Oberhausen. Oberhausen ist Teil des Literaturfestivals Lit.Ruhr. Bekannte Gesichter der Literatur-Szene steuern zwei Adressen an. Programm in der Übersicht.
Bei der Lit.Cologne, der seit 2001 etablierten „Mama“ der Lit.Ruhr, heißt es so schön kompakt in einer Selbstdefinition, sie sei ein „internationales Literaturfestival, das die klassische Lesung durch Diskussionen, Gespräche und Formen aus Theater und Kabarett ergänzt“. Spötter sprechen längst von einem Bücher-Event für Menschen, die ungern Bücher lesen. Wie sehr sich das „Kind“ Lit.Ruhr mit seiner achten Festival-Auflage an die Stromlinie des Millionenstadt-Spektakels anschmiegt, zeigen die fünf Tage vom 9. bis 13. Oktober rund um die zentrale Spielstätte, das Welterbe Zeche Zollverein.
Immerhin ist Oberhausen markanter als in den Jahren zuvor nun Teil der Lit.Ruhr 2024 - und zwar mit dem Ebertbad als stilvollem neuen Lese-Schauplatz. Dabei geht‘s schon irgendwie auch um Bücher, schließlich werden alle Protagonisten was Gedrucktes mitbringen. Doch schon der Ebertbad-Auftakt zur frühen Stunde am Donnerstag, 10. Oktober, um 18 Uhr ist „So viel mehr“. Denn so heißt die Autobiografie von Max Mutzke. Der heute 43-jährige Badener war vor 20 Jahren Achtplatzierter beim Eurovision Song Contest in Istanbul. Im Gespräch mit Autorin Dora Heldt plaudert der Sänger über seine Kleinstadt-Herkunft, seinen Weg in die Musik und auf die Bühnen des Landes. Im bekannt klangschönen Ebertbad singt er live, begleitet von Nick Flade am Flügel, auch einige seiner Evergreens.
Nach ganz kurzer Pause geht‘s bereits um 21 Uhr weiter im Ebertbad mit einem Gespräch „Über Verlust, Trauer und Zuversicht“. Der Soziologe Andreas Reckwitz („Die Gesellschaft der Singularitäten“) liefert mit seiner neuen Studie einen Beitrag zum Verständnis unserer aufgewühlten Gegenwart. In seinem Essay „Die Zeit der Verluste“ nähert sich der Schriftsteller Daniel Schreiber („Allein“) dieser zentralen menschlichen Erfahrung auf persönlicher Ebene: Den Tod seines Vaters nachfühlend, stellt er sich die Frage: Wie lässt sich ein Leben in Zeiten um sich greifender Verluste führen? Das Gespräch über Gesellschaft und Menschlichkeit, über Fakten und Gefühle moderiert die Journalistin Shelly Kupferberg.
Freundschaften zerbrechen nach dem 11. September 2001
Am Freitag, 11. Oktober, um 19 Uhr zieht die Lit.Ruhr dann weiter zum Literaturhaus Oberhausen ins Gdanska Theater, Gutenbergstraße 8. In „Ich komme nicht zurück“ erzählt die Dortmunderin Rasha Khayat von einer tiefen Freundschaft in den späten 1980er Jahren: Gemeinsam wachsen Hanna, Zeyna und Cem in einer Arbeitersiedlung im Revier auf, bilden eine Wahlfamilie, in der Herkunft keine Rolle spielt. Doch je älter die Kinder werden, desto klarer treten die Unterschiede hervor. Mit dem 11. September 2001 steht ihre Freundschaft vor der Zerreißprobe. Die Literatin Karosh Taha moderiert Lesung und Gespräch.
Für weitere fünf Termine ist das Ebertbad zudem Schauplatz des „Lit.Kid.Ruhr“-Programms für den ausgeschlafenen Lese-Nachwuchs. Denn bereits am Mittwoch, 9. Oktober, um 10 Uhr geht‘s los mit „Drei aus der Zukunft“: Bille, Esra und Waldi könnten unterschiedlicher nicht sein - und bewältigen gerade deshalb Abenteuer in einer Zukunft, die abgesehen von tanzenden Lehrkraft-Robotern und schwebenden Rollern unserer Gegenwart gar nicht unähnlich ist. Autorin und Illustratorin Aisha Franz liest, zeichnet live und nimmt so das Publikum mit in die futuristische Welt ihres Comics.
