Wesel. Kaum ein Schausteller im Kreis Wesel rechnet noch mit einer Kirmes in diesem Jahr – auch vor dem Hintergrund der ansteigenden Inzidenzwerte.

Nein, den Realismus hat Simone Böttner-Pollmann während der Pandemie nicht verloren. Zumindest den nicht. Und so gibt sich die Schaustellerin aus Wesel auch gar keinen Hoffnungen oder Eventualitäten hin. „Das wird nichts mehr in diesem Jahr, die Inzidenzwerte steigen ja auch schon wieder.“ Aus der leisen Hoffnung, es könnte noch einen halbwegs ordentlichen August und dann einen vielleicht zufriedenstellenden Herbst geben, dürfte wohl nichts werden.

Nicht einen Auftrag hat die Schaustellerin in ihren Büchern stehen. Früher war es vielleicht mal das Wetter, das die eine oder andere Kirmes verhagelte, in diesem und im vergangenen Jahr hat die Pandemie noch viel härter zugeschlagen - viele Schausteller hangeln sich am Rande der Existenz entlang.

In der Warteschleife

Viele Kirmes-Feste wurden bereits abgesagt, wie in Wesel die PPP-Tage, auch die Schützenfeste fallen komplett aus, gerade erst kam die Absage aus Rhede. „Ich habe keinen einzigen Vertrag abgeschlossen“, sagt Simone Böttner-Pollmann, seit 1992 im Geschäft. „Es gibt sehr hohe Auflagen für den Kirmesbetrieb, die Lage ist unsicher, die Verordnungen wechseln ständig.“ Und auch die Inzidenzwerte steigen momentan wieder in zweistellige Höhe.

Mit ihrem Imbisswagen steht die Weselerin sonst auch in Nachbarstädten wie Bocholt, Rhede, Dinslaken und Moers. Anfang September ist ein Event in Kaarst geplant - völlig ungewiss zur Zeit. „Wir sind alle in der Warteschleife.“ Und mal eben alles wieder hoch- und dann wieder runterzufahren, sei nicht effizient. Ganz zu schweigen vom Personal, von dem man einen Teil verloren habe.

Fahrzeuge in Schuss bringen

Trotz großer Einbußen – ans Aufhören hat Simone Böttner-Pollmann noch keine Sekunde gedacht. „Ich bin Schaustellerin von Geburt an - und ein Schausteller bleibt ein Schausteller.“ Von temporären Freizeit-Parks in Kirmesform hält sie nichts. Viele Städte wollen die gar nicht, zudem sei nur eine Handvoll Schausteller zugelassen. Und so hofft sie auf einen Re-Start ab Karneval kommenden Jahres. „Ich bin ganz ehrlich“, sagt Simone Böttner-Pollmann, „die Situation ist sehr deprimierend.“

So hat sie die Zeit genutzt, die Fahrzeuge in Schuss zu bringen. „Es wäre schön, wenn wir im Herbst wieder etwas Normalität hätten, auch im Sinne aller Kollegen. Und wir möchten bei den Menschen wieder Freude verbreiten.“

Soforthilfe zurückzahlen

Das wünscht sich auch Schausteller-Kollege Josef Wittler aus Wesel. „Gerade erst ist wieder eine Schützenfest-Absage über Whatsapp gekommen“, verrät der 70-Jährige, der um seine Existenz bangt. Auch weil er die Soforthilfe nun zurückzahlen soll. „Bis jetzt gibt es nur Absagen“, sagt Josef Wittler. Einen Großteil der Süßwaren musste der Weseler schon entsorgen, die Ware ist abgelaufen. In der sechsten Generation sind die Wittlers nun im Schausteller-Geschäft, doch eine vergleichbare Situation gab es noch nicht.

Der Sohn ist zwischenzeitlich in den Sanitärbereich gewechselt, zu tun gibt es ja bis auf Weiteres nichts. „Wir hoffen alle, dass es im nächsten Jahr wieder losgeht“, so Wittler. „Doch wir waren die ersten, die aufhören mussten, und sind wohl auch die letzten, die wieder starten können.“ Den einen oder anderen Gedanken ans Aufhören habe Josef Wittler auch aufgrund seines Alters schon verschwendet. „Aber nächstes Jahr wollen wir noch mal angreifen.“