Oberhausen. Großer Erfolg für den Auszubildenden einer Oberhausener Werkstatt: Der orthopädische Schuh aus Handarbeit bringt ihm einen besonderen Titel ein.
Der Beruf des Schuhmachers gilt als vom Aussterben bedroht. Die Reparatur von Schuhen scheint immer mehr außer Mode zu kommen. Dagegen sind Orthopädieschuhmacher durchaus gefragt, was der älter werdenden Bevölkerung geschuldet sein dürfte. In Oberhausen hat nun ein junger Mann in diesem Beruf eine außergewöhnliche Leistung geschafft. Er ist NRW-weit der beste Azubi seiner Zunft.
Oberhausener Ausbilder zeigt sich von Stellenanfrage sehr angetan
Dabei war sich Jan-Bernd Hoffmann überhaupt nicht sicher, ob er in die Fußstapfen seines Vaters treten soll, der als Orthopädieschuhmacher eine eigene Firma betreibt. Reichen die Talente wie reichlich handwerkliches Geschick und Spaß an Technik, überlegte der 23-Jährige. Da aber bekanntlich Probieren über Studieren geht, entschloss er sich zu einer Ausbildung.
Für die kam gewiss die Firma seines Vaters in Betracht, aber als junger Mensch möchte man schließlich auch mal über den Tellerrand hinausschauen. Auf der Suche nach einem passenden Unternehmen kam er mit Jan Gebhardt in Kontakt, Chef von Orthopädie Schuhtechnik Overlöper in Oberhausen, eines von gut einem halben Dutzend heimischen Fachbetrieben. Der Firmenchef war von der Anfrage des 23-Jährigen aus dem münsterländischen Raesfeld sehr angetan.
Auszubildender fühlt sich in Oberhausener Fachbetrieb sehr gut aufgenommen
Dreieinhalb Jahre legte Jan-Bernd Hoffmann tagein, tagaus 80 Kilometer mit dem Auto zurück, 40 hin und 40 wieder zurück, Berufschultage ausgenommen. Als wirkliche Belastung hat er die Strecke niemals empfunden. Vom ersten Tag an sagte ihm die Arbeit zu, vor allem gefiel ihm auch die nette Atmosphäre im 13-köpfigen Betrieb. Wenn Fragen aufkamen, wusste er sich im Team sehr gut aufgehoben.
Welche Anforderungen in etwa auf ihn warten würde, wusste er weitestgehend aus dem väterlichen Betrieb und merkte schon schnell, dass die Tätigkeit auch sein Ding ist. Denn die Arbeit eines Orthopädieschuhmachers hat weit mehr als nur rein handwerkliche Seiten, er steht auch im Kontakt mit den Kunden, um ihnen zu helfen. Die Betroffenen haben große Probleme mit dem Gehen, manche sind gar kaum noch in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Im Oberhausener Betrieb wird der Fuß des Kunden genau ausgemessen
Das Schuhwerk passend, formgerecht und nach den Wünschen des Patienten anzufertigen, darin besteht die hohe Kunst in diesem Beruf. Bevor nun Fachleute wie Jan-Bernd Hoffmann mit der Herstellung beginnen, heißt erst einmal Maß nehmen. Jeder Fuß hat seine eigene, individuelle Form. Die zu erfassen, erfolgt in einem mehrschrittigen Verfahren.
Zunächst stellt sich der Kunde auf eine Glasfläche - kombiniert mit digitaler Fototechnik, die den Fuß ablichtet und alle wichtige Daten für den Umriss ermittelt. Anschließend entsteht mithilfe eines Gipsabdrucks der sogenannte Leisten, der die Fußform im Detail wiedergibt. Um dieses Modell herum entsteht nun der neue Schuh, indem die einzelnen, zugeschnittenen Teile - aus Leder oder auch anderen Materialien - im wahrsten Sinn über den Leisten gezogen werden. Darüber hinaus muss natürlich auch ein Boden, also eine Sohle geschaffen werden.
Für die Prüfung einen Orthopädieschuh in Handarbeit hergestellt
In der Prüfung bekam der Raesfelder die Aufgabe, einen Schuh für eine Person anzufertigen, die aufgrund einer Nervenschädigung beim Gehen enorm beeinträchtigt ist. Den Leisten kam er gestellt, musste nun ein Modell schaffen, das zum einen Halt gibt, andererseits aber auch dem Fuß noch ausreichend Bewegungsfreiheit lässt.
Mehrere Stunden hatte Hoffmann zwar Zeit, doch es handelte sich auch um ein aufwendiges Unterfangen. Als der Münsterländer später erfuhr, theoretischer Teil mitgerechnet, auf dem ersten Platz gelandet zu sein, war er gleichermaßen überrascht wie begeistert.
Wenn nun für ihn die Ausbildung zu Ende gegangen ist, kann er aber nicht nur diesen Erfolg für sich verbuchen, sondern Geselle hat auch eine Menge Erfahrung gewonnen. Für eine Vielzahl an unterschiedlichen Fußfehlstellungen fertigte er die erforderlichen Schuhe an. Ob Spitzfuß, mit dem Frau oder Mann den Fuß nicht richtig abrollen, Klumpfuß, Plattfuß oder auch verkürzten Beinen: Durch den Orthopädieschuh gewinnt die jeweilige Person Halt und Sicherheit, um sich fortzubewegen. Darüber standen in der Ausbildung noch weitere Aufgaben an, wozu unter anderem das Erstellen von Einlagen und Maß nehmen für Kompressionsstrümpfe gehörten.
Was Beschäftigte in einer Werkstatt für Schuhorthopädie verdienen
Nach Worten von Firmenchef Jan Gebhardt, voll des Lobes über den jungen Gesellen, haben immer mehr Menschen mit Fußbeschwerden zu tun. Das sei oft dem Alter geschuldet. Darüber hinaus können aber auch Unfälle diverser Art oder Krankheiten zu Schäden an den Füßen führen. Mitunter bringen auch Hüftprobleme enorme Fußleiden mit sich. Deshalb arbeite der Betrieb auch stets eng mit den behandelnden Ärzten zusammen.
Während die Auftragsbücher im Betrieb Overlöper proppenvoll sind, mangelt es beim beruflichen Nachwuchs. Zum ersten Mal hat Jan Gerhardt keinen Auszubildenden eingestellt. Aber auch andere Unternehmen der Branche beklagen, dass ihnen junge Leute fehlen. Ein Auszubildender verdient im ersten Jahr rund 800 Euro und erhält im vierten Jahr 1080 Euro monatlich. Das anschließende Einstiegsgehalt für einen Gesellen liegt bei 2730 Euro und beträgt nach zwei Jahren 3033 Euro. Jan-Bernd Hoffmann weiß indes, dass er den passenden Beruf gefunden hat und beginnt damit, sich in der Firma seines Vaters einzuarbeiten.
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