Oberhausen. Die Zahl der jungen Tatverdächtigen stieg zuletzt deutlich an. Aber ein anderer Trend macht Staatsanwälte, Polizei und Jugendhilfe optimistisch.
Die Jugendkriminalität hat in Oberhausen deutlich zugenommen, doch Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe sehen auch eine positive Entwicklung. Der Anstieg der Zahlen habe sich „deutlich verlangsamt“, schreiben sie in ihrem gemeinsamen Jahresbericht 2023.
Die Organisationen sind in Oberhausen im sogenannten „Haus des Jugendrechts“ gebündelt. Diese Einheit kümmert sich um Intensivtäter und solche Jugendliche, die auf die „schiefe Bahn“ zu geraten drohen. Für eine Entwarnung sei es allerdings noch zu früh: „Eine echte Trendwende bei der Fallzahlenentwicklung ist noch nirgendwo in Sicht. Von daher gibt es noch viel zu tun und auch das Haus des Jugendrechts wird sich stetig weiterentwickeln müssen.“
Drei Kriminalitäts-Ereignisse ragen in Oberhausen heraus: Die schreckliche Gewalttat am Oberhausener Hauptbahnhof, bei der zwei junge ukrainische Basketballer ums Leben kamen; die Einbruchsserie an Kitas und Schulen sowie die kriminelle Energie einer Kinderbande, die Kaufleute in der Oberhausener Innenstadt in Angst versetzte. Auch die Statistiken hinterließen den Eindruck, dass mehr Jugendliche nach der Pandemie Straftaten verüben. 2023 zählte die Polizei 1904 Tatverdächtige von unter 21 Jahren. Das war ein Anstieg um mehr als 60.
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29 Intensivtäter werden in Oberhausen genau beobachtet
Es gibt aber anscheinend auch Positives zu berichten. Zum einen sprach die neue Polizeipräsidentin Sylke Sackermann jüngst von einem leichten Rückgang im ersten Halbjahr 2024. Zum anderen berichtet das Haus des Jugendrechts von einer „stabilen“ Zahl an Intensivtäterinnen und Intensivtäter. Heißt: Es werden nicht weniger - aber auch nicht mehr. Zum Intensivtäter werden Jugendliche, die mehr als fünf Straftaten im Jahr begehen. Unterschieden wird zwischen aktiven und inaktiven, also zwischen Intensivtätern, die momentan eine hohe Kriminalitätsenergie haben, und solchen, bei denen die Kurve bereits abgeflacht ist. 29 Jugendliche gelten als aktive Intensivtäter und werden von den Behörden genau beobachtet. Elf weitere gelten als inaktiv. Die Zahl der aktiven Intensivtäter ist laut Bericht in den vergangenen vier Jahren stabil geblieben.
Die meisten Verfahren, die mit den überwiegend männlichen Intensivtätern in Zusammengang stehen, sind Eigentumsdelikte (201). In 73 Verfahren ging es 2023 um Gewaltdelikte. Nur 22 Verfahren hatten mit Verstößen gegen Drogen-Gesetze zu tun.
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Intensivtäter landen automatisch in der „Besonderen Bearbeitungsform“. Das bedeutet, dass mehr Kontrollen und Gespräche erfolgen. Interessant ist, dass die Verweildauer deutlich zugenommen hat. 2021 war ein Intensivtäter durchschnittlich noch neun Monate in diesem Programm. Mittlerweile dauert die engmaschige Betreuung 17 Monate. Manche werden sogar 36 Monate betreut. „Intensive kriminelle Karrieren lassen sich nicht so einfach beenden – die nötigen Interventionen erfordern Zeit und Geduld“, heißt es in dem Bericht. Das raubt jedoch Kapazitäten, erläutern die Experten. Als Gründe für die lange Betreuungszeit nennen sie die zunehmende Komplexität der Probleme. Die Ursachen hinter dem „Symptom“ Jugendkriminalität seien vielschichtiger geworden und bedürfen stärkerer Interventionen.
Haus des Jugendrechts Oberhausen: Personelle Probleme abgwendet
Immerhin: Die personellen Probleme des Haus des Jugendrechts scheinen abgewendet zu sein. Im vergangenen Jahr hatten die Experten noch von einer dramatischen Lage gesprochen, drohten gar mit einem Scheitern des Projektes. „Diese Befürchtung hat sich dankenswerterweise nicht bewahrheitet, was dem Engagement aller Mitarbeiter*innen im Haus des Jugendrechts zu verdanken ist“, heißt es dazu.
Das Personal wird die Organisation auch brauchen. Um der Jugendkriminalität langfristig gegenzusteuern, „braucht man einen langen Atem, denn Interventionen brauchen Zeit, um zu wirken. Durch die jünger gewordene Klientel steigen die Anforderungen in den Bereichen Beratung, Betreuung und Maßnahmeneinleitung massiv an“. Eine Zielsetzung für die Zukunft lautet, präsenter zu sein. Staatsanwaltschaft, Jugendhilfe und Polizei wollen Treffpunkte von gefährdeten Jugendlichen häufiger aufsuchen. „Denn eines ist sicher: Nachlassen darf man an dieser Schlüsselstelle nicht“, lautet der letzte Satz.