Oberhausen. Debatten mit jungen Erwachsenen sind für mächtige Amtsträger nie einfach. Oberhausens Oberbürgermeister bleibt gelassen - bis auf einen Moment.
Wenn auf einem Podium mit vier Vertretern der Jugendorganisationen der Parteien und 70 jungen Zuhörern im Ratssaal ausgerechnet der jungliberale FDP‘ler den leidenschaftlichsten, revolutionärsten und ja auch aggressivsten Eindruck hinterlässt, dann ist das auch ein Signal, wie sehr sich gerade etwas zwischen den Parteien verschiebt.
Die FDP, über Jahrzehnte natürlicher Verbündeter der Christdemokraten, greift die Leistung des christdemokratischen Amtsträgers, Oberbürgermeister Daniel Schranz, am massivsten an. Max Baum, seit 2019 Chef der Oberhausener Jungliberalen, bleibt höflich, aber bestimmt: Er nennt die Ideen der CDU für mehr Sicherheit am Hauptbahnhof, wie etwa eine Videoüberwachung, realitätsfern, er sieht keinen Sparwillen bei der Stadt, die Abgabenlasten für Bürger seien viel zu hoch, die Hundesteuer ungerechtfertigt und willkürlich, sein Wahlkampfversprechen einer Steuersenkung für Betriebe habe Schranz gebrochen - und Schranz biete höchstens einen lahmen Einsatz für die Interessen Oberhausens bei der OB-Partei CDU auf Landesebene.
„Die Stadt schraubt mit ihren Sparpaketen immer nur auf der Einnahmeseite herum, belastet die Bürger immer mehr, aber spart bei sich selbst viel zu wenig, das steht oft nur auf dem Papier. Dafür haben wir kein Verständnis“, kritisiert Baum.
Erste Debattenveranstaltung „Wohin geht die Reise?“ mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen
„Oberhausen, wohin geht die Reise?“ heißt eigentlich diese erste Debattenveranstaltung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im mondänen Ratssaal des Rathauses, initiiert von den Jugendorganisationen der örtlichen Parteien. Dynamisch geleitet von Radio-Oberhausen-Moderatorin Sarah Borkowski geht es zwei Stunden lang intensiv um die drei Bereiche Sicherheit, Stadtfinanzen und Ausbildung.
Die kritischen Vorstöße des 24-jährigen Jungliberalen nimmt Schranz äußerlich gelassen hin, in seiner knapp zehnjährigen Amtszeit hat er schon alle möglichen Argumente und Kritiken gehört. Das Stadtoberhaupt erklärt, erläutert geduldig-freundlich - aber dann irgendwann, nach dem wiederholten Vorwurf mangelnden Spareifers von seiner linken Seite auf dem Podium, reicht es ihm doch; er wirkt erkennbar verärgert. „Also das hier ist ein Zerrbild, was Sie hier aufzeigen. Die Belastungen für die Bürger sind bei jeder Sparrunde nachweisbar erheblich geringer als die deutlichen Einsparungen in der internen Stadtverwaltung.“ Im Übrigen könne man gar nicht mehr sparen, ohne Bürger direkt oder indirekt zu treffen: „Oberhausen hat seit den 80er Jahren unfassbare Sparrunden hinter sich.“
Und warum wird dann unter seiner Ägide der städtische Apparat immer größer, werden trotz Digitalisierung immer mehr Menschen eingestellt, nun sind es schon über 3000 Beschäftigte? „Ganz einfach: KI betreut keine Kinder. Wir haben Erzieherinnen und Erzieher eingestellt, Sozialarbeiter für die Schulen: Es gibt fast ausschließlich einen Zuwachs an Personal in den Bereichen, in denen die Bürger gute Dienstleistungen der Stadt erwarten, kaum Zuwachs in der inneren Verwaltung.“
Ursache der finanziellen Not: das deutsche Finanzierungssystem der staatlichen Ebenen, also die Verteilung der Steuereinnahmen. Dies sei mehr als renovierungsbedürftig: „Die Städte mit den hohen sozialen Lasten, für die sie selbst historisch nichts können, erhalten einen zu geringen Anteil an den Steuereinnahmen. Das ist weder fair noch gerecht. So kommen Städte mit so gewaltigen Strukturbrüchen der Wirtschaft mit Verlusten von 58.000 Industrie-Arbeitsplätzen wie Oberhausen nie aus der Finanzmisere heraus.“ Natürlich setze man sich auf allen Partei- und Staatsebenen massiv dafür ein, dass Bund und Land Teile der zwei Milliarden Euro dicken Altschuldenlast, für die Oberhausen nichts könne, endlich übernehmen.
