Kreis Wesel. Die neue Vorsitzende der CDU im Kreis Wesel, Charlotte Quik, spricht im Interview über die Wölfe, die Kies-Debatte und die Erneuerung der CDU.

Seit zwei Wochen ist Charlotte Quik nun Vorsitzende der CDU im Kreis Wesel. „Es liegt viel Arbeit vor uns“ hatte sie bei ihrer Nominierungsrede auf dem Kreisparteitag gesagt. Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl im September und dem verlorenen Direktmandat von Sabine Weiss hat die Partei einiges aufzuarbeiten. Robin Brand hat mit Quik über den CDU-Vorsitz, die Streitthemen Wolf und Kies sowie über die aktuelle Corona-Situation gesprochen.

Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz stehen fest. Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder Helge Braun wählen werden beim Mitgliederentscheid?

Nein und ich finde es tatsächlich schwierig, weil alle ihre Vor- und Nachteile mitbringen. Ich lege gesteigerten Wert darauf, dass wir noch Input von den Kandidaten bekommen. Von Helge Braun gab es beispielsweise schon einen Mitgliederbrief und ich gehe davon aus, dass es noch digitale Formate gibt, nach denen man sich eine Meinung bilden kann. Ich versuche an die Entscheidung so sachlich wie möglich dranzugehen.

Was muss der neue Vorsitzende anders machen?

In allererster Linie sollte der Fokus wieder auf Themen gerichtet werden – und nicht auf personelle Debatten. Wir müssen es schaffen, die Themen aus unserem Wertesystem an die Zeit anzupassen. An vielen Stellen habe ich das Gefühl, dass wir noch nicht im Jahr 2021 angekommen sind.

Was meinen Sie konkret?

Zum Beispiel die Sozialpolitik, da konnte im Wahlkampf kaum jemand sagen, wofür die CDU eigentlich steht. Dazu gab es gute Ideen im Wahlprogramm, die aber nicht kommuniziert wurden. Und beim Klimaschutz haben wir zwar als Partei begriffen, dass es die größte Herausforderung unseres Jahrhunderts ist, trotzdem haben wir darauf bundesweit keine konsistenten Antworten, wie wir damit umgehen sollen. In NRW haben wir viel geschafft – vom reduzierten CO2-Ausstoß bis zum Projekt ‘grüner Stahl’ bei Thyssenkrupp. Das müssen wir fortsetzen und ausweiten.

Bedauern Sie, dass keine Frau unter den Kandidaten ist?

Es hat sich offensichtlich keine Frau bewogen gefühlt, zu kandidieren. Das finde ich tatsächlich schade. Ich glaube aber, dass es kein Allheilmittel ist zu sagen, die CDU muss jünger und weiblicher werden und das soll sich in der Position des Vorsitzes ausdrücken. Wir hatten schließlich gefühlt die letzten Jahrzehnte eine Vorsitzende und das hat nicht dazu geführt, den Frauenanteil signifikant zu erhöhen. Wie müssen viel mehr Themen anbieten, die junge Frauen ansprechen.

Wie lassen sich grundsätzlich jüngere Menschen für die CDU zu gewinnen?

Auch das geht nur über die Themen. Wenn ich noch nicht politisch gebunden bin und mich in meiner Kommune etwas stört, dann schaue ich, wer mir bei diesem Thema helfen kann. Da müssen wir als Partei dann Positionen anbieten. Da müssen wir auf allen Ebenen kommunikativ besser werden. Aus meiner Sicht ist es Aufgabe des Kreisverbandes, die Verbände vor Ort dabei zu unterstützen. Wir müssen uns intensiver mit den Themen auseinandersetzen, das will ich als neue Kreisvorsitzende anstoßen.

Ist die Basisentscheidung eine Motivation für die Arbeit vor Ort?

Auf jeden Fall. Wir merken gerade, dass unsere Mitgliederzahlen steigen und die Menschen mitentscheiden wollen, wer neuer CDU-Vorsitzender wird.

Sie betonen gerne Ihre Herkunft vom Land. Die Politik wird aber in den großen Städten gemacht. Gerät der ländliche Raum da manchmal aus dem Blick?

Ich glaube, je weiter die Stadt weg ist, in der das Parlament steht, desto eher passiert das. Es gibt Entscheidungen in Berlin-Mitte, denen merkt man an, dass sie dort getroffen wurden und dass sie mit der Realität in der Unterbauerschaft in Brünen nicht so ganz viel zu tun haben. Mein Verständnis eines Parlamentariers ist es, ein Bindeglied zu sein und zu wissen: Ich stimme zwar in Berlin ab, vertrete aber die Interessen meiner Heimat. Das gilt für Düsseldorf genauso.

Charlotte Quik will für die CDU im Kreis Wesel wieder in den Landtag einziehen.
Charlotte Quik will für die CDU im Kreis Wesel wieder in den Landtag einziehen. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Ein Reizthema, bei dem die Entscheidungen in Düsseldorf fallen, ist der Wolf. Eigentlich sind doch schon alle Argumente ausgetauscht, ermüdet Sie die Debatte?

Im Gegenteil. Ich akzeptiere den Rechtsrahmen, bin aber der festen Überzeugung, dass er falsch ist und wir ihn ändern müssen. Ich bleibe dabei, dass eine friedliche Koexistenz zwischen Weidetierhaltung und diesem Wolfsrudel hier nicht möglich sein wird.