Zwei Stunden später, um 12 Uhr, übernimmt Barbara Laban mit ihrer Geschichte für Viert- und Fünftklässler: „Wishkeeper. Das Land der verborgenen Wünsche“. Nur Wishkeeper wie Lexi und Milo können unerfüllte Wünsche sehen. Sie folgen ihnen in das Land Everwish und wohnen einer Verwandlung bei: Aus Wunschschmetterlingen werden Lumix, Fireflashs, Neverlinge und Crimsons - lauter fantastische Kreationen der studierten Sinologin und Japanologin Barbara Laban.
Deutsch-jüdische Gegenwart im Jugendroman „Goldene Steine“
Die erfahrene Jugendbuchautorin Cornelia Franz erzählt für Sechst- und Siebtklässler am Donnerstag, 10. Oktober, um 10 Uhr von deutsch-jüdischer Gegenwart. „Goldene Steine“ beginnt damit, dass Leon aus Übermut auf der Straße einem Mann das Käppi vom Kopf klaut. Als er es später aus Spaß aufsetzt, wird er von Unbekannten zusammengeschlagen – aber warum? Nikolai ahnt, dass der Angriff auf Leon eigentlich ihm galt, denn er ist hier einer der wenigen Juden. Yara wohnt in einem Haus mit „Stolpersteinen“ vor der Tür. Immer wieder kreisen ihre Gedanken um das Mädchen Ella, dem einer der Steine gewidmet ist. Als die drei Jugendlichen sich kennenlernen, machen sie sich auf die Suche nach dem Mann, dem Leon die Kippa gestohlen hat, um sie zurückzugeben.
Der studierte Historiker und Jugendbuch-Autor Dirk Reinhardt, selbst ein Kind der „No Future“-Generation, erzählt für Neuntklässler und Ältere zwei Stunden später, um 12 Uhr, von der radikalen Klimaschutzgruppe „No Alternative“ (so auch der Buchtitel): Seine Heldin Emma Larsen will den Planeten retten und geht in den Untergrund. Eine halsbrecherische Aktion auf der Spitze des Frankfurter Messeturms macht sie in der Öffentlichkeit bekannt. Dirk Reinhardt diskutiert mit Moderatorin Lena Rumler über das brisante Thema „Umweltaktivismus“.
Dayan Kodua, die Verlegerin des Gratitude-Verlags in Hamburg-St. Georg, präsentiert zum prickelnden Abschluss der „Lit.Ruhr.Kids“-Termine im Ebertbad am Freitag, 11. Oktober, um 10 Uhr ihre Übersetzung des US-Bestsellers „Es ist doch nur Haut!“. Warum haben wir Haare auf unserer Haut? Warum schwitzen wir? Und warum gibt es überhaupt unterschiedliche Hautfarben? Epi Dermis beantwortet all diese Fragen. Aber eins versteht selbst die Haut nicht: Dass so oft Lügen über sie, das am härtesten arbeitende Organ unseres Körpers, verbreitet werden. „Die Farbe der Haut macht eine Person nicht nett oder gemein, schlau oder bedrohlich.“
Schulklassen können sich noch für Gratis-Termine bewerben
Alle fünf Ebertbad-Termine des „Lit.Ruhr.Kids“-Festivalteils zählen zum Programm „Klasse Buch“ und sind damit kostenfrei. Schulklassen können für die jeweils einstündigen Lesungen an einem Losverfahren anmelden - und zwar noch bis Freitag, 13. September. Lehrerinnen und Lehrer sollten auf dem Online-Formular drei Lesungen nach Priorität angeben, um ihre Chancen auf einen spannende Lese-Performance-Stunde zu erhöhen.
Im Lit.Ruhr-Programm für die „Großen“ liegt das Preisniveau deutlich höher als etwa beim Literaturhaus Oberhausen. Das gilt selbst für den Termin mit Rasha Kayat: 16 Euro im Vorverkauf, 22 Euro an der Abendkasse. Der Auftritt von Max Mutzke kostet 20 Euro (Abendkasse 26 Euro), das Gespräch von Andreas Reckwitz und Daniel Schreiber 22 Euro (Abendkasse 28 Euro).