Als Erstes kümmerte sich das Podium an diesem Abend aber um das Thema Sicherheit. Nach allen Umfragen treibt die Sicherheitsfrage nicht nur Ältere um, sondern gerade auch die jungen Menschen. Doch die Debatten der Jungen verlaufen an diesem Dienstag auch nicht origineller als die der Erwachsenen - und arbeiten sich an diesem Phänomen ab: Nach den statistischen Kriminalitätszahlen ist Oberhausen eine sichere Stadt, trotzdem fühlen sich alle möglichen Leute an vielen Orten, besonders am Hauptbahnhof, unsicher.
Jusos: Oberhausen ist die siebtsicherste Stadt Deutschlands, viele verwechseln Armut mit Kriminalität
So sieht denn auch Regina Leenders von den Jusos erst einmal das Problem bei den Betrachtern: „Oberhausen ist die siebt-sicherste Stadt Deutschlands; viele verwechseln Armut mit Kriminalität. Wenn sie Menschen mit Suchtproblemen auf der Marktstraße erblicken, dann löst das kein Sicherheitsgefühl aus.“ Doch das wahre Kriminalitätsproblem liege nicht draußen, sondern drinnen: Gewalt in Familien, Gewalt gegen Frauen. Lion Rudi von der Linksjugend spricht von einzelnen Fällen auf den Straßen Deutschlands, die „überdramatisiert werden“. Um Kriminalität zu bekämpfen, sollte man „als erste Maßnahme Armut bekämpfen, da Kriminalität mit Armut korreliert“.
Nunzio Cavallo, Vorsitzender der Oberhausener Jungen Union und Streifenpolizist in Altenessen, wirbt dagegen für die „Politik der tausend Nadelstiche“ von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) - am Beispiel der vielen Regelverstöße von Autofahrern auf der Marktstraße.
Um die verbotenen Durchfahrten auf der Fußgängerzone zu stoppen, hatte die Stadt keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als Pöller aufzustellen - bei den jungen Parteivertretern eine umstrittene Maßnahme. „Das machen doch oft junge Männer mit Migrationshintergrund, die mit ihren dicken Autos herumprotzen“, sagt Cavollo. „Wenn wir uns hier wegducken, dann wäre das falsch. Denn der Kuschelkurs wirkt bei solchen Leuten nicht. Hier muss man hart durchgreifen, die immer wieder mit Ordnungsstrafen ärgern, die ins Geld gehen, sodass die den Spaß daran verlieren.“
Mehr Kontrollen auf der Marktstraße in der Oberhausener Innenstadt statt hässliche Pöller
Der Jungliberale Baum findet es auch merkwürdig, warum man nicht zunächst mehr Kräfte des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) eingesetzt hat, um „diese Querulanten“ zu bestrafen, statt hässliche Pöller für 30.000 Euro auf der Marktstraße zu setzen, die beim Umbau der Fußgängerzone sowieso wieder weichen müssten. Mit mehr Kontrollen hat man es durchaus versucht, doch diese reichten nicht mit dem vorhandenen Personal. Man benötigt also mehr Kräfte für den Ordnungsdienst - aber genau beim Rathaus-Personal will Baum ja Sparpotenziale entdeckt haben.
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