Muss das komplette Rudel abgeschlossen werden?

Ja, das lässt sich auch nicht differenzieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Rudel gelernt hat, sich so zu verhalten, dass kein Herdenschutz der Welt einen hundertprozentigen Schutz bieten kann. Mal abgesehen davon, dass wir mittlerweile beim Herdenschutz in einer finanziellen Dimension sind, die ich dekadent finde. Es geht an jeglichem Artenschutz vorbei, wenn man Millionenbeträge in ein Tier investiert, das nicht hierhin passt.

Sie haben betont, dass Sie keinen Populismus wollen. Geht das beim Wolf überhaupt?

Das kommt darauf an, wie man Populismus definiert. Sind etwa Aussagen der CDU Hünxe zum Abschuss oder des Gahlener Bürgerforums nicht einfach eine Zuspitzung, die aus der individuellen Betroffenheit erwächst? So würde ich das sehen. Ich kann mit meiner eigenen Position jedenfalls noch in den Spiegel schauen.

Noch so ein Thema, wo es schnell hitzig werden kann, ist der Kiesabbau. Die SPD wirft Ihnen ein Täuschungsmanöver nach einem Antrag zur Bedarfsermittlung beim CDU-Landesparteitag vor.

Ich will mich gar nicht auf dieses Ping-Pong-Spiel einlassen. Es ist Fakt, dass ein großer Bedarf am Rohstoff besteht und es sich als Problem im Kreis Wesel zentriert, weil der Kies nun mal hier in dieser Qualität vorkommt. Wenn es nach den Menschen am Niederrhein geht, könnte der Abbau morgen beendet sein. Doch es besteht eben das Erfordernis der Rohstoff-Sicherung. Ich halte es deshalb für sinnvoll, die Bedarfsermittlung aus wissenschaftlicher Sicht zu betrachten. Das habe ich versucht, mit unserem Antrag beim Parteitag zu erreichen.

Wolf und Kies werden beim Landtagswahlkampf ganz sicher eine Rolle spielen. In Ihrem Wahlkreis ist praktischerweise Voerde nicht mehr mit dabei und der dadurch deutlich ländlicher geprägt.

Ich habe den Vorwurf, dass ich Voerde sozusagen aus dem Wahlkreis eliminiert hätte, als sehr ungerecht empfunden. Das war keine Idee von mir, sondern Ergebnis eines Gerichtsurteils, das auf Klage von SPD und Grünen gefällt wurde. Meinetwegen hätte Voerde gerne im Wahlkreis bleiben können. Wir als CDU haben den Wahlkreis 2017 auch mit Voerde gewonnen und in den vergangenen Jahren dort gute Arbeit geleistet.

Das ist Charlotte Quik

Charlotte Quik ist seit 2008 Mitglied der CDU und hat Anfang November das Amt der Kreisvorsitzenden von Sabine Weiss übernommen. Seit 2017 sitzt die 39-Jährige im nordrhein-westfälischen Landtag. Sie ist dort unte anderem stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend. Die studierte Germanistin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern auf einem Bauernhof in Hamminkeln-Brünen. Ihr Vater Heinrich Bottermann ist auch CDU-Mitglied und Staatssekretär im NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.

Mit dem neuen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst verstehen Sie sich gut.

Auf jeden Fall. Er ist jemand, der im ländlichen Raum zu Hause ist und ein sehr normaler Mensch geblieben ist. Er weiß, dass sich das Leben nicht im Dienstwagen abspielt.

Sollte die CDU die Wahl gewinnen, würden Sie gerne Ministerin werden? Sie passen schließlich gut ins Profil, wenn es darum geht, jünger und weiblicher zu werden.

Die Frage stellt sich mir Stand heute nicht. Wir haben eine erfolgreich arbeitende Landesregierung und mein größtes Ziel ist es, meinen Wahlkreis wieder zu gewinnen.

Wir sind weiterhin mittendrin in der Pandemie. Halten Sie die verschärften Maßnahmen für ausreichend?

2G und 2Gplus sind gute Instrumente, um der Lage jetzt Herr zu werden. In unser normales Leben zurück kommen wir aber nur übers Impfen. Ich habe überhaupt kein Verständnis für Leute, die sich nicht impfen lassen wollen. Persönlich hätte ich kein Problem damit, eine Impfpflicht zu verhängen. Manche Menschen werden den Ernst der Lage offenbar erst sehen, wenn Sie selbst an der Beatmung hängen.

Sie sind Karnevalsfan. Sind Veranstaltungen angesichts der Lage noch vertretbar?

Ich war am Wochenende bei einer Sessionseröffnung bei der 2Gplus galt, also Tests auch für Geimpfte. Da habe ich mich wohl und sicher gefühlt. Viele Menschen haben sich impfen lassen, weil sie sich davon versprochen haben, ihr normales Leben zurückzubekommen. Ist es da noch angemessen, solche Dinge wieder einzuschränken? Das ist eine schwierige Abwägung. Bei den Bildern aus Köln war ich auch nicht glücklich. Da ist die Gemengelage aber eine andere als bei den Veranstaltungen hier vor Ort. Das ist eine extreme Einzelfallentscheidung.