärken. „Generell“, so der Gewerkschafter weiter, „hat Corona die ganzen Probleme des Pflegesektors unters Brennglas gelegt.“
Das sieht auch die Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Duisburg-Niederrhein so. Auch dort ist die Zahl der Anfragen zur Impfpflicht deutlich angestiegen, vor allem bei den ungeimpften Beschäftigten, sagt Martina Hüskes. Aber auch bei den Geimpften sei die Verunsicherung groß, „denn sie wissen, wen sie unter Umständen aus ihrem Team verlieren würden“.
Für die allermeisten sei sich impfen zu lassen eine logische und notwendige Maßnahme, um sich und andere zu schützen, so Hüskes. Allerdings werde eine Impfpflicht vor allem wegen des Personaldrucks kritisch gesehen. „Gestern noch ,Helden’, die ohne ausreichendes Schutzmaterial auf überbelegten Stationen den Laden am Laufen gehalten haben, heute eine Impfpflicht, die möglicherweise dazu führt, dass die ohnehin schon sehr dünne Personaldecke in den Krankenhäusern möglicherweise noch dünner wird“, sagt die Geschäftsführerin. „Das ist kaum auszuhalten.“
Zumal vor allem in der Krankenhauspflege die Impfquote bereits sehr hoch sei. „Eine Impfpflicht wird die Zahl der Geimpften also kaum signifikant erhöhen.“ Im Gegenteil, auch sie rechnet damit, dass mit der Impfpflicht auch die Zahl der Aussteiger zunimmt und die Personaldecke noch dünner wird.