Kreis Wesel. Corona hat viele Probleme bei der Arbeit in Kitas offen gelegt. Zwei leitende Mitarbeiterinnen aus dem Kreis Wesel über die Herausforderungen.
Nach zwei Jahren Corona-Pandemie hat es Melanie Nyski kürzlich auch erwischt – zum Glück mit einem milden Verlauf. Mit etwas Schnupfen und Halsweh galt ihre Sorge in der Quarantäne dennoch dem Alltag in einer städtischen Kita in Kamp-Lintfort, in der sie als stellvertretende Leiterin arbeitet. Sie würde auch in diesen Tagen gerne mithelfen, wären da nicht die zwei Striche auf dem Corona-Test. Denn sie weiß: Ihr Ausfall bedeutet mehr Arbeit für die Kolleginnen und den Kollegen – möglicherweise auch eine Rückkehr aus den durch Überstunden bedingten freien Tagen. Obwohl die Belastung hoch ist und der Bedarf nach Ausgleich groß: „Der Laden muss ja trotzdem laufen.“
Auch Marion Barche, Leiterin einer Kita in Wesel, hat Corona gehabt – so wie der Großteil ihres Teams. Nach zwei Jahren Pandemie wünscht sie sich so sehr den „normalen Kindergartenalltag“ zurück. Trotz aller Vorsicht: „Ich möchte Corona gerne hinter mir lassen.“ Es müsse bei den Kindern viel aufgeholt werden, sagt sie. Barche, die auch für drei weitere Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft in Wesel sprechen kann, beschäftigt aktuell vor allem der Fachkräftemangel, der sich stark bemerkbar mache. Mit Blick auf weitere Herausforderungen – etwa auch die Arbeit mit den Kindern aus der Ukraine – sagt sie: „Wir arbeiten am Limit.“
Zwei Schilderungen von leitenden Mitarbeitenden aus Kindertageseinrichtungen im Kreisgebiet, die zeigen, wie hoch die Belastung in ihrem Berufsfeld derzeit ist – und wie eng die Herausforderungen miteinander in Zusammenhang stehen: wenig Personal, Ausfall und Mehrarbeit unter anderem durch die Pandemie bei gestiegenen Anforderungen. Und nicht zu vergessen der eigene Anspruch, den Kindern in ihrer Entwicklung gerecht zu werden, sie individuell zu fördern.
Sandra Hoeboer (Verdi): Beruf muss attraktiver werden
Das kann auch Sandra Hoeboer, die für Verdi Ansprechpartnerin im Kreis Wesel ist, bestätigen: „Corona hat die Situation weiter verschärft und sichtbar gemacht, was vorher schon vorhanden war.“ Den Fachkräftemangel macht sie in folgenden Zahlen deutlich: Bundesweit fehlten rund 173.000 Erzieherinnen und Erzieher. Bei einem Bedarf von 1,2 Millionen Kitaplätzen bis 2025 müssten es einer Vorausrechnung zufolge 300.00 Fachkräfte mehr sein. Der Beruf müsse dringend attraktiver werden. Und da spielt auch die Belastung eine Rolle. Sie höre bereits von jungen Erzieherinnen, die sagten: „Ich kann das nicht bis zur Rente machen.“
Immerhin: Ab Sommer seien sie in den Kitas endlich voll besetzt, sagt Marion Barche. Sie bildeten viel selbst aus, um dem Mangel entgegenzuwirken: „Uns ist es wichtig, dass wir Menschen an der Seite haben, die die Kinder gut begleiten können.“ Nyski sowie Barche betonen aber auch, dass die Ausbildung sehr anspruchsvoll sei. Stichwort „PiA“, das für „Praxisintegrierte Ausbildung“ steht, mit langen Schultagen neben dem fordernden Alltag in der Kita, in dem die angehenden Erzieherinnen und Erzieher eben immer auch wichtiger Bestandteil des Teams seien. Das hat Folgen: Sie wisse von einigen Schülern, die abgebrochen hätten, berichtet Nyski.
Berufsbild des Erziehers hat sich stark verändert
Das Berufsbild hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Melanie Nyski verweist etwa auf die Ganztagsbetreuung, mehr Dokumentation und administrative Aufgaben, die natürlich auch wichtig seien. Marion Bache nennt vor allem auch die Arbeit mit den Eltern, es werde mehr Hilfe eingefordert, der Bedarf an Gesprächen sei gestiegen. „Das dauert seine Zeit.“
Vor ein paar Wochen gab es eine Einigung im Tarifkonflikt – mehr Geld und zwei pauschale Entlastungstage. Als Mitarbeitende bei einem kirchlichen Träger werde das später angeglichen, sie habe sich noch nicht weiter damit beschäftigt, so Barche. Melanie Nyski, die inzwischen wieder genesen ist, hat zuletzt mitgestreikt. Dass es überhaupt zu einer Einigung gekommen sei, habe sie überrascht. Als Teil der Kita-Leitung habe sie erst mal nicht so viel davon, könne das aber akzeptieren: „Ich denke schon, dass es den richtigen Weg anzeigt.“ Ein Weg, der weitergegangen werden muss, so auch Sandra Hoeboer.