Wesel.. Seit der jüngsten Fahrplanänderung sind zahlreiche Verbindungen auf dem Land gestrichen. Ludger Gerwers ist behindert – und nun kaum noch mobil.


Verdammt schwierig sei es. Und nicht gerecht. Wenn Ludger Gerwers sich über die seit dem letzten Fahrplanwechsel noch schlechteren, am Wochenende kaum noch existenten Busverbindungen nach Bislich ärgert, denkt der 52-Jährige nicht nur an sich. Dabei hätte er allen Grund dazu: Der Weseler erlitt als junger Mann eine Angiomblutung, danach war nichts mehr wie zuvor.

Gerwers leidet an Aphasie (Sprachverlust nach Schlaganfall und Hirnverletzung). Deshalb ist er auf den Bus angewiesen. Um zu Therapien zu gelangen, seine Selbsthilfegruppe zu erreichen, den Arzt und die Familie zu besuchen. Einfach, um auch ohne Auto zu fahren am Leben teilzunehmen. Bis nach Würzburg fährt er am Wochenende mit der Bahn, engagiert sich für Menschen, denen ähnliches widerfahren ist.

Das Anrufsammeltaxi kostet zusätzlich

Oder begibt sich in Behandlungen, die ihn am Leben erhalten. Gerwers ist es gelungen, aktiv zu sein und zu bleiben. Und sich zu Wort zu melden, wenn etwas ungerecht ist. Auch, wenn ihm genau das sehr schwer fällt, es dauert, bis ihm die richtigen Worte einfallen. „Es gibt Menschen, die können sich ein Auto nicht leisten“, sagt er. Solche, die mit dem Mindestlohn auskommen müssen. Und dann gibt es die, die keines fahren können. Ihnen – wie auch ihm – ist es kaum zuzumuten, das Anrufsammeltaxi zu rufen.





Ludger Gerwers spricht oft flüssig, dann reißt der Faden und er kämpft darum, in Worte zu fassen, was er denkt. Ein Anrufsammeltaxi am Telefon zu bestellen, ist ihm kaum möglich. Er sieht auch nicht ein, warum er das soll, denn: „Wer ein Monatsticket hat, muss für das Taxi zusätzlich zahlen. Viele können das nicht.“ Gerwers wirbt für sein Anliegen, hat einen regen Mailverkehr mit der Kreisverwaltung, spricht mit der Weseler Stadtverwaltung, findet sich nicht ab. Alles in der Hoffnung, dass jemand ein Einsehen hat und erkennt: Das ist ungerecht. Er fühlt sich mutwillig in seiner Mobilität beschränkt, die ohnehin schon schwierig war.

Vieles funktioniert nicht

Auch die Bahn, die einst der Arbeitgeber des jungen Mannes war, erfährt er – wie viele Menschen, die kein Handicap haben – als mangelhaft. Die Schule hat er verkürzt, nach dem Wehrdienst die Fachoberschule absolviert, dann mit 21 dieses Blutgerinsel im Hirn – zwei Jahre Reha folgten. Er schaffte es zum Industrieelektroniker Richtung Gerätetechnik, eine Ausbildung, die er zwei Mal absolvierte. Einmal „vorher“, einmal „nachher“, nur dauerte diese Ausbildung aufgrund seiner Behinderung dann fünf Jahre. Es passierte nochmal, seitdem ist der Mann damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.

Die Bahn, sagt er, funktioniert prima. In den Niederlanden. „Dann kommt man in Emmerich an und: Puff. Es funktioniert nichts.“ Verstehen kann er das nicht. Und dass er am Wochenende abends nicht mehr seine Eltern in Bislich besuchen kann, will er nicht kampflos akzeptieren.

So funktioniert das Anrufsammeltaxi

Das Anrufsammeltaxi (AST) fährt von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen. Bis 60 Minuten vor der Abfahrtzeit muss es bestellt sein, 02841/ 8822444. Fahrten vor 7 Uhr müssen am Vorabend angemeldet werden, Fahrten um 23.30 Uhr und später bis 22.30 Uhr.
Das AST kostet je einfache Fahrt in der Preisstufe 1 (Wesel-Lackhausen-Blumenkamp) 2,90 Euro, ermäßigt 2,30 Euro. Preisstufe 2 Wesel-Bislich 5,70 Euro (2,90 Euro). Die Ermäßigung gilt unter anderem für Inhaber von Monats- und Wochenkarten, Schwerbehinderte und deren Begleiter.