Wesel. Schaustellerfamilie Wittler aus Wesel arbeitet seit sechs Generationen auf Volksfesten. Fällt auch das Weihnachtsgeschäft aus, ist sie pleite.

Ludwig Wittler und seine Frau Angela blicken voller Sorge in die Zukunft. Beim Treffen auf der großen Terrasse des „Rheinstübchens“ werden sie nostalgisch. „Hier würden wir jetzt bei den PPP--Tagen stehen. Wer hätte das gedacht“, sagt der 49-jährige Schausteller wehmütig. Er bringt seit 25 Jahren auf Volksfesten seine Süßwaren unter dem Markennamen Mandeln Wittler unter das Volk.

Schausteller auf der Brüner Kirmes und Bellhammi

Genau das funktioniert jetzt nicht. Die coronabedingten Absagen von Volksfesten landauf, landab sind für die Wittlers schlicht „eine Katastrophe“. Drei Fahrgeschäfte nennt das Ehepaar sein Eigen. Normalerweise stehen sie bei 50 Veranstaltungen auf dem jeweiligen Festgelände. Ob PPP-Tage, die Hamminkelner Kirmes Bellhammi, die Brüner Kirmes – die Wittlers sind seit Jahrzehnten dabei. „Für mich kam nie was anderes infrage“, sagt der 49-Jährige.

Während sich in vielen Bereichen das Leben wieder ein wenig normalisiert, ist für die Schausteller absolute Flaute angesagt. Als faktisches „Berufsverbot“ bezeichnet Ludwig Wittler die momentane Situation. Am 23. Dezember des vergangenen Jahres habe er in Bocholt und Dessau das letzte Geld eingenommen. Danach war Schluss.

Schausteller-Familie lebt jetzt vom Ersparten

Eine Situation, die sich die Wittlers im Traum nicht hätten vorstellen können. Dabei kennen sie die Höhen und Tiefen der Schaustellerei. Immerhin ist Ludwig Wittler Schausteller in sechster Generation. Die Kirmes liegt ihm im Blut. Vor einigen Jahren hat er ein Grundstück mit Halle gekauft und einen neuen Wagen. Die Kredite dafür sind natürlich langfristig angelegt und laufen weiter.

Wovon sie jetzt leben? „Vom Ersparten“, erzählt der Schausteller. Das sei eigentlich „Reservegeld“, wenn zum Beispiel mal eine Zugmaschine ausfällt oder neue Investitionen anstehen. Sein Angestellter, der seit Jahren während der Saison aus Polen kommt, sei dieses Jahr gar nicht angereist und schaue nun selbst „in die Röhre“, wie Wittler weiß.

Verkauf vor dem Supermarkt brachte kaum Einnahmen

Eine Zeit lang haben sie in Rees bei Real einen Stellplatz angemietet, um ihre gebrannten Mandeln, die Lebkuchenherzen, Schoko-Obst-Spieße und Liebesperlen zu verkaufen. Der Zuspruch der Kunden, den er dort erlebt hat, tat gut für die Seele. Seine Kasse allerdings hat er nicht gefüllt. „Es hat sich nicht gelohnt. Davon kann man nicht leben“, erzählt Wittler.

„Wenn sie uns jetzt noch das Weihnachtsmarkt-Geschäft nehmen, ist Schluss“, blickt der Schausteller düster in die Zukunft. Dann würde er im Januar sein Gewerbe abmelden müssen. Das erste Mal nach 25 Jahren. Deshalb fordert er von den Kommunen Unterstützung. Da sei aber bisher in Wesel nichts gekommen, kritisiert er und verweist nach Oberhausen.

Kritik an der Stadt Wesel

Dort dürfen Schausteller wie er die Kirmesspezialitäten verkaufen, an sechs Standorten für die Kunden da sein. Oder nach Dortmund und Düsseldorf solle die Verwaltung mal schauen. Dort beleben so genannte Pop-Up-Kirmessen das Geschäft. Könnte man in Wesel in der Innenstadt doch auch machen, findet der Schausteller. Immerhin stehe dort doch bereits ein kleines Fahrgeschäft.

Und wenn das nichts wird? Wittler: „Wir haben nichts anderes gelernt. Das liegt uns im Blut. Dann werden wir ein Sozialfall.“