Wesel. In Wesel sind beim Betuwe-Ausbau zusätzliche Lärmschutzwände geplant. Ab Dienstag liegen die Plänen öffentlich aus – dann ist eine Klage möglich.
816 Seiten hat das Werk – und der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der Betuwe-Linie auf dem Weseler Stadtgebiet ist ganz sicher keine leichte Kost. Schließlich geht es um ein Thema, das bereits seit 30 Jahren Behörden, Verwaltungen, die Deutsche Bahn sowie Anwohnerinnen und Anwohner beschäftigt. Wer sich das Mammutwerk der Verwaltungssprache dennoch zu Gemüte führen möchte, hat dazu ab diesem Dienstag die Gelegenheit. Der Beschluss des Eisenbahnbundesamtes, der im Prinzip einer Baugenehmigung entspricht, liegt bis zum 9. Mai im Rathaus aus. Im Internet ist er unter www.eisenbahn-bundesamt.de abrufbar.
Um den dreigleisigen Ausbau der Zugstrecke für den Güterverkehr zwischen Oberhausen, Wesel und Emmerich war es auf dem Weseler Stadtgebiet zuletzt etwas ruhiger geworden. Die erste Offenlage der Pläne ist mittlerweile mehr als acht Jahre her, knapp 3000 Einwendungen gegen das Bauprojekt kamen damals zusammen – der Großteil wurde von Privatpersonen erhoben, aber auch die Stadt Wesel und andere öffentliche Träger gaben ihre Stellungnahmen ab. Es folgten weitere Offenlagen und ein intensiver Austausch der Behörden, bis vor wenigen Wochen die Meldung kam: der Planfeststellungsbeschluss ist fertig. Nach dessen öffentlicher Bekanntmachung können Betroffene innerhalb eines Monats gegen die Baumaßnahmen vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen.
Es ist kaum vorstellbar, dass Privatleute diesen Weg gehen – zu komplex ist die Materie. Die Stadt Wesel will jedenfalls nicht klagen, die Verwaltung sieht dafür keine ausreichenden Gründen – oder eine zu geringe Aussicht auf Erfolg. Entscheiden muss das die Politik, Thema ist der Planfeststellungsbeschluss im Stadtentwicklungsausschuss am 4. Mai sowie sechs Tage später im Stadtrat.
Betuwe-Ausbau in Wesel: Das sagt die Bürgerinitiative
Wenn es ums Klagen geht, könnte es am Ende also auf Gert Bork ankommen – genauer gesagt auf die Bürgerinitiative „Betuwe-Linie - so nicht“, dessen Sprecher der Weseler ist. Die Initiative setzt sich seit 30 Jahren für die Menschen ein, die von dem geplanten Ausbau betroffen sein werden. Im Kern geht es bei den Streitpunkten zwischen Anwohnern und der Bahn um Lärmschutz, Sicherheitsbedenken, Erschütterungen oder die Wertminderung von Eigentum, um nur einige Punkt zu nennen.
Der 67-Jährige hat sich den nun vorliegenden Beschluss bereits genau angeschaut. Positiv aus seiner Sicht: ein Lückenschluss bei den Lärmschutz in Blumenkamp. Gut 500 Meter zusätzliche Schallwände sehen die Planungen dort jetzt vor, zwischen der Bahn-Unterführung an der Hamminkelner Landstraße und der Brücke der B 473 über die Zugstrecke. Lippedorf bekommt hingegen keinen Schallschutz – eine weitere Lücke gibt es im Gewerbegebiet an der Straße am Blaufuß. Ansonsten wird sich durch Wesel eine Lärmschutzwand ziehen, auf etwas mehr als 12 Kilometern Länge und bis zu fünfeinhalb Meter hoch.
Bürgerinitiative will entscheiden, ob sie den Klageweg geht
Dort, wo kein „aktiver“ Schallschutz, also die Schutzwand hinkommt, müssen sich Anwohner mit „passivem“ Lärmschutz zufrieden geben. Das können zum Beispiel verstärkte Fenster fürs Schlafzimmer sein, an den Kosten beteiligt sich dann die Bahn. Das könnte mehrere Hundert Haushalte betreffen. Bork kritisiert die Berechnungsgrundlage für den Lärm, die Bahn würde dabei mit Durchschnittswerten arbeiten. „Aber was ist schlimmer? Dreimal in der Stunde von 95 Dezibel wach zu werden oder achtmal von 80 Dezibel“, fragt sich der BI-Sprecher.
Beim Baulärm und bei den Erschütterungen habe der Beschluss wenig Positives gebracht, die Einwendungen sind laut Bork alle abgelehnt worden. „Dabei gibt es viele Anwohner, die sagen: ‘Uns kippen jetzt schon die Gläser aus dem Schrank, wenn die Züge vorbeifahren’“. Ob die Bürgerinitiative klagen will, soll bei einer öffentlichen Mitgliederversammlung entschieden werden – ein Recht darauf hätte sich aufgrund ihrer Anerkennung als Umweltverband jedenfalls, auch ohne direkte Betroffenheit.
Am Donnerstag, 12. Mai, lädt die Bürgerinitiative ab 19 Uhr zu einer öffentlichen Informations- und Jahreshauptversammlung in die Gaststätte „Pollmann“ ein. Dabei soll es auch um Bedingungen für eine mögliche Klage vor dem Verwaltungsgericht gehen – Betroffene werden gebeten, sich bei der Versammlung zu den Ergebnissen zu äußern.