Oberhausen. Auch das Evangelische Krankenhaus lagert nun dieses „flüssige Gold“ ein: Das Land NRW fördert in Oberhausen eine Humanmilchbank für Frühchen.
Gerade Frühchen und kranken Neugeborenen kann Muttermilch zu einem besseren Start ins Leben verhelfen. Sie gilt fast als Wundermittel: Denn nichts baut das Immunsystem so gut auf, wie diese auch „flüssiges Gold“ genannte Substanz. Das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) lagert den begehrten Stoff nun bald in einer ganz speziellen hauseigenen Bank ein.
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Die benötigten neuen Kühlschränke erfüllen alle gesetzlichen Bestimmungen. Die beiden neuen Pasteurisatoren sind soeben ans Netz gegangen, damit verfügt das Haus nun über insgesamt drei dieser Geräte. Die Begehung mit dem Gesundheitsamt der Stadt hat bereits stattgefunden. Doch noch fehlt die endgültige Freigabe des Landesgesundheitsamtes. „Wir erwarten aber, dass wir bis zum Ende des ersten Quartals grünes Licht erhalten“, hofft Dr. Hassan Issa, Chefarzt der EKO-Kinderklinik.
Denn das Evangelische Krankenhaus Oberhausen gehört zu den vier Kliniken im Ruhrgebiet, die mit Unterstützung des Landes NRW jetzt Humanmilchbanken zur Versorgung von Frühgeborenen aufbauen dürfen. Die Zusage für die Fördermittel von je bis zu 60.000 Euro ging noch 2024 neben dem Evangelischen Krankenhaus Oberhausen an das Katholische Klinikum Bochum, die Sana Kliniken Duisburg sowie die Vestischen Caritas-Kliniken Datteln.
Viele Inhaltsstoffe der Muttermilch können bis heute nicht künstlich nachgebildet werden
Alle Kliniken betreuen als Perinatalzentren der Versorgungsstufe 1 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm oder Säuglinge, die nach weniger als 29 Wochen Schwangerschaft zur Welt kommen. Landesweit fördert das NRW-Gesundheitsministerium acht neue Humanmilchbanken. Zehn weitere Kliniken - darunter das Klinikum Dortmund und das Universitätsklinikum Essen - erhalten vom Gesundheitsministerium Zuwendungen von bis zu 30.000 Euro. Sie setzen die Förderung ein, um ihre bestehenden Humanmilchbanken weiterzuentwickeln.
Für Säuglinge ist Muttermilch nicht zu toppen: „Sie enthält alle wichtigen Nährstoffe, die für eine gesunde Entwicklung des Babys gebraucht werden und passt sich den Nahrungsbedürfnissen an. Sie ist leicht verdaulich und enthält viele Abwehr- und Schutzstoffe“, erläutert Oberärztin Julia Zilz.
Inhaltsstoffe, die in jeder Stillmahlzeit vorhanden sind – und von denen viele bis heute nicht künstlich nachgebildet werden können – sind unter anderem: Millionen lebender Zellen wie weiße Blutkörperchen, die das Immunsystem stärken, oder Stammzellen, die zur Entwicklung und Heilung von Organen beitragen können. „Über 1000 Proteine helfen dem Baby zu wachsen und sich zu entwickeln, aktivieren das Immunsystem, fördern das Wachstum und den Schutz von Neuronen in seinem Gehirn.“
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Als besonders wertvoll gilt die erste Milch (Kolostrum), die von der Brust gleich nach der Geburt produziert wird. „Diese dickflüssige, klebrige Substanz wird auch als flüssiges Gold bezeichnet, nicht nur wegen ihrer gelben Farbe, sondern weil ihre Inhaltsstoffe so wertvoll sind“, führt Zilz aus.
Doch nicht allen Müttern gelingt es, ihr Baby zu stillen. „Genau für diese Fälle ist unsere neue Humanmilchbank gedacht“, sagt Issa. Schon in der Vergangenheit stellten die Ärzte des Perinatalzentrums fest: „Auf der einen Seite haben wir hier Mütter, bei denen einfach keine oder zu wenig Milch einschießt, auf der anderen Mütter, die sehr viel Milch produzieren.“
Oft genug hätten diese Frauen ihre Milch abpumpen müssen und im Kühlschrank der Klinik deponiert. „Bislang mussten wir diese zurückgelassenen Portionen entsorgen.“ Das sei nun vorbei.
Jede Probe wird auf Keime und Viren untersucht
Sobald die Humanmilchbank in Betrieb geht, darf der wertvolle Stoff von Müttern, die ihre Kinder im EKO zur Welt gebracht haben, an junge Mütter im EKO, die nicht (oder nicht ausreichend) stillen können, verteilt werden.
Aus Sicherheitsgründen werde jede Spende getestet und pasteurisiert, falls nötig sogar im extra angeschafften Spezialgerät, das neben Keimen sogar Viren vernichten kann. „Wie etwa auch das für Säuglinge besonders gefährliche Cytomegalievirus (CMV), eine Art Herpesvirus“, erläutert Zilz. Bis zu 90 Prozent aller Erwachsenen hätten sich irgendwann einmal damit infiziert.
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Wie ein normaler Herpesinfekt auch, verbleibt CMV lebenslang im Körper und kann auch auf ein Neugeborenes übertragen werden. Durch das noch nicht ausgereifte Immunsystem von Frühchen kann sich das Virus reaktivieren, „was zu Infektionen in Lunge, Magen-Darm-Trakt, Gehirn, Rückenmark oder Augen führen kann“.
Sicherheit gehe also in jedem Fall vor. Rund 43.000 Euro hat das EKO allein in dieses Gerät investiert. Profitieren sollen von der neuen Humanmilchbank künftig vor allem die rund 60 Frühchen mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 g, die alljährlich im EKO das Licht der Welt erblicken. „Aber natürlich auch Babys, die krank geboren wurden“, betont Chefarzt Issa.