Oberhausen. Das Oberhausener Jobcenter kündigt Kürzungen in nie dagewesenem Ausmaß an - und stürzt die freien sozialen Träger damit in die Existenzkrise.

Dieser Schock sitzt: Das Jobcenter in Oberhausen streicht den freien sozialen Trägern Kurbel, ZAQ und Ruhrwerkstatt in einem noch nie dagewesenem Ausmaß die finanziellen Mittel. Fast zwei Drittel aller Maßnahmenplätze sollen weg fallen. Damit sind alle Beteiligten in ihrer Existenz bedroht. Welche Mitarbeitenden dürfen jetzt noch bleiben? Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch ihre Maßnahmen fortsetzen? Fest steht: Die ersten Kündigungen werden wohl noch vor Weihnachten verschickt werden müssen.

Wie konnte es dazu bloß kommen? Wo doch alle drei Träger in der Stadt bestens vernetzt sind und ihre Arbeit seit Jahrzehnten als erfolgreich gilt. Schon die Ankündigung der Landesregierung (CDU/Grüne), 83 Millionen Euro im sozialen Bereich einzusparen, hatte die Sozialverbände auf die Barrikaden gebracht. Den Ausschlag aber gab jetzt der Bruch der Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP) in Berlin. Denn mit dem Ende der Bundesregierung steht auch der für 2025 geplante Bundeshaushalt vor dem Aus. Ein Desaster mit schlimmen Folgen für die Kommunen. Denn damit entfallen jetzt unter anderem Fördermittel in Millionenhöhe an die Jobcenter.

„Auch das Jobcenter in Oberhausen muss nun mit deutlich knapperen Geldern planen“, erläutert Frank Janßen. Kampflos aufgeben will der Geschäftsführer der Oberhausener Kurbel aber nicht. Gleiches gilt für seine Mitstreiter bei ZAQ und Ruhrwerkstatt. Einig ist man sich darin, dass es sich Jobcenter-Chefin Valeska Hurraß mit „ihrer Streichorgie nach dem Rasenmäherprinzip“ allzu leicht gemacht habe.

Von 229 Plätzen für Langzeitarbeitslose sollen insgesamt nur noch 77 bleiben

Dabei hatte Hurraß erst kürzlich im Interview mit dieser Redaktion selbst darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, sich insbesondere um die aktuell fast 6000 Langzeitarbeitslosen in unserer Stadt zu kümmern. Man habe hier gerade für diese Personengruppe entsprechende Instrumente, hatte Hurraß betont, „um sie langsam an eine Tagesstruktur zu gewöhnen und auf den Weg zu einer Arbeitsaufnahme zu bringen“. Und jetzt sollen ausgerechnet diese Instrumente so massiv reduziert werden?

Fakt ist: Während 2024 bei Kurbel, ZAQ und Ruhrwerkstatt insgesamt noch 229 Plätze für Langzeitarbeitslose zur Verfügung stehen, soll diese Zahl 2025 auf knappe 77 Plätze zusammengestrichen werden. Konkret heißt das: Die Kurbel darf von 98 nur noch 41 Plätze behalten, ZAQ von 80 künftig 19 und die Ruhrwerkstatt von 51 im nächsten Jahr nur noch 17. „Das entspricht einem Rückgang von über 65 Prozent“, bringt André Decker die fatale Lage für die freien Träger auf den Punkt. Der Geschäftsführer der Ruhrwerkstatt ergänzt: „Für hunderte Menschen bedeuten diese drastischen Einschnitte aber vor allem den Verlust einer wichtigen Chance, wieder Fuß zu fassen, soziale Kontakte zu knüpfen und einen Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu finden.“

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Denn diese Kürzungen betreffen eben genau die Oberhausenerinnen und Oberhausener, für die AGH-Maßnahmen eine der wenigen Möglichkeiten darstellen, ihren Weg zurück in ein selbst bestimmtes Leben zu finden. Was diese Plätze im Bereich Arbeitsgelegenheiten (AGH) für die Betroffenen bedeuten, beschreiben neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann selbst so: „Das hat mein Leben verändert“, „Ich habe endlich ein berufliches Ziel“, „Ich lerne hier so viel“, „Meine Tage haben wieder Struktur“, „Ohne diese Maßnahme würde ich dem Alkohol verfallen“, „Ich mache jetzt eine Fortbildung“, „Ich fühle mich endlich wertvoll“, „Ich bin für andere eine Hilfe, das macht mich stolz, als Bürgergeldempfängerin ist man sonst ja nicht so angesehen“.

Kampfbereit: (v.l.) Julia Eschenbruch (Bereichsleiterin Kurbel), Ralf Langnese (Bereichsleiter Ruhrwerkstatt), Yamfu Tekasala (Kurbel-Geschäftsführer), Maria-Christina Hagemeister (ZAQ-Geschäftsführerin), Frank Janßen (Kurbel-Geschäftsführer) und André Decker (Geschäftsführer der Ruhrwerkstatt) setzen sich für den Erhalt der so wichtigen Maßnahmen im sozialen Bereich ein.
Kampfbereit: (v.l.) Julia Eschenbruch (Bereichsleiterin Kurbel), Ralf Langnese (Bereichsleiter Ruhrwerkstatt), Yamfu Tekasala (Kurbel-Geschäftsführer), Maria-Christina Hagemeister (ZAQ-Geschäftsführerin), Frank Janßen (Kurbel-Geschäftsführer) und André Decker (Geschäftsführer der Ruhrwerkstatt) setzen sich für den Erhalt der so wichtigen Maßnahmen im sozialen Bereich ein. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Die AGH geben den Menschen Hoffnung und ein Gefühl von Zugehörigkeit“, weiß auch Maria-Christina Hagemeister, Geschäftsführerin des Zentrums für Arbeit und Qualifizierung (ZAQ). „Aus unserer langjährigen Arbeit mit der Zielgruppe wissen wir alle, dass Arbeitsgelegenheiten für die Betroffenen häufig die einzige Chance sind, ihre soziale Ausgrenzung zu überwinden“, ergänzt Decker.

Damit ihnen diese Chance erhalten bleibt, wollen die sozialen Träger kämpfen. „Die Stadt Oberhausen kann die Richtung mitbestimmen, die ihr Jobcenter bei seinen Kürzungsplänen einschlägt und sollte dort nach anderen Lösungen suchen lassen“, sind sich die Geschäftsführer einig. Aber auch die Politik auf Bundes- und Landesebene sehen sie in der Verantwortung, so schnell wie möglich eine tragfähige Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Denn es gehe ums Ganze: „Sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt, ist es allein wegen des Fachkräftemangels unmöglich, diese bislang so gut funktionierenden Strukturen wieder aufzubauen“, betont Frank Janßen. Mit der erheblichen Reduzierung des Angebotes sei außerdem die Existenz der drei freien sozialen Träger selbst bedroht. „Sind wir aber erst einmal weg, ist der soziale Kahlschlag in Oberhausen besiegelt.“

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